Das am meisten berührende, auch künstlerisch am meisten avancierte Bild hängt in dieser Ausstellung ganz am Rand, so versteckt in einem Raumwinkel, dass so manche Besucher es gar nicht wahrnehmen. Linn Schröder zeigt darin ihren nach einer Brustkrebsoperation verstümmelten Körper. An der Stelle der fehlenden Brust ist nur noch eine kleine Narbe, die noch vorhandene andere Brust wird durch die Kleidung verdeckt. An jeder Seite hält sie einen ihrer neugeborenen Zwillinge im Arm. Am linken Bildrand ist die Hand eines Mannes zu sehen, der dem Zwilling unter der amputierten Brust einen Finger zwischen die Lippen hält, als Kompensation für das fehlende Sauggefühl.
Vielleicht spielt eine Rolle für die abseitige Platzierung, dass die 1977 in Hamburg geborene Linn Schröder erst seit letztem Jahr Mitglied der Agentur Ostkreuz ist. Aber vielleicht war ihre Interpretation des Begriffs "Grenze" als Thema dieser Ausstellung auch zu persönlich, zu intim, zu radikal? Denn die individuellen Ausdrucksformen der übrigen Beiträge halten sich hier, um bei Thema zu bleiben, auch buchstäblich in Grenzen.
Die Bildagentur Ostkreuz wurde 1990 gegründet, ihr Nestor war zugleich der Doyen der unabhängigen Fotografie in der DDR, Arno Fischer, unter dem viele der Gründungsmitglieder noch gelernt hatten. Von diesen Gründungsmitgliedern sind inzwischen einige verstorben, wie Arno Fischer und Sibylle Bergemann, und in dieser Ausstellung sind mit Ute und Werner Mahler und Harald Hauswald nur noch drei vertreten, die restlichen 15 gehören zur nachrückenden Generation, und der Unterschied in den Bildsprachen ist beträchtlich.
Während die Mahlers und Harald Hauswald nach wie vor das angestammte analoge, eher grobkörnige Schwarz-Weiß-Format pflegen, dass man aus den Zeiten der unabhängigen Fotografieszene in der DDR gewohnt ist, fotografieren die Nachrücker in Farbe und mehrheitlich digital.
Das Vorbild der Pariser Fotoagentur Magnum wirkt sich in der Formensprache der meisten nachhaltig aus. Fast stereotyp wiederholen sich Szenerien, die Menschen an zeitgeschichtlich relevanten Orten oder in sozialen Milieus dokumentieren. Hier zeugt die Fotografie noch bodenständig als historisches Wahrheitsmedium, als effektvoll inszenierte Beglaubigung einer Feststellung: "So ist es gewesen".
Sibylle Fendt widmet sich dem Schicksal von Asylbewerbern in Deutschland und ihrer oft menschenunwürdigen Reduktion zu einem anonymen Aktenvorgang. Jörg Brüggemann besuchte die in vielerlei Hinsicht grausam-skurrile Grenze zwischen Nord- und Südkorea; Espen Eichhöfer dokumentiert die improvisierte Staatengründung des abgespaltenen Südsudans. Pepa Hristova hat die einsame Welt eines bulgarischen Kinderheims einfühlsam festgehalten.
Der Blick dieser Fotografen mag für sich genommen von humanen und gerechten Anliegen gelenkt sein - die Ästhetik dieser Bilder ist dabei weitaus eher dem Journalismus als der Fotokunst zuzurechnen. So scheint es fast, als wolle diese Ausstellung mehr den Blick auf die sozialen und geografischen Schauplätze lenken, über die sich der Betrachter mittels der Bilder dann ausreichend informiert fühlen soll, und das wäre, für sich genommen, optimistischer Anspruch an eine technisch perfekte Fotografie.
Doch nur da und dort mischen sich Abweichungen in diesen gedanklichen Ablauf. Thomas Meyer etwa fertigt seine Dokumentation der schillernden Elendsmetropole Kalkutta als serielle Folge von Porträts aus, Menschen unterschiedlicher Professionen und Herkünfte in seltsam künstlich hergerichteten Räumen, die eigentlich wenig von den Verhältnissen in der Stadt verraten und dadurch berechtigte Zweifel am Mythos der fotografischen Authentizität wecken.
Noch weiter treibt es das, wie Linn Schröder, ebenfalls noch junge Agenturmitglied Julian Röder mit seinen Aufnahmen an der EU-Außengrenze, Aufnahmen, die in ihrer gesuchten Trivialität militärischer Anlagen und Figuren und der burlesken Mischung aus Pop Art und Planspiel den Dokumentaristen selbst als Mitspieler der Szenerie entlarven.
