Seit Ostern sind die deutschen Hausärzte flächendeckend in die Impfkampagne eingebunden. Anfang Mai waren es mehr als 64.000 Arztpraxen. Der Großteil sind laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung Hausärzte, es kommen nun aber immer mehr Fachärzte hinzu, seit dem 7. Juni auch Betriebsärzte.
Drei der vier in Deutschland zugelassenen Impfstoffe können in den Praxen verimpft werden: Die Vakzine von Biontech/Pfizer, Astrazeneca und Johnson&Johnson, wobei letzteres meistens von den mobilen Impfteams beansprucht wird - es ist nur eine Impfung für den vollständigen Schutz nötig.
Aktuell sind die Impfstoffe von Astrazeneca und Johnson&Johnson bereits unabhängig von der Priorisierung freigegeben und können von niedergelassenen Hausärzten somit an alle Impfwilligen verimpft werden.
Laut Bundesgesundheitsministerium besteht weiterhin kein Wahlrecht für einen Impfstoff. Der Impfstoff von Moderna wird zunächst wegen der speziellen Transportanforderungen ausschließlich an die Impfzentren der Länder geliefert.
Die Impfkampagne geht viel schneller voran.
Hausärzte sind in der Regel schnell und unkompliziert zu erreichen, und Impfen gehört zu ihrem Kerngeschäft
. In jeder Influenza-Saison impfen Haus- und Fachärzte innerhalb kurzer Zeit zwischen zehn und 20 Millionen Menschen. Auch eine Auffrischungsimpfung, sollte sie nötig sein, könnte unkompliziert von den Hausärzten übernommen werden - Impfzentren wären dann langfristig nicht mehr nötig.
Tägliche Impfungen in Deutschland
Die Impfpriorisierung ist seit dem 7. Juni aufgehoben. Doch derzeit gibt es nach wie vor nicht genug Impfstoff für alle Impfwilligen, daher wird es wahrscheinlich auch noch im Sommer in den Arztpraxen weiterhin eine von den jeweiligen Ärtzen vorgenomme Priorisierung geben müssen. Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass 2,25 Millionen Dosen des gelieferten Impfstoffs pro Woche in den Impfzentren verimpft werden. Was darüber hinaus geliefert wird, geht an die Arztpraxen.
Mit Blick mit der Aufhebung der Impfreihenfolge berichten manche Ärzte von Problemen bei den Impfungen. Der Hausärzteverband Nordrhein etwa beklagte in einem Zeitungsinterview eine aggressive Stimmung bei der Impfstoffnachfrage. Die Telefone in den Praxen liefen heiß. Zahlreiche Hausarztpraxen meldeten sich deshalb vom Impfsystem wieder ab.
Die Hausärzte seien nun überfordert mit der plötzlichen Abschaffung der Priorisierung, obwohl sie dies zuvor selbst verlangt hätten, sagte der Vorstandsvorsitzende des Weltärtzebunds,
Frank-Ulrich Montgomery, im Deutschlandfunk
. Politik und Hausärzteverband hätten sich Montgomery zufolge früher zusammensetzen und überlegen sollen, wie man weiter vorgehe. Nun seien auch die Bürger gefragt, nicht alle auf einmal und sofort in den Praxen anzurufen, sagte Montgomery.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, hatte zudem Ende April darauf hingewiesen, dass erst zwei Drittel der über 80-Jährigen geimpft worden seien und nur 30 Prozent der über 70-Jährigen.
Montgomery hielt im Deutschlandfunk dagegen, dass auch in den bisher priorisierten Gruppen viele Menschen nicht geimpft werden wollten. "Das sind Impfverweigerer und Impfzauderer - und auf die müssen wir jetzt nicht warten." Das zentrale Problem sei der Mangel an Impfstoff.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verteidigte im ZDF die Aufhebung der Impfreihenfolge. Nachdem man mit der Priorisierung vielen Berufsgruppen, den Älteren, den Vorerkrankten habe helfen können, sei es jetzt richtig, im Juni, wenn es mehr Impfstoff gebe, anderen eine Chance zu geben. Man könne Jüngeren nicht ewig diese Chance verwehren.
Der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel nahm das baldige Ende der Impfpriorisierung sogar zum Anlass, das
Ende der Impfzentren anzuregen
: Die Hausärzte würden ihre Patienten besser kennen und gingen mit Rest-Impfstoffdosen pragmatischer um als die Impfzentren. Die Bundesländer wiederum argumentieren, die Impfzentren würden noch gebraucht, unter anderem weil bereits die Termine für die zweiten Impfungen vereinbart seien.
Seit dem 7. Juni sind Betriebsärzte regelhaft einbezogen. Vorgesehen für sie sind laut Bundesgesundheitsminister Spahn mindestens 500.000 Impfdosen pro Woche - das berichtete die "Welt am Sonntag" am 2. Mai. Betriebsärzte in Firmen könnten helfen, mit niedrigschwelligen Angeboten zu überzeugen. Dies könne Menschen fürs Impfen gewinnen, die "nicht das Gegenargument suchen, sondern die Gelegenheit".
Die Vizepräsidentin des Verbands der Betriebs- und Werksärzte, Anette Wahl-Wachendorf, sagte im Dlf: "Es macht absolut Sinn, die Bevölkerungsgruppe der produktiv Tätigen in den Betrieben, die zum Teil auch keinen Hausarzt haben, entsprechend sehr bald zu versorgen."
Die Vizepräsidentin des Verbands der Betriebs- und Werksärzte, Anette Wahl-Wachendorf, sagte im Dlf: "Es macht absolut Sinn, die Bevölkerungsgruppe der produktiv Tätigen in den Betrieben, die zum Teil auch keinen Hausarzt haben, entsprechend sehr bald zu versorgen."
Ulrike Lüneburg, Geschäftsführerin von BAD, einem Unternehmen, das Betriebsarztaufgaben für Unternehmen organisiert, hatte bereits im März im Dlf angekündigt,
BAD sei ab Mitte April bereit für die Verimpfung in Betrieben
. Die Unternehmen wollten so schnell wie möglich wieder zurück in einen geregelten Ablauf.
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(Quelle: Marius Gerads, js, nin, og, tei)