Das Influenza-Virus ist ein Meister der Verwandlung. Ständig entzieht es sich aufs Neue den Erkennungsmechanismen des menschlichen Immunsystems. Das ist eigentlich darauf spezialisiert, sich jeden Eindringling und die passende Abwehrstrategie zu merken, damit er bei einem erneuten Angriff schneller unschädlich gemacht werden kann. Georg Gao von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking kennt die Tricks des Virus genau.
"Die Mutationsraten des Influenza-Virus sind sehr hoch. Viel höher als bei allen anderen Viren. Deshalb wirken Impfungen auch nur so schlecht. Man impft Menschen oder Tiere gegen ein Virus und im nächsten Jahr gibt es ein ganz neues Virus."
Das Influenza-Virus verändert bestimmte charakteristische Moleküle auf seiner Oberfläche, die sonst vom Immunsystem wiedererkannt werden.
Keiner für alle
Nach diesen Oberflächenmolekülen, den Hämagglutininen, werden die verschiedenen Subtypen auch benannt. H7N9, H1N1 oder H5N1 unterscheiden sich unter anderem durch die Struktur der jeweiligen Hämagglutinine. Ein Impfstoff, der Immunität gegen einen Subtyp auslöst, ist deshalb gegen einen anderen unwirksam.
"Trotzdem hat jedes Virus eine Schwachstelle. Das Influenza-Virus verändert sich zwar sehr schnell, doch es gibt bestimmte Dinge, die immer gleich bleiben müssen, weil sie für die Funktion des Virus wichtig sind. Wir nennen das konservierte Bereiche. Wenn man eine universell wirksame Impfung entwickeln will, muss man den Körper dazu anregen Antikörper herzustellen, die eine solche konservierte Region erkennen. Nach so einer Möglichkeit suchen derzeit viele Forschungsgruppen auf der ganzen Welt."
Georg Gao und seine Kollegen suchten im Blut von Patienten, die während des weltweiten Ausbruchs im Jahr 2009 an Schweinegrippe erkrankt waren. Die Forscher isolierten daraus verschiedene Antikörper, die den Patienten geholfen hatten, die Infektion mit H1N1 zu überstehen. In Labortests zeigte sich dann, dass einer dieser Antikörper auch andere Influenza-Subtypen erkennt und ausschaltet. Darunter der Erreger der Vogelgrippe H7N9 sowie H5N1 und H3N2. Und dass, obwohl die Patienten nie mit einem dieser Virustypen in Kontakt gekommen waren.
Neue Bindungen
Die Forscher sahen sich die Struktur des Antikörpers genauer an und fanden heraus, dass er wie erhofft an eine konservierte Region des Hämagglutinins bindet. Es ist nicht der erste bekannte Antikörper, der das kann, aber durch eine weitere Besonderheit besonders vielversprechend, glaubt Georg Gao:
"Wir haben gesehen, dass dieser Antikörper an zwei Hämagglutinine gleichzeitig bindet. Das ist eine bisher unbekannte Art zu binden. Wenn das Virus in die Wirtszelle hinein will, müssen die Hämagglutinine ihre Gestalt verändern. Wenn sie aber zusammen an den Antikörper gebunden sind, können sie das nicht mehr. Und das Virus kann nicht mehr in die Zelle eindringen."
Tierversuch erfolgreich
In Tests mit Mäusen bestätigte sich die schützende Wirkung des Antikörpers. Bei Tieren, die mit den Influenza-Subtypen H7N9, H5N1 und H3N2 infiziert worden waren, konnte er eine sonst tödliche Infektion verhindern. Die Forscher halten ihn deshalb auch für eine vielversprechende Vorlage für einen universellen Impfstoff.
"Der Antikörper selber kann nur als Medikament für bereits infizierte Patienten verwendet werden. Aber er zeigt auch, dass eine universell wirksame Impfung möglich ist. Dafür müsste man dem Körper den passenden Teil der konservierten Region so präsentieren, dass er selbst den passenden Antikörper herstellt, der dann vor vielen Influenza-Subtypen schützt."
Der Antikörper wird derzeit in klinischen Versuchen erprobt. Wenn er sich bewährt, soll ein entsprechendes Medikament auf den Markt kommen. Georg Gao und seine Kollegen arbeiten unterdessen weiter daran, nach dieser Vorlage auch ein Vakzin zu entwickeln. Dann könnte nicht nur die jährliche Suche nach dem passenden Impfstoff überflüssig werden, sondern auch der dazugehörige Pieks.