Gemeinsam mit der verletzlichen Motivwelt der Linn Schröder bilden diese Arbeiten den kritischen Boden, der diese Ausstellung davor rettet, am Ende noch als Triumphzug von Humanität und Betroffenheit durchs Ziel der Geschichte gehen zu wollen.
Vielleicht spielt eine Rolle für die abseitige Platzierung, dass die 1977 in Hamburg geborene Linn Schröder erst seit letztem Jahr Mitglied der Agentur Ostkreuz ist. Aber vielleicht war ihre Interpretation des Begriffs "Grenze" als Thema dieser Ausstellung auch zu persönlich, zu intim, zu radikal? Denn die individuellen Ausdrucksformen der übrigen Beiträge halten sich hier, um bei Thema zu bleiben, auch buchstäblich in Grenzen.
Die Bildagentur Ostkreuz wurde 1990 gegründet, ihr Nestor war zugleich der Doyen der unabhängigen Fotografie in der DDR, Arno Fischer, unter dem viele der Gründungsmitglieder noch gelernt hatten. Von diesen Gründungsmitgliedern sind inzwischen einige verstorben, wie Arno Fischer und Sibylle Bergemann, und in dieser Ausstellung sind mit Ute und Werner Mahler und Harald Hauswald nur noch drei vertreten, die restlichen 15 gehören zur nachrückenden Generation, und der Unterschied in den Bildsprachen ist beträchtlich.
Während die Mahlers und Harald Hauswald nach wie vor das angestammte analoge, eher grobkörnige Schwarz-Weiß-Format pflegen, dass man aus den Zeiten der unabhängigen Fotografieszene in der DDR gewohnt ist, fotografieren die Nachrücker in Farbe und mehrheitlich digital.
Das Vorbild der Pariser Fotoagentur Magnum wirkt sich in der Formensprache der meisten nachhaltig aus. Fast stereotyp wiederholen sich Szenerien, die Menschen an zeitgeschichtlich relevanten Orten oder in sozialen Milieus dokumentieren. Hier zeugt die Fotografie noch bodenständig als historisches Wahrheitsmedium, als effektvoll inszenierte Beglaubigung einer Feststellung: "So ist es gewesen".
Sibylle Fendt widmet sich dem Schicksal von Asylbewerbern in Deutschland und ihrer oft menschenunwürdigen Reduktion zu einem anonymen Aktenvorgang. Jörg Brüggemann besuchte die in vielerlei Hinsicht grausam-skurrile Grenze zwischen Nord- und Südkorea; Espen Eichhöfer dokumentiert die improvisierte Staatengründung des abgespaltenen Südsudans. Pepa Hristova hat die einsame Welt eines bulgarischen Kinderheims einfühlsam festgehalten.
Der Blick dieser Fotografen mag für sich genommen von humanen und gerechten Anliegen gelenkt sein - die Ästhetik dieser Bilder ist dabei weitaus eher dem Journalismus als der Fotokunst zuzurechnen. So scheint es fast, als wolle diese Ausstellung mehr den Blick auf die sozialen und geografischen Schauplätze lenken, über die sich der Betrachter mittels der Bilder dann ausreichend informiert fühlen soll, und das wäre, für sich genommen, optimistischer Anspruch an eine technisch perfekte Fotografie.
Doch nur da und dort mischen sich Abweichungen in diesen gedanklichen Ablauf. Thomas Meyer etwa fertigt seine Dokumentation der schillernden Elendsmetropole Kalkutta als serielle Folge von Porträts aus, Menschen unterschiedlicher Professionen und Herkünfte in seltsam künstlich hergerichteten Räumen, die eigentlich wenig von den Verhältnissen in der Stadt verraten und dadurch berechtigte Zweifel am Mythos der fotografischen Authentizität wecken.
Noch weiter treibt es das, wie Linn Schröder, ebenfalls noch junge Agenturmitglied Julian Röder mit seinen Aufnahmen an der EU-Außengrenze, Aufnahmen, die in ihrer gesuchten Trivialität militärischer Anlagen und Figuren und der burlesken Mischung aus Pop Art und Planspiel den Dokumentaristen selbst als Mitspieler der Szenerie entlarven.
Gemeinsam mit der verletzlichen Motivwelt der Linn Schröder bilden diese Arbeiten den kritischen Boden, der diese Ausstellung davor rettet, am Ende noch als Triumphzug von Humanität und Betroffenheit durchs Ziel der Geschichte gehen zu wollen.