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Impfabfrage am Arbeitsplatz
Datenschutzbeauftragter: Arbeitgeber sollte nicht sehen ob geimpft oder genesen

Gegenwärtig sei eine Abfrage des Impfstatus durch den Arbeitgeber nicht rechtssicher geregelt, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) im Dlf. Gesundheitsdaten seien sensibel - eine eventuelle neue Rechtsgrundlage müsse verhältnismäßig und zeitlich begrenzt angelegt sein.

Ulrich Kelber im Gespräch mit Silvia Engels |
Ein Smartphone mit der CovPass-App.
Noch gibt es keine rechtssichere Grundlage für die Abfrage des Impfstatus von Arbeitnehmern (dpa / Soeren Stache)
Sollen die Arbeitgeber den Impfstatus abfragen dürfen? Diese Frage wird gerade innerhalb der Regierungskoalition, aber auch zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften diskutiert. Die Arbeitgeber, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach begrüßen diesen Vorschlag. So könnten Arbeitsplätze sicherer gemacht werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) melden jedoch datenschutzrechtliche Bedenken an.
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Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) betonte im Deutschlandfunk, dass Gesundheitsdaten von Beschäftigten aufgrund ihrer Sensibilität derzeit nicht einfach so abgefragt werden könnten. Derzeit gebe es keine Rechtsgrundlage für eine Abfrage des Impfstatus. Bei einer Regelung müsse man darauf achten, dass sie verhältnismäßig, angemessen und zeitlich begrenzt sei – etwa für die Dauer der Pandemie. Nach Ansicht Kelbers sollte in jedem Fall der Gesundheitsstatus dem Arbeitgeber nicht im Detail bekannt sein. Er müsse also beispielsweise nur wissen, ob die 3G-Voraussetzungen - geimpft, genesen oder getestet - erfüllt seien, nicht welche davon. Denn "aus der Information, ich habe hier jemanden eingestellt, der mal Covid hatte, sich zum Beispiel die Information ableiten ließe, er hat eventuell Long Covid, ist leistungsmäßig eingeschränkt, kann Folgeerkrankungen bekommen."
Prof. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BfDI, Deutschland, sitzt in der Bundespressekonferenz vor einer blauen Wand.
Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber saß bis 2019 für die SPD im Bundestag (IMAGO / Metodi Popow)

Das Interview im Wortlaut:
Silvia Engels: Ist es denn trotz Bundesdatenschutzgesetz möglich zu regeln, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gezielt nach einer Corona-Impfung fragen kann?
Ulrich Kelber: Es ist erst mal gut, dass Gesundheitsdaten nicht einfach so abgefragt werden können, dann auch noch verarbeitet, gespeichert werden können. Ich habe vor zwei Wochen die Bundesministerien noch mal über meine Ansicht informiert, dass es heute zumindest keine Rechtssicherheit und keine Rechtsklarheit gibt, keine Rechtsgrundlage für diese Abfrage, von wenigen Ausnahmen abgesehen, und wenn man in dem Bereich etwas regeln will, dass man es dann auch rechtssicher regeln müsste.
Es muss vor allem erforderlich und verhältnismäßig sein. Aber in der Tat glauben wir, dass man in dem Bereich auch Regelungen treffen könnte. Wir haben dann Vorschläge gemacht, angeboten zu beraten, wie man diese in einer Form machen kann, dass ein bestmöglicher Datenschutz dann auch immer noch gewährleistet ist.
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Engels: In welchem Gesetz müsste das denn Ihrer Ansicht nach geregelt sein? Im Arbeitsrecht oder im Infektionsschutzgesetz, wie Herr Heil das ja sagt?
Kelber: Es spricht schon auch für beide Wege etwas, weil das Arbeitsrecht klärt natürlich Fragestellungen, wann ist zum Beispiel ein Infektionsschutz abgeregelt. Auf der anderen Seite muss man ja an etwas anknüpfen, wann ist überhaupt eine solche Verarbeitung von Gesundheitsdaten möglich, und das sollte natürlich nicht allgemein der Fall sein. Es sollte sich nicht über eine pandemische Lage und auf allgemeine Informationen ausdehnen lassen. Deswegen natürlich auch die Fragen des Infektionsschutzgesetzes.
Das ist aber eine Frage, was dann der Gesetzgeber macht. Wir würden als Behörde beraten, wie man es am Ende tatsächlich gut regelt. Ein Beispiel: Es wird immer vom Impfstatus gesprochen. Wenn man sich aber sagt, wir stellen Geimpfte, Genesene und Getestete gleich, dann muss der Arbeitgeber natürlich nicht wissen, welchen dieser drei Teilstati man erfüllt, sondern er muss nur das Gesamtergebnis kennen. Das wäre zum Beispiel eine datenschutzfreundliche Regelung.

