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In der Dunkelkammer

In seinem Film "In the Darkroom" nimmt der israelische Regisseur Nadav Schirman das Leben von Magdalena Kopp unter die Lupe. Die Fotografin aus Neu-Ulm, war zeitweise Ehefrau des Terroristen "Sanchez" gewesen.

Von Jörg Taszman | 25.09.2013
    "Mein Vater wollte eigentlich, dass ich einen anständigen Beruf bei der Post habe, aber ich wollte ne Fotografin werden. Man will raus aus diesem Elternhaus. Man will opponieren gegen die Eltern, die ja so spießig sind, die Musik nicht lieben, die überhaupt kein Verständnis haben. Ich wollte nie in Neu-Ulm bleiben. Nie. Es war mir einfach zu klein."

    Als junge Frau wollte Magdalena Kopp nur raus. Von Neu-Ulm führte sie ihr Weg nach Frankfurt, Paris, Budapest, in den Nahen Osten, nach Venezuela und wieder zurück. Der israelische Regisseur Nadav Schirman hat sich in seiner filmischen Reise auf die Spuren von Magdalena Kopp gegeben. Für diesen Film hat er extra Deutsch gelernt und dabei viel Widersprüchliches aber auch zutiefst Menschliches geborgen. Und ein durchaus emotionales Verhältnis zu seiner Protagonistin entwickelt:

    "Ich weiß nicht, ob ‚sympathisch‘ der treffende Begriff ist, aber ‚empathisch‘ ist richtig. Sie ist eine Frau, die gefangen ist. Sie befindet sich in ihrem eigenen Gefängnis. Sie sagte einmal zu mir: ‚Nadav, weißt Du, Carlos ist im Gefängnis, aber er fühlt sich geistig gesehen völlig frei. Ich bin frei, aber gedanklich und geistig in einem Gefängnis.‘ So empfand ich Empathie für diese Frau, die in einer kleinen Wohnung lebt, auf 30 Quadratmetern in einem Kaff, verloren irgendwo in Deutschland und die von ihrer Lebensgeschichte völlig gefangen genommen ist."

    Carlos galt in den 70er-Jahren als der gefährlichste internationale Terrorist. Der geborene Venezolaner nahm 1975 nach einer Schießerei, bei der es drei Tote gab, in Wien mehrere OPEC-Minister gefangen und floh mit einem Flugzeug und den Geiseln nach Algerien. 1982, als seine damalige Freundin Magdalena Kopp in Frankreich im Gefängnis saß, verübte er mehrere blutige Attentate in Frankreich, um sie freizupressen. Deshalb sitzt er auch heute noch dort im Gefängnis. Nadav Schirman erzählt nun die Geschichte von der Frau, die einst an der Seite von Carlos lebte.

    Für die Interviews mit Magdalena Kopp hat er einen "Darkroom” nachgebaut, eine Dunkelkammer, daher der Titel des Films. Er spielt damit aber auch auf die Rolle von Magdalena Kopp als geniale Fälscherin von Ausweispapieren und Dokumenten an, die sie im Auftrag von Carlos herstellte. Sie sagte sich 1994 von Carlos los und schaut im Film direkt in die Kamera. Man sieht die hart gewordenen Gesichtszüge, hört ihre raue, tiefe Stimme. Es geht in diesem Film aber auch um Rosa, die Tochter von Magdalena Kopp und Carlos. Das emotionale Zentrum des Films liegt im letzten Drittel, wenn die heute 27-jährige Rosa während der Dreharbeiten erstmals ihren Vater im Gefängnis besucht.

    "Für Rosa war das eine sehr zwiespältige Reise. Sie hatte Angst, ihren Vater kennenzulernen, weil sie Angst hatte, ihn lieben zu können. Ihn zu lieben hätte bedeutet, den Menschen zu lieben, der ihrer Mutter das Schlimmste angetan hatte. Und ihre Mutter ist ihre einzige Familie. Sie mag im Film sehr frisch wirken, aber für sie war das eine sehr schmerzvolle Reise."

    Magdalena Kopp saß wegen Carlos im Gefängnis und hatte immer Angst vor ihm, wie sie im Film sagt. Nur deshalb kehrte sie nach Verbüßung der Haftstrafe auch wieder zu ihm zurück. Nadav Schirman ist kein klassischer Dokumentarfilmemacher. Er sieht sich selber als Autodidakten, mischt Ausschnitte aus Spielfilmen mit selbst gedrehten Interviews und Archivmaterial. Er wuchs als Sohn eines Diplomaten in der ganzen Welt auf. Deshalb findet er es gar nicht so erstaunlich, als Israeli einen Film über deutsche Geschichte gedreht zu haben.

    "Ich bin in Israel geboren, in Paris, Kanada und den USA aufgewachsen. Das ist mein Leben, ich trage diverse Kulturen gleichzeitig in mir. Magdalena und Carlos stehen ja für etwas Multikulturelles. Er ist Südamerikaner, sie Deutsche, sie lebten hinter dem Eisernen Vorhang in Ungarn, dann später in arabischen Ländern. Carlos war auch der erste internationale Terrorist ... Das ist außerdem ein sehr internationaler Film. Es handelt sich hier auch um eine deutsch-israelisch-finnisch-ungarisch-italienisch und rumänische Co-Produktion. Und die Geschichte ist eine internationale Geschichte. Mein Leben hat mich auf diese Aufgabe gut vorbereitet."

    Es ist spannend, wie sich ein junger Israeli einem wichtigen Teil deutscher Geschichte annimmt und dabei die Gegenwart nie ausblendet. "The Dark Room" ist so mehr als nur ein weiterer historischer Film über den westdeutschen, linken Terrorismus. Es ist ein intelligentes, komplexes filmisches Puzzle, das den Zuschauer gefangen nimmt und dabei auch gekonnt unterhält.