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"In dieser Artenvielfalt liegt ein enorm großes Genpotenzial"

Die Diskussionen im japanischen Nagoya über einen Stopp des Artenschwunds halten an. Klaus Töpfer, ehemaliger Chef des UN-Umweltprogramms, sieht hier viele Missverständnisse und betont auch die ökonomischen Vorteile von Artenvielfalt.

Klaus Töpfer im Gespräch mit Georg Ehring |
    Georg Ehring: Im japanischen Nagoya debattieren die Unterhändler seit knapp zwei Wochen über neue Ziele zum Stopp des Artenschwundes. Die Weltgemeinschaft hatte sich vorgenommen, bis zum Jahr 2010 das massenweise Aussterben von Tier- und Pflanzenarten wenigstens abzubremsen. Doch dieses Ziel ist verfehlt worden und auch bei der Konferenz in Japan gibt es noch kein Ergebnis. Die Unterhändler streiten nach wie vor über ein Abkommen, das Unternehmen zu Zahlungen an die Herkunftsländer verpflichtet, wenn die biologischen Ressourcen oder traditionelles Wissen zur Entwicklung neuer Produkte nutzen lassen. Vor allem tropische Länder wollen verhindern, dass ihre Schätze ohne Entschädigung in die Hände ausländischer Unternehmen gelangen. Eine wissenschaftliche Studie hat erbracht, dass der Wert der Artenvielfalt immens und die Kosten für ihre Erhaltung begrenzt sind. Trotzdem ist es anscheinend schwer, sich auf eine Erhaltung zu einigen.
    Wo liegen die Hindernisse?

    – Darüber möchte ich jetzt mit Professor Klaus Töpfer reden. Er war lange Zeit Bundesumweltminister und Chef des UN-Umweltprogramms. Guten Tag, Herr Töpfer.

    Klaus Töpfer: Einen schönen guten Tag.

    Ehring: Ja, Herr Töpfer, was erwarten Sie denn von der Konferenz in Nagoya?

    Töpfer: Sie haben sehr zurecht darauf hingewiesen, dass dieses Jahr ja das Jahr der Artenvielfalt ist, weil wir in diesem Jahr den Stopp erreichen wollten des Rückgangs der Arten. Der ist nicht erreicht worden und das ist eine wirklich dramatische Situation.

    Sie haben einen Punkt ebenfalls angesprochen. In dieser Artenvielfalt liegt ein enorm großes Genpotenzial. Dieses Genpotenzial hat einen großen wirtschaftlichen Vorteil und diejenigen, die ihn ausnutzen können, können daraus marktfähige Produkte und vieles andere machen. Deswegen die Notwendigkeit, dass diejenigen, die für die Vielfalt mit Verantwortung tragen, eben gerade auch in hohem Maße die Entwicklungsländer, sie sind die Megadiverse Biological Countries, wie sie sich nennen, diejenigen, die also eine ganz besondere Artenvielfalt aufweisen, dass sie davon auch einen Anteil haben wollen. Das wäre eine ganz wichtige Frage.

    Also, was dem entgegensteht, sind ganz klare, eindeutige wirtschaftliche Interessen. Und ein Zweites: Es ist natürlich auch für viele immer wieder ein vordergründiges Abwägen, dass sie sagen: Aber wir können doch nicht für die Erhaltung einer bestimmten Art von Tier oder Pflanze einen Straßenbau nicht durchziehen, der ganz wichtig ist. Wir können nicht Hafenmaßnahmen zurückführen, weil dadurch möglicherweise eine Auswirkung auf die Stabilität der Küstengewässer da ist. Überall stoßen wir auf das Missverständnis, dass die Erhaltung von Artenvielfalt so etwas wie eine negative Auswirkung auf wirtschaftliche Stabilität hat. Das Gegenteil ist der Fall. Die Nachweise sind eindeutig. Die Werte, die in diesen Genpotenzialen, die in der Artenvielfalt stehen und die verschiedenen Bereichen zuzuordnen sind, bis zur Stabilität etwa auch unseres Klimas, alles das wird nicht berücksichtigt und wir werden sehr schnell sehen, dass diese Kurzsichtigkeit sehr massive ökonomische Konsequenzen auch hat, neben der Tatsache, dass man eine Verantwortung für Schöpfung so nicht aufbauen kann.

    Ehring: Sie verfolgen das Thema ja seit Jahrzehnten. Welche Fortschritte hat es denn gegeben, oder hat es keine gegeben?

    Töpfer: Es hat Fortschritte gegeben, ist gar keine Frage. Wir haben auch bei dem Thema, diesem Zugang zur Artenvielfalt und dem Teilen der damit verbundenen Vorteile, Fortschritte gehabt. Es gibt einen Vorschlag, der hier in Bonn einmal verabschiedet wurde vor Jahr und Tag, man wollte daraus eine Konvention oder ein Protokoll machen. Das ist eben wie gesagt immer noch nicht erreicht. Darüber verhandelt man intensiv jetzt in Japan. Meine Informationen gehen dahin, dass man sich durchaus näher gekommen ist, aber eben noch nicht abgeschlossen hat.
    Wir haben auch sicher Fortschritte gemacht in der Sicherung von Natur, vornehmlich auch, indem wir Meeresschutzgebiete abgegrenzt haben, die Staaten das getan haben, wenn wir sehen, dass unsere Ozeane massiv gefährdet sind, nicht nur in ihrer Produktivität, im Fischreichtum, sondern auch in der Stabilisierung wiederum mit Blick auf die Klimaveränderung. Ozeane sind die Hauptaufnahmequellen mit für CO2. Wenn dort eine Überaufnahme entsteht, wird eine Versauerung eintreten. Viele solche Schwierigkeiten bis hin zum Meeresbergbau bringen uns zusätzliche Gefährdungen für die Vielfalt. Gleiches gilt sicher auch für die Leuchtturm-Projekte zur Erhaltung von Artenvielfalt in einigen Ländern, denken Sie an Costa Rica, eines der kleinen Länder, das aber eine derartige Artenvielfalt hat aufgrund seiner Lage zwischen den beiden großen Weltmeeren. Also es gibt Fortschritte, aber sie reichen eben nicht hin, weil wie gesagt immer und immer wieder die ökonomischen Interessen dem übergeordnet werden, was wir aus mittel- und langfristiger Notwendigkeit sowohl ökonomisch als auch ökologisch brauchen.

    Ehring: Herzlichen Dank! – Das war Professor Klaus Töpfer, der frühere Bundesumweltminister und ehemalige Chef des UN-Umweltprogramms.