"Dieses Gesetz hat erstmals dafür gesorgt, dass Menschen mit einer Demenzerkrankung eine Geld- oder Sachleistung aus der Pflegeversicherung bekommen. Das ist eine Verbesserung für eine halbe Millionen Demenzerkrankte und zuzüglich für ihre Angehörigen. Das ist Politik, die bei den Menschen ankommt."
Sagt Daniel Bahr, der Bundesgesundheitsminister. Vor allem Demenzkranke, die bislang kaum oder gar kein Geld aus der Pflegekasse bekommen, sollen von dem Pflegeneuausrichtungsgesetz profitieren, das am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist. Kostenpunkt: Eine Milliarde Euro pro Jahr, finanziert durch eine Anhebung des Pflegebeitrags um einen Zehntel Prozentpunkt. Pflegende Angehörige sollen entlastet, neue Wohnformen für Senioren finanziell gefördert werden. Außerdem unterstützt der Staat seit Jahresbeginn jeden, der sich privat gegen das Pflegerisiko absichert:
"Warum soll, was in der Rente richtig ist, in der Pflege falsch sein. Nein, das ist richtig. Wir brauchen Eigenvorsorge. Und diese private Pflegevorsorge wird ein Erfolg. Hat sich entwickelt."
Die Idee klingt einleuchtend. Weil die Pflegeversicherung nur einen Teil der Pflegekosten abdeckt, soll jeder privat fürs Alter vorsorgen. Durch den nach dem Minister benannten Pflege-Bahr, eine private Zusatzversicherung, die der Staat mit fünf Euro pro Monat unterstützt. Der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang ist skeptisch:
"Unter Verbrauchergesichtspunkten ein gefährliches Produkt. Ich würde im Moment abraten, den Pflege-Bahr abzuschließen, weil viele Fragen da ungeklärt sind. Und weil ich davon ausgehe, dass das Ding nicht funktioniert."
Auch Verbraucherschützer reagieren skeptisch. Fünf Euro Zuschuss, damit sei eine vernünftige Absicherung nicht möglich, kritisiert Edda Castello von der Verbraucherzentrale in Hamburg.
"Nein, das wird auf keinen Fall reichen, aber es ist ein wunderbarer Türöffner für die Vertreter. Die sagen, hier, Pflegeversicherung, staatlich gefördert. Es werden natürlich sehr viel höhere Beiträge abgeschlossen, die Versicherungen sind ohnehin viel zu teuer. Aber mit diesem Lockmittel der staatlichen Förderung kann man eben noch mehr Kunden heranziehen."
Die Reform der Pflegeversicherung war eines der wichtigsten Projekte des Gesundheitsministers der FDP. Und es geht Daniel Bahr um weit mehr als Finanzierungsfragen. Es geht um einen grundlegenden Umbau, eine neue Systematik, nach der Pflegebedürftigkeit und Pflegeleistungen bemessen werden sollen. Jürgen Gohde, der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe:
"Die Pflegeversicherung benötigt als Grundlage eine neue Perspektive, ein neues Verfahren zur Festlegung von Leistungen. Die sprichwörtliche Pflege nach Minuten muss weg."
Bislang schauen die medizinischen Dienste der Krankenkassen nur auf die körperlichen Beeinträchtigungen der Versicherten. Fragen, ob und wie viel Hilfe jemand beim Waschen, Essen oder Ankleiden braucht und weisen nach Minuten berechnete Pflegeleistungen an. Ein überholtes Konzept, das aber - trotz der Bahrschen Pflegereform – weiter gilt. Elisabeth Scharffenberg von den Grünen:
"Bei der überfälligen Reform des Pflegebegriffs sind sie nicht einen Schritt weitergekommen. Sie haben recht, man kann einen neuen Pflegebegriff nicht sofort, von jetzt auf gleich einführen. Aber man kann daran weiter arbeiten. Sie aber haben zwei Jahre überhaupt nichts unternommen."
Dabei war die schwarz-gelbe Koalition mit großen Ambitionen gestartet, hatte das Jahr 2011 zum Jahr der Pflege ausgerufen. Doch dann geriet der Reformmotor ins Stottern. Der Gesundheitsminister brachte noch den umstrittenen Pflege-Bahr auf den Weg – und beauftragte den Pflegebeirat, ein Reformkonzept zu erarbeiten. Vor zwei Monaten legte das Expertengremium unter dem Vorsitz des CSU-Politikers Wolfgang Zöller die Ergebnisse vor - zu spät, um noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt zu werden.
"Damit kann endlich der überfällige, notwendige Schritt getan werden, weg von der Scheingenauigkeit der Zeitmessung hin zur gerechten Erfassung des Grads der Selbstständigkeit."
Der Erkenntnisgewinn hielt sich indes in Grenzen. Schon 2009 hatte der Beirat unter dem damaligen Vorsitzenden Jürgen Gohde ein Reformkonzept vorgelegt, mit ganz ähnlichen Empfehlungen.
"Für den Bereich Pflege ist die Zeit der letzten vier Jahre eine vertane Chance gewesen."
Fazit: Eine grundlegende Neuordnung der Pflegeversicherung ist überfällig, die Konzepte dafür liegen auch längst auf dem Tisch. Doch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat damit wenig anzufangen gewusst. Eine umstrittene private Zusatzversicherung, ein paar Soforthilfen für Demenzkranke und ein weiteres Gutachten – in der Pflegepolitik hat der FDP-Mann nur Stückwerk abgeliefert.
