Insgesamt könnten sich 73,9 Millionen Menschen in Deutschland impfen lassen, weil für sie ein Impfstoff zur Verfügung steht. 55,3 Millionen Menschen haben sich bereits mindestens einmal impfen lassen. Es sind also über 18 Millionen Menschen noch ungeimpft.
Bei der Impfquote in Deutschland gibt es ein deutliches Gefälle nach Altersgruppen. Unter den älteren Menschen über 60 haben mehr als 83 Prozent bereits einen vollständigen Impfschutz. Bei den Volljährigen unter 60 liegt die Quote aber erst bei knapp 67 Prozent. Von den Kindern und Jugendlichen ab zwölf ist erst ein Viertel vollständig geimpft. Immerhin warten in dieser Altersgruppe aber weitere knapp zehn Prozent bereits auf ihre zweite Impfung. Für Kinder unter zwölf ist noch kein Impfstoff zugelassen.
Die Ungeimpften unterscheiden sich neben dem Alter auch in anderen Merkmalen, erklärt Cornelia Betsch, Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt. Sie leitet die COSMO-Studie, in der das Robert Koch-Institut und andere Institutionen mehr über die Impfbereitschaft der der Menschen in Deutschland herauszufinden versuchen. Ein Ergebnis: Menschen in der Gruppe der Ungeimpften sind eher jünger, eher weiblich, haben eher Kinder, haben eher eine niedrigere Bildung, kennen eher niemanden, der schon mal Covid-19 hatte, sind eher arbeitslos - eine eher heterogene Gruppe.
Auch was die Einstellung zur Corona-Impfung angeht, zeigt sich in der Studie ein differenziertes Bild. Von den noch Ungeimpften sind 20 Prozent bereit, sich impfen zu lassen. 24 Prozent sind unsicher oder zögerlich, und 56 Prozent wollen sich nicht impfen lassen.
Die unsicheren Zögerer
Einige Menschen sind noch unsicher, ob der Nutzen einer Impfung die Risiken überwiegt. Sie sorgen sich um akute Impfnebenwirkungen, aber auch um mögliche Langzeitfolgen der Impfung. Andere Zögerer geben an, im Alltagsstress noch keine Gelegenheit gehabt zu haben, einen Impftermin zu organisieren. Diese Gruppen könnten noch gewonnen werden für eine Impfung. Nach den Zahlen der COSMO-Studie ließe sich insgesamt noch eine Impfquote von rund 85 Prozent der Erwachsenen erreichen.
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Die Impfverweigerer
Je mehr Menschen geimpft werden, desto größer wird naturgemäß der Anteil der strikten Impfverweigerer unter den weiterhin Ungeimpften. Die COSMO-Studie rechnet aktuell bereits mehr als jeden Zweiten dieser Gruppe dazu. Interessant ist, warum die Menschen sich nicht impfen lassen wollen: Sie haben stärkere Sicherheitsbedenken, was die Impfstoffe angeht. Sie halten eine Impfung für überflüssig, da Covid-19 für sie in ihrer Wahrnehmung keine Bedrohung darstellt. Und sie haben weniger das Gefühl, durch eine Impfung zur Normalität zurückzukommen, also mehr Kontakte zu haben. Zudem sagen sie: Wenn sich viele andere impfen lassen, dann muss ich mich nicht auch noch impfen lassen.
Vertrauensbildende Maßnahmen: Je größer das Vertrauen in die Regierung und in öffentliche Institutionen – umso größer ist die Impfbereitschaft. 18 Prozent der Befragten gaben an, dass Nicht-Impfen ein Ausdruck von politischer Unzufriedenheit sei. Cornelia Betsch, die Leiterin der COSMO-Studie, und andere Forschende raten deshalb dazu, die Impfdiskussion abzukoppeln von der Politik. "Impfen ist eine Gesundheitsentscheidung, die wir für uns, unser unmittelbares Umfeld und die Gesellschaft treffen",
sagte Betsch im Deutschlandfunk
, "und nicht eine politische Entscheidung". Die medizinische Forschung stützt diesen Ansatz: Jeder zweite Erwachsene in Deutschland weist demnach Risikofaktoren auf, die einen schweren Verlauf einer Covid-Infektion begünstigen.
