Breker: Nach Volkswagen erschüttert nun auch den Halbleiterhersteller Infineon eine Korruptionsaffäre. Es scheint, alle gesellschaftlichen Gruppen in diesem Lande sind betroffen: Manager, Gewerkschaften, Sportjournalisten und so weiter. Nicht nur in Panama riecht es von oben bis unten nach Bananen, auch in unserer Republik ist das Aroma deutlich wahrzunehmen. Am Telefon begrüße ich den Vorsitzenden von Transparency International, Peter Eigen. Guten Tag, Herr Eigen.
Eigen: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Korruption in allen gesellschaftlichen Bereichen bei uns kein wirklich neues Phänomen, sondern es wird einfach nur mehr aufgedeckt, behaupte ich mal.
Eigen: Diese These kann man schon vertreten, wobei allerdings in der letzten Zeit diejenigen, die diese These vertreten, etwas weniger laut auftreten. Denn es scheint ja wirklich so auszusehen, als ob sich in Deutschland dieser Korruptionsvirus langsam sehr breitgemacht hat.
Breker: Hat sich da, Herr Eigen, Sie beobachten ja schon lange das Geschäft, hat sich da in den letzten Jahren etwas verändert? Sind wir schlichtweg geldgieriger geworden?
Eigen: Zunächst muss man wirklich sagen, dass die Allgemeinheit viel weniger Geduld hat mit der Korruption als das noch vor fünf Jahren der Fall war. Wir dürfen nicht vergessen, vor fünf Jahren war es in Deutschland durchaus noch gang und gäbe zu verteidigen, dass etwa Exporteure im Ausland systematisch bestechen müssen. Schon damals haben wir gesagt, ihr könnt doch nicht davon ausgehen, wenn große Unternehmen systematisch die Entscheidungsträger in Afrika, Lateinamerika, in Asien mit riesigen Beträgen auf irgendwelchen Geheimkonten bestechen, dass das dann nicht auch nach Hause zu uns zurückkehrt und unsere eigene Integrität in Wirtschaft und Politik und in vielen Bereichen unterminiert.
Was wir da jetzt sehen, das ist offenbar ein Zeichen, dass es wohl so eingetreten ist, dass dieser Bumerang zurückkommt nach Deutschland, aber auch, dass sich inzwischen die Allgemeinheit das nicht mehr gefallen lässt. Man hat einfach die Nase voll von korrupten Eliten, die sich bereichern, vor allen Dingen in einer Zeit, in denen es vielen so schlecht geht. Deswegen muss ich sagen, hat es auch etwas Gutes an sich, dass diese Dinge jetzt auffallen und dass die nicht mehr geduldet werden.
Breker: Dennoch behaupten manche Experten, dass die meisten Korruptionsfälle verschwiegen werden, weil die Firmen an ihren eigenem guten Ruf interessiert seien, würden etwa nur fünf Prozent von Korruptionsfällen tatsächlich aufgedeckt.
Eigen: Das ist wahrscheinlich richtig. Auch da hat sich meines Erachtens eine Bewusstseinsänderung durchgesetzt. Wenn man große Unternehmen wie etwa die Deutsche Bahn sieht, wenn bei denen ein Korruptionsfall auftritt, dann wird der nicht unter den Teppich gekehrt, sondern an die große Glocke gehängt. Selbst bei Volkswagen hatte man ja das Gefühl, dass das Management bei Volkswagen sehr daran interessiert war, alle diese etwas zweifelhaften Umstände aufzuklären.
Bei der Weltbank im internationalen Bereich, um einmal ein Beispiel zu sagen, ist es inzwischen ganz klar so, während früher Korruptionsfälle vertuscht wurden, werden sie jetzt an die große Glocke gehängt. Insofern ist das ein Thema, was wahrscheinlich auch in der Politik viel mehr instrumentalisiert werden sollte, denn die Wähler haben die Nase absolut gestrichen voll mit diesen korrupten Machenschaften insbesondere auch der Politiker und der hohen Beamten. Insofern kommen da also wirklich zwei Trends zusammen, das Eine ist, dass vielleicht in der Tat die Menschen habgieriger geworden sind und sich selbst bedienen und auf der anderen Seite aber auch die Medien, die Behörden, die Justiz funktionieren, indem sie diese Dinge aufgreifen und scharf verfolgen.
Breker: Auffallend ist ja, Herr Eigen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind. Mal sind es die Manager, mal sind es die Betriebsräte, sogar Sportjournalisten sind nicht ausgenommen, mal sind es Politiker. Eigentlich zieht sich das durch die gesamte Gesellschaft hindurch. Das ist doch auffällig?