Sagt Daniel Bahr, der Bundesgesundheitsminister. Vor allem Demenzkranke, die bislang kaum oder gar kein Geld aus der Pflegekasse bekommen, sollen von dem Pflegeneuausrichtungsgesetz profitieren, das am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist. Kostenpunkt: Eine Milliarde Euro pro Jahr, finanziert durch eine Anhebung des Pflegebeitrags um einen Zehntel Prozentpunkt. Pflegende Angehörige sollen entlastet, neue Wohnformen für Senioren finanziell gefördert werden. Außerdem unterstützt der Staat seit Jahresbeginn jeden, der sich privat gegen das Pflegerisiko absichert:
"Warum soll, was in der Rente richtig ist, in der Pflege falsch sein. Nein, das ist richtig. Wir brauchen Eigenvorsorge. Und diese private Pflegevorsorge wird ein Erfolg. Hat sich entwickelt."
Die Idee klingt einleuchtend. Weil die Pflegeversicherung nur einen Teil der Pflegekosten abdeckt, soll jeder privat fürs Alter vorsorgen. Durch den nach dem Minister benannten Pflege-Bahr, eine private Zusatzversicherung, die der Staat mit fünf Euro pro Monat unterstützt. Der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang ist skeptisch:
"Unter Verbrauchergesichtspunkten ein gefährliches Produkt. Ich würde im Moment abraten, den Pflege-Bahr abzuschließen, weil viele Fragen da ungeklärt sind. Und weil ich davon ausgehe, dass das Ding nicht funktioniert."
Auch Verbraucherschützer reagieren skeptisch. Fünf Euro Zuschuss, damit sei eine vernünftige Absicherung nicht möglich, kritisiert Edda Castello von der Verbraucherzentrale in Hamburg.
"Nein, das wird auf keinen Fall reichen, aber es ist ein wunderbarer Türöffner für die Vertreter. Die sagen, hier, Pflegeversicherung, staatlich gefördert. Es werden natürlich sehr viel höhere Beiträge abgeschlossen, die Versicherungen sind ohnehin viel zu teuer. Aber mit diesem Lockmittel der staatlichen Förderung kann man eben noch mehr Kunden heranziehen."
Die Reform der Pflegeversicherung war eines der wichtigsten Projekte des Gesundheitsministers der FDP. Und es geht Daniel Bahr um weit mehr als Finanzierungsfragen. Es geht um einen grundlegenden Umbau, eine neue Systematik, nach der Pflegebedürftigkeit und Pflegeleistungen bemessen werden sollen. Jürgen Gohde, der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe:
"Die Pflegeversicherung benötigt als Grundlage eine neue Perspektive, ein neues Verfahren zur Festlegung von Leistungen. Die sprichwörtliche Pflege nach Minuten muss weg."
Bislang schauen die medizinischen Dienste der Krankenkassen nur auf die körperlichen Beeinträchtigungen der Versicherten. Fragen, ob und wie viel Hilfe jemand beim Waschen, Essen oder Ankleiden braucht und weisen nach Minuten berechnete Pflegeleistungen an. Ein überholtes Konzept, das aber - trotz der Bahrschen Pflegereform – weiter gilt. Elisabeth Scharffenberg von den Grünen:
"Bei der überfälligen Reform des Pflegebegriffs sind sie nicht einen Schritt weitergekommen. Sie haben recht, man kann einen neuen Pflegebegriff nicht sofort, von jetzt auf gleich einführen. Aber man kann daran weiter arbeiten. Sie aber haben zwei Jahre überhaupt nichts unternommen."
Dabei war die schwarz-gelbe Koalition mit großen Ambitionen gestartet, hatte das Jahr 2011 zum Jahr der Pflege ausgerufen. Doch dann geriet der Reformmotor ins Stottern. Der Gesundheitsminister brachte noch den umstrittenen Pflege-Bahr auf den Weg – und beauftragte den Pflegebeirat, ein Reformkonzept zu erarbeiten. Vor zwei Monaten legte das Expertengremium unter dem Vorsitz des CSU-Politikers Wolfgang Zöller die Ergebnisse vor - zu spät, um noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt zu werden.
"Damit kann endlich der überfällige, notwendige Schritt getan werden, weg von der Scheingenauigkeit der Zeitmessung hin zur gerechten Erfassung des Grads der Selbstständigkeit."
Der Erkenntnisgewinn hielt sich indes in Grenzen. Schon 2009 hatte der Beirat unter dem damaligen Vorsitzenden Jürgen Gohde ein Reformkonzept vorgelegt, mit ganz ähnlichen Empfehlungen.
"Für den Bereich Pflege ist die Zeit der letzten vier Jahre eine vertane Chance gewesen."
Fazit: Eine grundlegende Neuordnung der Pflegeversicherung ist überfällig, die Konzepte dafür liegen auch längst auf dem Tisch. Doch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat damit wenig anzufangen gewusst. Eine umstrittene private Zusatzversicherung, ein paar Soforthilfen für Demenzkranke und ein weiteres Gutachten – in der Pflegepolitik hat der FDP-Mann nur Stückwerk abgeliefert.