Nutzen der Impfung im Alltag herausstellen: Ein Nutzen der Impfung ist auch, dass man leichter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Bei der COSMO-Studie kam allerdings heraus, dass nur etwa zehn Prozent der Befragten häufiger ihren Impfnachweis vorlegen mussten. Jeder zweite ist noch nie nach dem Impfnachweis gefragt worden. Im politischen Raum wird über 2G und 3G diskutiert und es werden viele Regeln aufgestellt - deren Einhaltung aber offenbar kaum kontrolliert wird. COSMO-Studienleiterin Cornela Betsch hält strengere Kontrollen in einer Übergangsphase für sinnvoll, da eine große Mehrheit der Befragten die Abfrage des Impfstatus' als Regel akzeptiere. Für ungeimpfte Menschen, die noch zögerten, ob sie sich impfen lassen sollen, könne das eine Motivation für die Impfung sein, so Betsch.
Über Gesundheitsschutz für sich selbst und für die Familie aufklären: "Wir sind nicht in einem optimalen Kontext von super Gesundheits- und Risikokommunikation", findet Cornelia Betsch. Der Psychologin zufolge sollte noch deutlicher aufgeklärt werden über die Risiken, die mit Covid verbunden sind, die mit nicht Impfen verbunden sind und auch die mit einer Impfung verbunden sind, "sodass man in der Lage ist abzuwägen". Viele Frauen mit Kinderwunsch hätten beispielsweise ohne die Empfehlung der Ständigen Impfkommission für die Corona-Impfung von Schwangeren gezögert, sich impfen zu lassen. "Jetzt gibt es diese Empfehlung und jetzt muss das Wissen zu den Menschen kommen", so Betsch. Sie regt an, die Frauenärztinnen und -ärzte besonders einzubeziehen, dass sie gezielt diese Frauen ansprechen und informieren. Eine wichtige Zielgruppe für die Impfkampagne sind darüber hinaus junge Väter und Mütter: Lassen sie sich impfen, schützen sie damit auch ihre kleinen Kinder, für die es noch keine Impfung gibt.
Niedrigschwellige Angebote wie die Impfaktionswoche: Laut COSMO wollen sich 20 Prozent der Ungeimpften, also gut 3,7 Millionen Menschen impfen lassen, hatten aber in ihrem Alltag noch keine passende Gelegenheit. Hier helfen niedrigschwellige Angebote, bei denen sich Menschen ohne großen Organisationsaufwand eine Impfung quasi nebenbei abholen können - im Supermarkt, in der Hochschule, auf der Kirmes, am Marktplatz. Wenn auch die Gruppe der Unsicheren, der Zögerlichen erreicht werden soll, muss man das flankieren mit Informationsangeboten und Beratung. Viele wünschen sich Beratung durch Ärztinnen und Ärzte.
Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen: Erkenntnisse aus der COSMO-Studie zeigen nach Angaben von Studienleiterin Betsch, dass eine teilweise Impfpflicht gerade bei Leuten, die der Imfpung kritisch gegenüberstehen, zu psychologischen Nebenwirkungen führen kann. "Das kommt nicht ohne psychologische Kosten", warnte Betsch im Deutschlandfunk. Die Menschen ärgerten sich dann über die Impfpflicht, auch wenn sie selbst davon gar nicht betroffen seien. Das könne Trotz hervorrufen und dazu führen, dass sie sich gegen die Corona-Maßnahmen organisierten oder sogar andere Impfungen absichtlich ausließen.
Die Impfverweigerer oder gar Corona-Leugner erreicht man eher nicht dadurch, dass ein Impfbus vor das Möbelhaus fährt oder am Fußballstadion wartet. Es geht hier um relativ stabile Einstellungen. Der Rat von Cornelia Betsch: Ärztinnen und Ärzte sind auch für Impfskeptiker wichtige Vertrauenspersonen. Die sollten ermutigt werden, Falschinformationen zu korrigieren und Sicherheitsbedenken mit guten Informationen zu begegnen. Denn auch wenn man den harten Kern selber nicht erreicht, kann man so vielleicht verhindern, dass die Zögerer durch unwissenschaftliche Fake News verunsichert werden.
Bei der COSMO-Studie handelt es sich um eine Stichprobe mit rund 950 Menschen, die regelmäßig befragt werden. Sie ist nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Es hat sich gezeigt: Die Menschen aus der Stichprobe stehen dem Impfen eher positiver gegenüber als die Allgemeinbevölkerung. Daher könnte die erreichbare Impfquote auch eher überschätzt als unterschätzt werden.
Quellen: Martin Winkelheide, Cornelia Betsch im Gespräch mit Lennart Pyritz, RKI, impfdashboard.de)