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"In Spanien hat man ein bisschen apokalyptische Stimmung"

Laut jüngsten Meldungen könnte Spanien bald Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds beantragen. Fest steht schon jetzt: Dem Land geht es schlecht. Der spanische Journalist Juan Gómez glaubt, dass sich viele seiner Landsleute von Europa unfair behandelt fühlen.

Juan Gómez im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Jetzt könnte es auch Spanien erwischen. Nach Irland, Portugal und Griechenland könnte Spanien schon am Wochenende das vierte Land der Eurozone werden, das Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm beantragt. Noch weigert sich die Regierung in Madrid, diesen Antrag zu stellen, denn er würde bedeuten, dass die EU Spaniens Regierung Auflagen machen darf und mit Sicherheit das auch tun würde. Den letzten Meldungen zufolge steht aber Madrids Antrag unmittelbar bevor. In Deutschland wird derweil diskutiert, ob es ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben soll, mit Ländern, die schneller voranschreiten, und einer Nachhut.

    Zurück zur Situation in Spanien. In Berlin, in unserem Deutschlandfunk-Studio, begrüße ich Juan Gómez. Er ist der Deutschland-Korrespondent der spanischen Tageszeitung "El Pais". Guten Tag, Herr Gómez.

    Juan Gómez: Guten Tag.

    Meurer: Rechnen Sie damit, so wie wir hier hören und lesen, dass morgen die Regierung in Madrid den Antrag stellt auf Hilfe durch den Euro-Rettungsfonds?

    Gómez: Die Regierung wird das nicht bestätigen, sie hat es nicht bestätigt, noch nicht. Sie verneinen es aber auch nicht. Also könnte es schon so sein, dass der Antrag gestellt wird.

    Meurer: Gibt es denn überhaupt einen anderen Weg für Spanien?

    Gómez: Wahrscheinlich nicht für die spanischen Banken. Zur Zeit analysieren zwei Consulting-Firmen, die jetzt beurteilen sollen, wie viel Geld die spanischen Banken benötigen, um nicht den Finanzsektor mit sich herunterzureißen. Es ist wahrscheinlich nötig, dass Spanien Geld aus dem europäischen Rettungsfonds beantragt, um die Banken zu retten.

    Meurer: Die Zahlen, die wir hier lesen, lauten, 80 bis 100 Milliarden Euro werden gebraucht. Das Geld wäre im Euro-Rettungsschirm da. Was ist eigentlich Ihre Erklärung dafür, dass die Regierung in Madrid da im Moment zögert?

    Gómez: Es macht eben einen großen Unterschied aus, ob man Geld nur für die Banken beantragt oder sich als gesamtes Land unter den Rettungsschirm stellt. Dann wird das sehr, sehr teuer und stellt ein großes Problem für das Land dar, weil dann die Troika kommt, genau wie in Griechenland, genau wie in Portugal, genau wie in Irland, und der Regierung erzählt, was sie machen soll oder nicht machen soll. Was die Regierung möchte, ist, im Finanzmarkt zu bleiben als Staat, aber die Banken retten zu lassen. Das ist ein Mechanismus, der vorgesehen wird von den europäischen Verträgen, die dem Rettungsfonds zugrunde liegen. Das sagt die deutsche Regierung ja auch die ganze Zeit, dass es Mechanismen gibt, um Banken zu retten, und so ist es wahrscheinlich, was Spanien machen wird. Spanien stellt sich nicht ganz unter den Schirm, sondern beantragt eine Menge Geld für seine Banken.

    Meurer: Aber das ist sozusagen ein Teil des Schirms. Aber irgendwie: sie wollen nicht. Warum nicht?

    Gómez: Sie warten erst mal ab. Was sie wahrscheinlich versuchen, ist, die besten Bedingungen für Spanien in diesem Vertrag herauszuholen. Wie gesagt: Was sie vermeiden wollen ist, ganz unter den Schirm zu gehen, und das macht auch Sinn. Das ist für Europa sehr, sehr teuer, Spanien für ein paar Jahre aus dem Markt zu ziehen. Das wäre ja eine Wahnsinnsanstrengung. Also ist es besser, wenn man für die Banken das Geld bereitstellt.

    Meurer: Ist das auch eine Frage des nationalen Prestiges?

