Archiv

Impfstoff-Verteilung
Covax soll weltweiten Zugang zu Corona-Impfdosen sichern

Viele reiche Länder sichern sich seit Monaten Hunderte Millionen Dosen potenzieller Impfstoffe von verschiedenen Herstellern. Entwicklungsländern droht das Nachsehen. Die neu errichtete Impfstoffplattform Covax soll Abhilfe schaffen, doch von einer weltweiten Teilhabe ist man noch weit entfernt.

Von Dagmar Röhrlich |
Eine Einwegspritze und Impfdosen mit Impfstoff zur Injektion mit einer Kanüle.
Bilaterale Abkommen zur Sicherung des Corona-Impfstoffs seien eine Tatsache, darum sollten diverse Vakzine auch Teil des Covax-Portfolios werden, sagte Mariângela Simão, stellvertretende Generaldirektorin der WHO (picture-alliance/Sven Simon)
Der Wettlauf um Impfstoffe gegen COVID-19 wird nicht nur in den Laboratorien ausgetragen, sondern sozusagen auch in den Regalen. Die waren nämlich schon leergekauft, bevor die ersten Notfallzulassungen erteilt worden waren. Viele Länder sichern sich bereits seit Monaten Hunderte Millionen Dosen potenzieller Vakzine von verschiedenen Herstellern.
"Unsere Untersuchungen zeigen, dass etwas mehr als sieben Milliarden Dosen bereits als verkauft sind, über weitere 2,6 Milliarden Dosen wird verhandelt oder sie sind als Optionen im Rahmen bestehender Vereinbarungen reserviert."
Eine Hand hält eine Spritze in der Hand
Gesundheitsökonom: Es braucht Modelle für die Impfstoff-Verteilung
Schon jetzt kaufen Staaten wie die USA und Deutschland Vakzine auf. Der Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner kritisiert im Dlf die Verteilung eines möglichen Impfstoffes rein nach Zahlungsfähigkeit.
Die große Masse sei von den USA und Kanada gekauft worden, von Großbritannien und der EU, Japan, der Schweiz oder Australien, erklärt Andrea Taylor. Sie hat die Studie an der Duke University in North Carolina geleitet.
"Die meisten Länder mit hohem Einkommen haben von unterschiedlichen Vakzinkandidaten genug gekauft, um ihre Bevölkerung mehrfach zu impfen. Das machte in der Welt, in der wir vor sechs Monaten lebten, durchaus Sinn, als wir noch nicht einmal wussten, ob überhaupt eines der Mittel auf den Markt kommen würden."
Eine Spritze steckt in einem Fläschchen mit dem Aufdruck "COVID-19 Vaccine"
Was Sie über die Corona-Impfung in Deutschland wissen müssen
Sobald ein Impfstoff zugelassen wird, beginnen die Impfungen in den deutschen Impfzentren. Wer kann sich impfen lassen? Wie sicher sind die Impfstoffe? Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten und ist man danach immun? Ein Überblick.
Mit vorne in der Schlange stehen zudem Länder wie Mexiko, in denen klinische Studien laufen. Auch sie konnten sich den weiteren Zugang zu Impfstoffen sichern.
"Wir sehen auch, dass einige Länder mit mittlerem Einkommen im unteren Bereich vor allem über die Nutzung ihrer eigenen Produktionskapazitäten Zugang haben. Indien zum Beispiel hat sich auf diese Weise wirklich gut geschlagen."
Entwicklungsländer drohen das Nachsehen zu haben
So hat das Serum Institute of India, der weltweit größte Impfstoffhersteller, jetzt bei der Regierung eine Notfallzulassung für den derzeit umstrittenen AstraZeneca-Impfstoff beantragt. Die Hälfte der Produktion ist für den Einsatz im Land reserviert. Und so drohen vor allem Entwicklungsländer das Nachsehen zu haben – wie schon bei dem Impfstoff gegen die Schweinegrippe 2009. Um das zu verhindern und weltweit einen gerechten Zugang zu den Vakzinen zu ermöglichen, war im April von der WHO, der Globalen Impf-Allianz GAVI und der Coalition for Epidemic Preparedness CEPI die Impfstoffplattform Covax gegründet worden. An ihr beteiligen sich inzwischen 188 Staaten. Rachel Silverman, Analystin vom US-amerikanischen Think-Tank Center for Global Development.
"Covax besteht aus zwei Elementen. Da sind zum einen die allerärmsten Länder, die grundsätzlich kostenlose oder subventionierte Impfstoffe erhalten sollen. Dann gibt es Länder, die für den Zugang zu dem Covax-Vakzinportfolio zahlen. Außerdem nimmt Covax Spenden an. Allerdings sind die nicht so hoch wie erhofft, so dass sie für die Ambitionen derzeit jedenfalls noch nicht reichen."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Zwar seien die bilateralen Abkommen nicht hilfreich, wenn es um einen gerechten Zugang zu den Vakzonen gehe, erklärt Mariângela Simão, stellvertretende Generaldirektorin der WHO: Aber sie seien nun einmal eine Tatsache:
"Wir arbeiten deshalb mit Hochdruck daran sicherzustellen, dass Vakzine, die zugelassen werden, auch Teil des Covax-Portfolios werden. Derzeit sind neun Impfstoffkandidaten im Portfolio, und es laufen Verhandlungen mit weiteren Herstellern."
Covax soll gerechteren Zugang für Entwicklungsländer sichern
Firmen wie AstraZeneca und Novovax oder Sanofi/GlaxoSmithKline haben sich dazu verpflichtet, Covax nach der Zulassung ihrer Impfstoffe große Mengen zur Verfügung zu stellen. Mit BioNTech/Pfizer sollen die Verhandlungen in der letzten Phase sein. Inzwischen hat Covax etwa 700 Millionen der zwei Milliarden Dosen gekauft, die bis Ende 2021 ausgeliefert werden sollen.
"Außerdem hat sich Covax in Spanien und Südkorea Produktionskapazitäten für zwei Milliarden Dosen gesichert. Diese Kapazitäten sind, soweit wir das beurteilen können, nicht an einen bestimmten Impfstoffkandidaten gebunden. Wenn man bedenkt, dass die Produktionskapazitäten der wichtigste limitierende Faktor sind, weshalb die Welt wohl erst 2023 geimpft sein wird, ist dieser Schritt strategisch sinnvoller als sich vorab am Markt einzudecken. "
Hoffnung auf Spenden und den Verzicht auf Kaufoptionen
Eine Hoffnung für Entwicklungs- und Schwellenländer ist außerdem, dass die durch Verträge überversorgten Länder in dem Moment, wo mehrere Impfstoffe zugelassen sind, auf die Kaufoptionen verzichten, die sich nicht brauchen. Oder dass sie einen Teil ihrer Impfstoffe spendeten, erklärt Mariângela Simão:
"Wir müssen sicherstellen, dass wir im nächsten Jahr genügend Impfstoff haben, um besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen zu impfen."
Zwar gibt es durchaus Bemühungen, den Impfstoff auch für Entwicklungs- und Schwellenländer schnell zugänglich zu machen – doch von einer weltweiten Teilhabe ist man noch weit entfernt.