Rückschlüsse auf Long Covid

Engels: Das wäre eine Regelung, die wohl ginge – Stichwort 3G. Aber es gibt ja nun einige Vorstöße, auf 2G zu gehen. Wir haben ja in Hamburg beispielsweise jetzt die Möglichkeit, dass man beispielsweise in einem Restaurant nur noch Geimpfte und Genesene zulassen kann. Es kann ja sein, dass sich der eine oder andere Restaurantbetreiber dafür entscheidet, weil er alle Tische wieder besetzen will. Das darf er dann nämlich, aber nur, wenn die Angestellten auch geimpft oder genesen sind. Aber er darf das nicht fragen. Wie soll er es dann organisieren?
Kelber: Das wäre genau eine dieser Fragen, was ist erforderlich. Das ist immer wichtig, um überhaupt solche sensiblen Daten verarbeiten zu dürfen. Was ist eine geeignete Maßnahme dafür? Wie lang ist zum Beispiel die pandemische Lage so, dass solche Regelungen überhaupt eingeführt werden können? Und was ist noch verhältnismäßig?
In der Tat: Wenn man dann sagt, für diese Bereiche, für diese Arbeitsplätze wäre eine 2G-Regelung die entsprechende, dann müsste man trotzdem klären, wo ist das überhaupt erlaubt, wie lange ist diese Situation, bei welcher Inzidenz, bei welchen Hospitalisierungsraten, und auch dort wäre zum Beispiel wichtig, dass der Arbeitgeber nicht den Unterschied sieht zwischen geimpft und genesen, weil aus der Information, ich habe hier jemanden eingestellt, der mal Covid hatte, sich zum Beispiel die Information ableiten ließe, er hat eventuell Long Covid, ist leistungsmäßig eingeschränkt, kann Folgeerkrankungen bekommen.
Da die Information auch dort nicht notwendig wäre, würde man auch hier in einer Regelung am besten wählen, dass nicht gesehen wird "geimpft/genesen", sondern nur "erfüllt eine der beiden Kriterien".
Engels: Aber das halten Sie für rechtlich durchaus regelbar, dass diese Auskunft gegeben werden muss, ich hatte entweder Covid oder ich bin geimpft?
Kelber: Die wichtigste Festlegung, heute ist es nicht rechtssicher geregelt. Heute ist es in den meisten Fällen nicht abfragbar. Aber in der Tat kann man sich vorstellen, dass man so etwas gesetzlich für eine Übergangszeit regelt, zu einem bestimmten Zweck unter dem Vorliegen bestimmter Bedingungen.
Engels: Nun hatten wir gestern Abend auch den Arbeitsrechtler Gregor Thüsing von der Universität Bonn im Programm. Er hat allerdings gesagt, hier gebe es bei der Frage, wieweit geht hier der Datenschutz, wieweit sind die Regelungen zu treffen, keine einschlägigen Gerichtsentscheidungen. Viel liege auch bei Ihnen, bei Ihrer Auslegung des Bundesdatenschutzgesetzes. Wäre es nicht auch möglich, dass Ihre Behörde hier etwas liberaler agiert und Sie gar nicht nach Gesetzen rufen müssen?
Kelber: Wir haben erstens eine andere Ansicht als Herr Professor Thüsing. Zweitens: Selbst wenn er recht hätte, würde das niemandem helfen, weil meine Behörde zwar berät, auch untersagen darf, aber wir sind nicht die abschließende Instanz. Das heißt: Selbst wenn wir jetzt sagen würden, uns interessiert das nicht, was ich nicht darf, kann jeder Mann, jede Frau vor Gericht gehen, und auch dann haben wir keine rechtssichere Situation, wenn in Dutzenden von Fällen das hinterfragt wird. Das nützt weder den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, noch den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Eine rechtssichere, rechtsklare Regelung per Verordnung wäre die richtige Lösung.

