"Sobald der Patient bereit ist, wird nochmal abgeklärt, dass das Geburtsdatum übereinstimmt mit den Unterlagen, die wir bekommen würden." Der Oberarm des Patienten in Kabine 6 des Impfzentrums Darmstadt liegt frei und ist desinfiziert. Marian Müller-Kluge, Rettungssanitäter in Ausbildung, trägt einen gelben Infektionsschutzanzug, FFP2-Maske und Schutzbrille.
Der 26-Jährige zückt die Spritze und zielt auf den Schultermuskel des schwachen Arms, bei einem Rechtshänder der linke: "Falls es zu Komplikationen kommt, dass halt nicht der starke Arm, der Schreibarm oder was auch immer, geschwächt ist."
Start des Problelaufs
Zu Komplikationen kann es in diesem Fall ohnehin nicht kommen, denn es handelt sich um einen Probelauf, ohne Spritzennadel und Serum - mit einem Probanden von der Freiwilligen Feuerwehr. Rettungssanitäter-Azubi Kluge weiß noch gar nicht, ob er im späteren Drei-Schicht-Betrieb zwischen 7 und 22 Uhr an sieben Tagen in der Woche tatsächlich impfen darf.
"Kommt drauf an, was das Land für Vorgaben macht, wer Impfungen durchführen darf. Es ist ja noch nicht klar, ob das eine ausgebildete medizinische Kraft sein muss, das steht noch in den Sternen."
Fest steht: Am Schalter vor den Impfkabinen wird ein Arzt das Geschehen durch Plexiglasscheiben hindurch verfolgen. Bereit, bei Komplikationen einzugreifen. Schon vor der Impfung unter ärztlicher Aufsicht können die Angemeldeten wählen: Wer sich durch die schriftliche Einladung, zugestellt von der Gesundheitsbehörde, ausreichend informiert fühlt, geht nach Anmeldung und Registrierung direkt weiter zum Impfen oder schaut sich noch ein kurzes Aufklärungsvideo an. Monitore und Stühle auf Abstand stehen dazu im Foyer der Darmstädter Kongresshalle Darmstadtium bereit. Wer spezielle Fragen hat, kann die im ärztlichen Gespräch in einer eigenen Kabine stellen.
Warten auf den Impfstoff
"Ich halte das Impfen für extrem notwendig, aber genauso notwendig ist, dass die Impflinge gut informiert sind", so Jürgen Krahn, Chef des Gesundheitsamts Darmstadt. Über die Impf-Logistik ist er selbst noch nicht komplett informiert. Denn vieles hängt davon ab, welcher Impfstoff von den Landesdepots in die republikweit aufgebauten Impfzentren transportiert wird: Der vom US-Hersteller Moderna, auf 20 Grad minus runterzukühlen, oder der von Biontech/ Pfizer, der in Hessen und Rheinland-Pfalz produziert wird und bei 70 Grad unter null zu lagern ist.
Angeliefert wird das Serum voraussichtlich in Fünf- bis Zehn-Milliliter-Ampullen. Die örtliche Uniklinik wird daraus in ihrer Apotheke fünf bis zehn Impfdosen gewinnen und in Kühlboxen an das Impfzentrum schicken.
"Und dann gehen wir davon aus, dass wir für eine Woche den aufgetauten Impfstoff benutzen können", sagt der Leiter des Gesundheitsamts über den Impfstoff von Biontech/Pfizer. Bis Ende März wird mit zunächst drei bis fünf Millionen Dosen gerechnet. Allerdings muss das Vakzin zweimal im Abstand von wenigen Wochen verabreicht werden, um voll wirksam zu sein.
Biontech-Chef Ugur Sahin betonte am Wochenende in Mainz: "Es ist uns wichtig, dass wir unsere Innovation, die wir jetzt in Richtung Zulassungsanträge gebracht haben, rechtzeitig und komplikationslos zu den Menschen bringen können. Dafür ist es notwendig, dass wir mit den Regierungsbehörden zusammenarbeiten, mit den logistischen Unterstützern, mit den Ärzten zusammenarbeiten, damit dann auch die Impfkampagnen, wenn der Impfstoff zugelassen ist, komplikationslos stattfinden und möglichst viele Menschen unseren Impfstoff bekommen können."
Wer zuerst geimpft werden soll
Wer die Impfung zuerst bekommen soll - dazu hat die Ständige Impf-Kommission beim Robert-Koch-Institut, kurz Stiko, eine vorläufige Empfehlung vorgelegt: Es sind Menschen ab 80 Jahren beziehungsweise Bewohner und Bewohnerinnen von Altenpflegeheimen. Also, alle bei denen COVID-19 höchstwahrscheinlich schwer oder tödlich verlaufen würde. Außerdem das Personal, das sich um diese Risikogruppe kümmert. Schnell geimpft werden sollen auch Beschäftigte in Notaufnahmen, COVID-19-Stationen, der Krebs- und der Transplantationsmedizin - alle, die engen Kontakt mit besonders Gefährdeten haben. Mehr als acht Millionen Menschen gehören zur ersten Impfgruppe.
Zum vorläufigen Entwurf der Impfkommission können medizinische Fachgesellschaften jetzt Stellung nehmen. Auf Basis der überarbeiteten Empfehlung erstellt das Bundesgesundheitsministerium im Lauf des Monats eine Rechtsverordnung. Diese fungiert als Grundlage, um die priorisierten Gruppen schriftlich in die Impfzentren einzuladen. Beziehungsweise, um mobile Teams zur aufsuchenden Impfung in die Pflegeheime zu schicken. Die Kommunen sind dafür zuständig, ausreichend Personal für die Impfzentren zu rekrutieren.
Die große Impfkampagne
"Wir haben Gott sei Dank schon 300 Menschen, die sich gemeldet haben", bilanziert vorläufig Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch. "100 Ärztinnen und Ärzte, auch 100 Menschen mit medizinischer Fortbildung."
Die Stadt will bis in den Sommer hinein fortlaufend Helfer rekrutieren - auf ehrenamtlicher Basis oder über Teilzeitverträge. "In meinem konkreten Fall habe ich momentan Kurzarbeit und kann daher sehr gut mit meiner Zeit umgehen, ansonsten könnte ich meinen Arbeitgeber fragen, ob er mich für diese Aktion freistellt", kündigt der ehrenamtliche Rot-Kreuz-Rettungssanitäter Thomas Krauß am Rande des Darmstädter Probelaufs an.
Er will helfen bei der großen Impfkampagne. Bis Ende Dezember, so schätzen Experten, könnten die ersten Vakzine zugelassen sein. Zum Jahreswechsel wollen die Gesundheitsministerinnen und –minister von Bund und Ländern die Impfkampagne starten. Vor überzogenen Erwartungen warnt die Impfkommission. Ihr legen noch keine Belege dafür vor, dass die Impfung auch vor der Übertragung des Virus auf andere Menschen schützt.