Eigen: Ja, das ist richtig und deswegen ist es wahrscheinlich auch falsch, wenn man versucht, in bestimmten auch politischen Kampagnen das dem politischen Gegner in die Schuhe zu schieben. Wir sind alle sehr verletzlich was die Korruption anbelangt. Deswegen ist es eben weltweit so wichtig, dass eine große, globale Koalition gegen Korruption auf jeder Stufe, in jedem Bereich, im ganz Persönlichen, im Künstlerischen, im Nichtregierungsorganisationsbereich, in all diesen Bereichen eine Haltung durchsetzt, dass man keinerlei Korruption mehr duldet. Das begrüßen wir natürlich.
Breker: Wie konnte das, Herr Eigen, denn geschehen, dass das Unrechtsbewusstsein derjenigen, die korrumpieren oder korrumpieren lassen, dass das so gering ausgebildet ist?
Eigen: Das ist ehrlich gesagt wirklich eine Frage, die ich mir selbst häufig gestellt habe. Insbesondere wenn man diese skandalöse Situation sich überlegt, wo bis 1999 die Regierung, die hohen Beamten, die internationalen Verbände, die nationalen Verbände, aber insbesondere auch die ehrenwerten Führungsschichten in den Großunternehmen alle ganz offen verteidigt haben, dass sie im Ausland bestechen müssen, wo es doch so schwierig ist, etwa in einem Land in Afrika, in Nigeria oder im Kongo oder in Kenia, eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu entfalten, damit die Menschen etwas von der Globalisierung haben und nicht nur die Eliten. Da gehen die hin und sagen, es ist leider so, dass man in diesen Ländern bestechen muss, die Kultur verlangt es und da müssen wir alle mitmachen.
Ich muss sagen, es ist hocherfreulich, dass die Welt da einen ganz großen Schritt weggemacht hat. Dieser Schritt ist eben auch in Deutschland getan worden, als man dieses Wunschdenken aufgegeben hat, dass Deutschland mehr oder weniger immun ist gegen die Korruption. Deutschland ist genauso anfällig wie viele andere Länder. Der große Vorteil, den wir haben etwa im Vergleich zu Entwicklungsländern ist, dass wir funktionierende Institutionen haben und eben doch noch ein Wertesystem, in dem diese Dinge dann aufgedeckt werden und verfolgt werden. In vielen anderen Ländern zuckt man die Achseln und lacht sogar darüber und versucht sich zu beteiligen an diesen korrupten Geschäften, weil es keinen Ausweg zu geben scheint. Hier gibt es einen Ausweg und das ist eben das Gute an diesen großen Unternehmen, auch wenn es schmerzlich ist etwa für die ehrlichen Mitarbeiter von Infineon, für die ehrlichen Mitarbeiter bei Volkswagen und so weiter, dass ihr Unternehmen so in einen schlechten Ruf gerät.
Breker: Es kommt heraus. Das war der Vorsitzende von Transparency International, Peter Eigen.
Eigen: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Korruption in allen gesellschaftlichen Bereichen bei uns kein wirklich neues Phänomen, sondern es wird einfach nur mehr aufgedeckt, behaupte ich mal.
Eigen: Diese These kann man schon vertreten, wobei allerdings in der letzten Zeit diejenigen, die diese These vertreten, etwas weniger laut auftreten. Denn es scheint ja wirklich so auszusehen, als ob sich in Deutschland dieser Korruptionsvirus langsam sehr breitgemacht hat.
Breker: Hat sich da, Herr Eigen, Sie beobachten ja schon lange das Geschäft, hat sich da in den letzten Jahren etwas verändert? Sind wir schlichtweg geldgieriger geworden?
Eigen: Zunächst muss man wirklich sagen, dass die Allgemeinheit viel weniger Geduld hat mit der Korruption als das noch vor fünf Jahren der Fall war. Wir dürfen nicht vergessen, vor fünf Jahren war es in Deutschland durchaus noch gang und gäbe zu verteidigen, dass etwa Exporteure im Ausland systematisch bestechen müssen. Schon damals haben wir gesagt, ihr könnt doch nicht davon ausgehen, wenn große Unternehmen systematisch die Entscheidungsträger in Afrika, Lateinamerika, in Asien mit riesigen Beträgen auf irgendwelchen Geheimkonten bestechen, dass das dann nicht auch nach Hause zu uns zurückkehrt und unsere eigene Integrität in Wirtschaft und Politik und in vielen Bereichen unterminiert.
Was wir da jetzt sehen, das ist offenbar ein Zeichen, dass es wohl so eingetreten ist, dass dieser Bumerang zurückkommt nach Deutschland, aber auch, dass sich inzwischen die Allgemeinheit das nicht mehr gefallen lässt. Man hat einfach die Nase voll von korrupten Eliten, die sich bereichern, vor allen Dingen in einer Zeit, in denen es vielen so schlecht geht. Deswegen muss ich sagen, hat es auch etwas Gutes an sich, dass diese Dinge jetzt auffallen und dass die nicht mehr geduldet werden.
