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Impfen durch die Nase
Mit freundlichen Bakterien gegen Hirnhautentzündung

Gutartige Bakterien als Impfstoff für gefährliche Erreger - diese Strategie wird in England erforscht. Jetzt haben die ersten Freiwilligen gentechnisch veränderte Impfbakterien in die Nase bekommen. Nach und nach entwickelten sie eine Immunantwort gegen einen Auslöser der Hirnhautentzündung.

Von Volkart Wildermuth |
Impfungen könnten zukünftig über die Nase verabreicht werden
Forscher arbeiten an Impfbakterien, die über die Nase verabreicht werden (IMAGO /Panthermedia)
Jeder Mensch ist ein Ökosystem, lebt mit Milliarden von Bakterien zusammen und zwar meist friedlich. Einer dieser verträglichen Gäste ist Neisseria lactamica, bei den meisten Kinder lebt er in der Nase und verschwindet beim Älterwerden nach und nach. Dieses gutartige Bakterium versucht der Mikrobiologe Jay Laver von der Universität Southampton in einen Impfstoff zu verwandeln.

Bakterien als Medikamente

"So this is the philosophy of bugs as drugs." Bakterien als Medikamente, lautet sein Motto. Zum Impfstoff wird N. lactamica, indem man diesem gewöhnlichen Nasenmitbewohner ein zusätzliches Gen verpasst, das typisch für einen gefährlichen Erreger ist. Konkret produziert das Impfbakterium eine Struktur, die gewöhnlich auf der Oberfläche von Meningokokken sitzt, die Hirnhautentzündungen verursachen können.
Gegen diese Keime gibt es bereits einen konventionellen Impfstoff, der zugelassen und wirksam ist. Eigentlich braucht es für diese Anwendung also gar kein Impfbakterium. Jay Laver geht es aber um den neuartigen Ansatz – und den wollte er beim ersten Mal mit ganz bekannten Komponenten erproben."Wir haben uns auf Meningokokken und die Hirnhautentzündung als erstes Beispiel konzentriert, eben weil es hier schon einen Impfstoff gibt. Das war eine Sicherheitsvorkehrung."
Eine Spritze sticht in einen Arm
Radiolexikon Gesundheit - Meningitis
Eine Meningitis, im Volksmund Gehirnhautentzündung, verläuft meistens harmlos, kann aber bei falscher Behandlung schwerwiegende Folgen haben. Ärzte empfehlen zur Vorbeugung eine Impfung bereits für Säuglinge.
Schließlich musste Jay Laver die Aufsichtsbehörden davon überzeugen, dass es kein Problem darstellt, gesunden Freiwilligen diese genveränderten Bakterien in die Nase zu geben. Aber weil N. lactamica so verträglich ist und weil das durch das zusätzliche Gen gebildete Eiweiß schon lange ohne große Nebenwirkungen in der Medizin als Impfstoff verwendet wird, konnten die Experimente mit behördlichem OK beginnen.
Wichtigstes Ergebnis: Die Impfbakterien setzten sich in der Nase der zwei Dutzend Freiwilligen fest, aber dadurch wurden die weder krank, noch bekamen sie Beschwerden. Weil N. lactamica ja ein gewöhnlicher Begleiter des Menschen ist, reagierte ihr Immunsystem kaum – mit einer Ausnahme, eben den einen zusätzlichen Meningokokken-Bestandteil. "Wir waren sehr zufrieden, dass wir eine spezifische Immunantwort nachweisen konnten. Es gab mehrere Typen von Plasmazellen, sozusagen Fabriken für Antikörper. Sie produzieren welche für das Blut und auch Antikörper für die Schleimhäute."

Körper reagiert mit Schleimhautantikörpern

Das ist besonders wichtig für die Abwehr von Atemwegserregern, wie etwa Grippe- oder Coronaviren. Wahrscheinlich entstehen die Schleimhautantikörper, weil dieser besondere Impfstoff ja in die Nase gegeben wurde. Eine weitere wichtige Erkenntnis: die genveränderten Impfbakterien verbreiten sich nicht weiter, noch nicht einmal auf Personen, die das Bett der Freiwilligen teilten, wie es in dem Artikel heißt.
Nach drei Monaten wurde das Experiment dann entsprechend der behördlichen Vorgaben beendet und die Impfbakterien komplett mit Antibiotika abgetötet. Jay Laver ist zufrieden, im Prinzip funktionieren die Impfbakterien. Jetzt werden er und sein Team darangehen, N. lactamica mit Genen von Erregern auszustatten, für die es noch keine brauchbaren Impfstoffe gibt.

Impfbakterien lasen sich gefriertrocknen

"Wir glauben, das ist ein wichtiger Schritt hin zu Medikamenten aus Bakterien. Wir haben gezeigt, dass es mit dieser Plattform-Technologie möglich ist, eine spezifische Immunantwort auszulösen, nicht nur gegen Bestandteile von Meningokokken, sondern gegen alles, was wir in diesem Bakterium produzieren können. Aktuell arbeiten wir an Impfstoffen gegen Viren, um das auch gegen SARS-CoV-2 einzusetzen"
Das könnte für den globalen Süden interessant sein, denn die Impfbakterien lassen sich gefriergetrocknet ganz einfach verschicken. Bis es so weit ist, braucht es noch viel Forschung, aber immerhin, das Prinzip "Bugs as drugs", Bakterien als Medikamente funktioniert.