Legitimes Interesse vs. besonders sensibele Daten

Engels: Dann kommen wir noch einmal auf das eben angeführte Beispiel mit Restaurants zu sprechen. Da ergibt sich ja für viele Gastronomen beispielsweise, aber auch für andere Firmen das Problem, dass sie im Moment noch Beschränkungen unterliegen, wenn sie wieder mehr Menschen bei sich beschäftigen, und das Problem bekommen, wenn sie nicht ihren Betrieb voll auslasten – sei es im Restaurant alle Tische besetzen oder auch das Großraumbüro wieder voll besetzen. Dann, sagen sie, können sie auf Dauer nicht wirtschaftlich arbeiten. Ist dieses Argument auch eines, was der Datenschutz berücksichtigen muss?
Kelber: Es gibt das sogenannte legitime Interesse als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Daten. Bei den Daten, über die wir uns unterhalten, geimpft, genesen, Teststatus, der ja auch etwas über den Gesundheitsstatus aussagt, spricht das europäische Datenschutzrecht allerdings von besonders sensiblen Daten, die besonders geschützt werden müssen, und da wären die Hürden für ein legitimes Interesse aus wirtschaftlichen Gründen sehr viel höher. Das heißt, das wäre eher unwahrscheinlich in den meisten Fällen, dass man das tatsächlich als rechtliche Grundlage verwenden kann. Gesetzliche Regelungen allerdings haben einen anderen Status in dieser Abwägung und würden Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herstellen können.
Engels: Dann kann es durchaus nach jetzigem Status passieren, wenn sich die Koalition nicht auf eine gesetzliche Regelung verständigt, dass möglicherweise Firmen – so beklagen es zumindest Arbeitgeber – dann doch in Konkurs gehen müssen, weil sie auf absehbare Zeit nicht mehr ihr Geschäftsmodell voll auslasten können?
Kelber: In den beiden Beispielen, die Sie genannt haben, muss man schon unterscheiden zwischen der Bürosituation und zum Beispiel einer Fragestellung, ob ich im Rahmen des Privatrechts als Restaurantbetreiber zum Beispiel sagen kann, ich möchte bei mir schärfer vorgehen, Getestete stelle ich nicht gleich wegen der höheren Gefahr, die hier vorhanden ist, ich nutze die Möglichkeit, zum Beispiel mehr Tische zu besetzen. Das ist ja an mehreren Stellen schon angelegt. Das ist anders zu bewerten als in dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in. Da existiert derzeit keine solche Regelung. Ich habe den Bundesministerien vor einiger Zeit empfohlen, hier zu einer Regelung zu kommen.

Datenschutz stand keiner Maßnahme im Weg

Engels: Noch zum Schluss der generelle Blick. Wir haben ja rund um die Corona-Warn-App, die keine Daten direkt an die Gesundheitsämter meldet, auch viel Kritik am Datenschutz erfahren. Sehen Sie hier auch bei sich selber möglicherweise Änderungsbedarf, hier etwas liberaler das pandemiegeschehen stärker in den Vordergrund zu stellen?
Kelber: Ich kann weder liberaler, noch restriktiver werden, weil ich mich an bestehende Gesetze halten muss und diese vollziehen. Es gibt einen Ermessensspielraum. Den wendet man natürlich jederzeit an. Man schließt zum Beispiel keinen Kommunikationskanal einer Gesundheitsbehörde, nur weil er irgendwelchen Kriterien, die dauerhaft nicht akzeptabel wären, im Augenblick widerspricht. Aber der Datenschutz hat keiner einzigen, keiner einzigen wirklich nützlichen Maßnahme im Weg gestanden. Es wird ja oft über asiatische Erfolge gesprochen. Ich muss mir das immer wieder anhören in den Talkshows. In Taiwan, in Japan, in Südkorea hat man mit Apps erfolgreich die Pandemie bekämpft. Und wenn man dann erwähnt, Taiwan hat gar keine App, Japan verwendet die gleiche Technologie und Südkorea hat auch kein Tracking gemacht, dann gucken die Leute immer ganz erstaunt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.