Breker: Dennoch behaupten manche Experten, dass die meisten Korruptionsfälle verschwiegen werden, weil die Firmen an ihren eigenem guten Ruf interessiert seien, würden etwa nur fünf Prozent von Korruptionsfällen tatsächlich aufgedeckt.
Eigen: Das ist wahrscheinlich richtig. Auch da hat sich meines Erachtens eine Bewusstseinsänderung durchgesetzt. Wenn man große Unternehmen wie etwa die Deutsche Bahn sieht, wenn bei denen ein Korruptionsfall auftritt, dann wird der nicht unter den Teppich gekehrt, sondern an die große Glocke gehängt. Selbst bei Volkswagen hatte man ja das Gefühl, dass das Management bei Volkswagen sehr daran interessiert war, alle diese etwas zweifelhaften Umstände aufzuklären.
Bei der Weltbank im internationalen Bereich, um einmal ein Beispiel zu sagen, ist es inzwischen ganz klar so, während früher Korruptionsfälle vertuscht wurden, werden sie jetzt an die große Glocke gehängt. Insofern ist das ein Thema, was wahrscheinlich auch in der Politik viel mehr instrumentalisiert werden sollte, denn die Wähler haben die Nase absolut gestrichen voll mit diesen korrupten Machenschaften insbesondere auch der Politiker und der hohen Beamten. Insofern kommen da also wirklich zwei Trends zusammen, das Eine ist, dass vielleicht in der Tat die Menschen habgieriger geworden sind und sich selbst bedienen und auf der anderen Seite aber auch die Medien, die Behörden, die Justiz funktionieren, indem sie diese Dinge aufgreifen und scharf verfolgen.
Breker: Auffallend ist ja, Herr Eigen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind. Mal sind es die Manager, mal sind es die Betriebsräte, sogar Sportjournalisten sind nicht ausgenommen, mal sind es Politiker. Eigentlich zieht sich das durch die gesamte Gesellschaft hindurch. Das ist doch auffällig?
Eigen: Ja, das ist richtig und deswegen ist es wahrscheinlich auch falsch, wenn man versucht, in bestimmten auch politischen Kampagnen das dem politischen Gegner in die Schuhe zu schieben. Wir sind alle sehr verletzlich was die Korruption anbelangt. Deswegen ist es eben weltweit so wichtig, dass eine große, globale Koalition gegen Korruption auf jeder Stufe, in jedem Bereich, im ganz Persönlichen, im Künstlerischen, im Nichtregierungsorganisationsbereich, in all diesen Bereichen eine Haltung durchsetzt, dass man keinerlei Korruption mehr duldet. Das begrüßen wir natürlich.
Breker: Wie konnte das, Herr Eigen, denn geschehen, dass das Unrechtsbewusstsein derjenigen, die korrumpieren oder korrumpieren lassen, dass das so gering ausgebildet ist?
Eigen: Das ist ehrlich gesagt wirklich eine Frage, die ich mir selbst häufig gestellt habe. Insbesondere wenn man diese skandalöse Situation sich überlegt, wo bis 1999 die Regierung, die hohen Beamten, die internationalen Verbände, die nationalen Verbände, aber insbesondere auch die ehrenwerten Führungsschichten in den Großunternehmen alle ganz offen verteidigt haben, dass sie im Ausland bestechen müssen, wo es doch so schwierig ist, etwa in einem Land in Afrika, in Nigeria oder im Kongo oder in Kenia, eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu entfalten, damit die Menschen etwas von der Globalisierung haben und nicht nur die Eliten. Da gehen die hin und sagen, es ist leider so, dass man in diesen Ländern bestechen muss, die Kultur verlangt es und da müssen wir alle mitmachen.
Ich muss sagen, es ist hocherfreulich, dass die Welt da einen ganz großen Schritt weggemacht hat. Dieser Schritt ist eben auch in Deutschland getan worden, als man dieses Wunschdenken aufgegeben hat, dass Deutschland mehr oder weniger immun ist gegen die Korruption. Deutschland ist genauso anfällig wie viele andere Länder. Der große Vorteil, den wir haben etwa im Vergleich zu Entwicklungsländern ist, dass wir funktionierende Institutionen haben und eben doch noch ein Wertesystem, in dem diese Dinge dann aufgedeckt werden und verfolgt werden. In vielen anderen Ländern zuckt man die Achseln und lacht sogar darüber und versucht sich zu beteiligen an diesen korrupten Geschäften, weil es keinen Ausweg zu geben scheint. Hier gibt es einen Ausweg und das ist eben das Gute an diesen großen Unternehmen, auch wenn es schmerzlich ist etwa für die ehrlichen Mitarbeiter von Infineon, für die ehrlichen Mitarbeiter bei Volkswagen und so weiter, dass ihr Unternehmen so in einen schlechten Ruf gerät.
Breker: Es kommt heraus. Das war der Vorsitzende von Transparency International, Peter Eigen.