Das Verfahren hat noch gar nicht begonnen, da ist ihm schon ein Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Noch niemals wurde ein amerikanischer Präsident gleich zweimal mit einem Impeachment-Prozess konfrontiert. Allerdings war auch keines der bislang drei Amtsenthebungs-Verfahren in der amerikanischen Geschichte erfolgreich. So ist auch dieses Mal davon auszugehen, dass das Verfahren an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Senat scheitern wird. 17 republikanische Stimmen bräuchten die Demokraten, um den ausgeschiedenen Präsidenten rückwirkend seines Amtes zu entheben – und ihn in einem weiteren Verfahren dann mit einfacher Mehrheit daran zu hindern, jemals wieder ein öffentliches Amt zu bekleiden.
Nach Stand der Dinge wollen lediglich fünf republikanische Senatoren an der Seite der Demokraten für ein Impeachment gegen Donald Trump stimmen. Der republikanische Senator Bill Cassidy aus Louisiana erinnerte daran, dass 45 der 50 republikanischen Senatoren das Verfahren für verfassungswidrig erklärten - das Ergebnis stehe also schon vorab fest.
Nur ein einziger Anklagepunkt
Beobachter gehen von einem kurzen Prozess aus. Möglicherweise ist das Verfahren schon nach einer guten Woche beendet, wenn beide Seiten – die Anklage und die Verteidigung – ihre Sicht der Dinge in jeweils 16 Stunden binnen zwei Tagen vorgetragen haben. Anders als beim ersten Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump vor einem Jahr gibt es dieses Mal nur einen einzigen Anklagepunkt: Dem Ex-Präsidenten wird nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar "Anstiftung zum Aufruhr" vorgeworfen. Anders als vor einem Jahr, als sich viele Vorwürfe gegen Donald Trump in der Ukraine-Affäre nicht ohne weiteres verifizieren ließen, hätten sich die Ereignisse vom 6. Januar in aller Öffentlichkeit zugetragen, erklärte der ehemalige demokratische Senator Doug Jones aus Alabama in CNN: Sie seien in Videos, Tweets und Reden zweifelsfrei dokumentiert worden.
Deshalb hat der oberste Ankläger der Demokraten, Jamie Raskin, seine neun sogenannten "Hausmanager" angewiesen, die Vorwürfe gegen Donald Trump so knapp wie möglich zu formulieren. Die Republikaner und die Öffentlichkeit sollen stattdessen durch Zusammenschnitte von Video-Sequenzen beeindruckt und von der Schuld Donald Trumps überzeugt werden. Trump habe in seiner 70-minütigen Rede am 6. Januar seine Anhänger geradezu zum Sturm auf das Kapitol aufgefordert, als er erklärte, er werde mit ihnen marschieren.
Im selben Atemzug forderte Trump seine Anhänger auf, wie der Teufel zu kämpfen, "sonst werdet Ihr kein Land mehr haben", wie er wörtlich sagte.
Impeachment-Verfahren gegen Ex-Präsidenten verfassungswidrig?
Tatsächlich habe Trump damit den Aufruhr geradezu provoziert, heißt es in der Anklageschrift. Die fanatisierten Massen seien mit dem Ziel in das Kapitol eingedrungen, nach der demokratischen Politikerin Nancy Pelosi zu suchen und Vizepräsident Mike Pence zu hängen, der Donald Trump angeblich in den Rücken gefallen war.
Nach Ansicht der demokratischen Ankläger zielte die gesamte politische Dramaturgie Donald Trumps von der Lüge des Wahlbetrugs über seine einpeitschenden Tweets bis hin zur Rede am 6. Januar darauf ab, im letzten Moment die Wahl Joe Bidens durch das Wahlmännergremium zu Fall zu bringen. Die Verteidigung widerspricht dem heftig und behauptet, dass Trumps These von der Manipulation der Wahlen durch das Prinzip der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Zweitens behaupten Trumps Anwälte, dass es verfassungswidrig sei, ein Impeachment-Verfahren gegen einen Präsidenten anzustrengen, der gar nicht mehr im Amt ist – eine Darstellung, der auch ein prominenter republikanischer Anwalt im Wall Street Journal widersprach.
Kein Interesse an einem langen Verfahren
Gleichwohl nennen Trumps Juristen das ganze Verfahren ein politisches Theater der Demokraten und wiesen die Vorladung des Ex-Präsidenten brüsk zurück. Noch haben beide Seiten ihre Strategie nicht in Gänze offengelegt. Demokraten und Republikaner haben sich jedoch in der Frage der Verfahrensregeln dem Vernehmen nach angenähert – beide Seiten sind nicht daran interessiert, dieses Verfahren in die Länge zu ziehen. So könnte auf Zeugenaussagen weitgehend verzichtet werden. Die Hoffnung der Demokraten, dass die republikanischen Senatoren angesichts der beispiellosen Attacke auf die amerikanische Demokratie und ihre Institutionen ihre Parteiinteressen zurückstellen und sich stattdessen auf die Rettung fundamentaler demokratischer Prinzipien besinnen – diese Hoffnung dürfte sich allerdings nicht erfüllen.