    Gómez: Nun, das weiß ich nicht. Ja, natürlich! An sich aus dem Markt zu gehen, ganz aus dem Markt zu gehen, das ist ein großer Schlag für eine Regierung und für ein Land. Es ist natürlich sehr verständlich, dass eine Regierung versucht, so einen großen Schritt zu vermeiden.

    Meurer: Wie erleben Sie denn, Herr Gómez, als jemand, der in Berlin arbeitet, für eine spanische, für die wichtigste spanische Tageszeitung "El Pais" arbeitet, wie erleben Sie die Diskussion bei uns in Deutschland?

    Gómez: Insoweit ziemlich sachlich und gelassen, ruhig. Eigentlich habe ich nicht das Gefühl, hier hat man nicht das Gefühl, dass die Krise so tief empfunden wird, wie das das Gefühl in Spanien ist. Das macht ja den Unterschied aus. In Spanien herrscht ein bisschen eine apokalyptische Stimmung, Endzeitstimmung. Aber hier scheint man noch darauf zu vertrauen, dass die Sachen mit Hilfe der Mechanismen zu lösen sind, über die man schon verfügt. Die Eile in Deutschland ist nicht so groß wie in Spanien.

    Meurer: Die Deutschen fühlen sich ökonomisch im Moment auf sicherem Grund, deswegen vermutlich die Gelassenheit.

    Gómez: Wahrscheinlich.

    Meurer: Sind die Deutschen egoistisch und wollen ihr Geld nicht zur Verfügung stellen für andere?

    Gómez: Das würde ich so nicht sagen, auf keinen Fall. Ich glaube, die deutschen Steuerzahler - und ich bin einer davon; ich kann selbst von mir sprechen, ich zahle hier meine Steuern - haben sehr viel dazu beigetragen, die Sache in Europa zu beruhigen, dass der Euro nicht auseinanderbricht. Mal gucken, ob es genug ist. Es hätte mehr sein können. Viele kritisieren das.

    Meurer: Was ist Ihre Meinung, was könnte Angela Merkel zusätzlich noch tun?

    Gómez: Na ja, ich glaube, es sind Fehler gemacht worden, vor allem in Bezug auf Griechenland von Anfang an. Aber das ist schon vorbei, das ist schon lange her. Man muss nach vorne schauen und gucken, dass man solche Fehler nicht wiederholt und nicht so weitermacht wie bisher. Ich denke, dass man Griechenland zu hart behandelt hat. Aber warten wir ab, wie das jetzt mit der Wahl in Griechenland und mit dem Hilfsantrag Madrids ausgeht.

    Meurer: Wie denken Ihre spanischen Landsleute über die Politik der deutschen Bundesregierung?

    Gómez: Also es gibt sehr viel Kritik in Spanien. In der Öffentlichkeit herrschen immer ein wenig Minderwertigkeitsgefühle vor, weil es jetzt so schlecht um Spanien steht. Man denkt, man hätte uns ja ein bisschen besser behandeln können, man hätte dies oder das machen können, um uns zu helfen. Aber ich glaube, im Großen und Ganzen ist man sich schon darüber im Klaren, dass Europa gut für Spanien und dass Deutschland auch gut für Europa ist.

    Meurer: Wo wurde Spanien schlecht behandelt, wenn es nach Ihren Landsleuten oder einigen geht?

    Gómez: Also man hat ein wenig dieses Gefühl, man hätte doch Programme für mehr Wachstum auflegen können, auch dass bestimmte Regelungen in den Verträgen, in den europäischen Verträgen, nicht großzügig genug mit Ländern umgehen, die Probleme haben - wie es jetzt im Fall von Spanien ist. Diese Kritik ist aber eher unsachlich, sehr verallgemeinernd und generell. In Spanien denkt man, dass Deutschland doch sehr viel vom Euro profitiert hat, dadurch, dass sie einfach ihre Exporte steigern konnten. Spanien hat die Produkte der Deutschen gekauft ohne Ende, und jetzt, wo es Probleme gibt, hat man ein bisschen das Gefühl, ja die Deutschen wollen halt nicht so helfen, wie sie es könnten. Aber ich teile diese Kritik nicht ganz.

    Meurer: Interessante Einblicke, formuliert durch Juan Gómez, Deutschland-Korrespondent der spanischen Tageszeitung "El Pais". Schönen Dank, Herr Gómez, nach Berlin und schönes Wochenende.

    Gómez: Danke auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.