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Vakzinmangel
Impfstoff gegen Affenpocken noch knapp

Die Affenpocken breiten sich aus, deshalb steigt weltweit die Nachfrage nach dem Impfstoff. Das dänisch-deutsche Unternehmen Bavarian-Nordic kann nur begrenzt nachliefern. Deshalb wird in den USA jetzt in die Haut statt in den Muskel gespritzt. Dafür reicht ein Fünftel der Dosis, aber es gibt stärkere Nebenwirkungen.

Von Volkart Wildermuth |
Der rechte Arm und Oberkörper eines Patienten, dessen Haut eine Reihe von Läsionen aufwies, die auf einen aktiven Fall von Affenpocken zurückzuführen waren.
Narben durch Affenpocken (Uncredited/CDC/dpa)
Die Haut ist die Schutzschicht des Körpers, sie muss sich als erstes mit vielen Erregern auseinandersetzen. Deshalb liegen hier auch besonders viele Immunzellen. Für das medizinische Personal ist es aufwändiger in die dünne Hautschicht zu impfen, aber die Wirksamkeit ist größer. 2015 hat eine kleine Studie gezeigt, dass bei den Affenpocken ein Fünftel der Impfstoffmenge ausreicht, wenn direkt in die Haut statt in das darunter liegende Fettgewebe oder in den Muskel injiziert wird. Darauf setzen nun die USA.

"Die Idee der amerikanischen Zulassungsbehörde dahinter ist, dass mit dem gleichen Volumen an Impfstoffen quasi intradermal eine bessere Wirksamkeit bei der Möglichkeit, mehr Menschen mit der gleichen Anzahl an Impfstoffen impfen zu können, gegeben ist", so der Infektiologe Christoph Spinner vom Münchner Klinikum rechts der Isar.

Stärkere Impfreaktionen bei intradermaler Injektion

Gerade weil die Immunreaktion stärker ist, kam es in der Studie aber auch zu heftigeren Nebenwirkungen an der Injektionsstelle. Bei der Europäischen Gesundheitsbehörde EMA wird die intradermale Impfung deshalb noch geprüft. Deutschland hat vergleichsweise viel Impfstoff zur Verfügung.

Deshalb hält auch Christoph Spinner die Empfehlung der Ständigen Impfkommission Stiko für ausreichend, nicht wie eigentlich vorgesehen zwei Dosen zu spritzen, sondern erst einmal nur eine. So lassen sich doppelt so viele Menschen effektiv schützen, zumindest für einige Monate: "Es gibt Daten, die darauf hinweisen, dass die zweite Impfung gar nicht so sehr für den anfänglichen Schutz, sondern vor allem für die Aufrechterhaltung des Schutzes erforderlich ist."

Die deutsche AIDS Hilfe schätzt, dass etwa 500.000 Menschen hierzulande eine der Impfung benötigen. Für etwa die Hälfte wird in näherer Zukunft eine Dosis Impfstoff zur Verfügung stehen. Beim Hersteller Bavaria-Nordic lagert Impfstoff-Vorprodukt für 13 Millionen Dosen, die den USA gehören, und für weitere zwei Millionen Dosen, mit denen derzeit rund 40 andere Staaten beliefert werden. Der Engpass ist die Abfüllung in die Fläschchen, aber hier ist Bavaria- Nordic gerade dabei, andere Unternehmen miteinzubeziehen. Trotzdem wird wohl auf absehbare Zeit nicht jeder geimpft werden können, der das möchte.

Impfung auch für Kinder?

Die Stiko verweist darauf, dass die Impfung nur für einen relativ kleinen Personenkreis vorgesehen ist. Das sind zum einen Personen mit hohem Infektionsrisiko, aktuell vor allem Männer, die häufig Sex mit wechselnden Männern haben. Die zweite Gruppe sind Personen mit engem körperlichem Kontakt zu bereits Infizierten, das wäre eine sogenannte Postexposition-Prophylaxe. In Deutschland hat sich ein vierjähriges Mädchen bei den Eltern angesteckt.

Die Stiko hat darüber gestern beraten und sagt, der Impfstoff ist zwar erst ab 18 Jahren zugelassen, aber es gibt Studien mit ähnlichen Impfstoffen, die gezeigt haben, dass sie auch Kinder gut vertragen. Von daher wäre auch in dieser Altersgruppe nach Risikokontakten eine Impfung grundsätzlich möglich.
Wie hoch die Wirksamkeit der Impfung in Deutschland ist, untersucht gerade eine Studie der Charité, an der auch Christoph Spinner beteiligt ist: "Wir sehen auch schon Einzelfälle von Infektionen mit Symptomen trotz Impfungen. Es bietet auch die Impfung keinen hundertprozentigen Schutz. Sie verhindert aber zumindest sehr zuverlässig schwere und damit für die Patienten wirklich auch schmerzhafte Verläufe."

Weil die Impfung aber die Übertragung der Affenpocken nicht effektiv verhindert, reicht sie alleine nicht aus, den Ausbruch einzudämmen, sagt der Experte: "Es kommt trotz Impfungen darauf an, Sexualkontakte entsprechend einzuschränken, denn dadurch sinkt auch die Möglichkeit der Infektionsübertragung."