Bei Mieterhöhungen sind den Vermietern in Deutschland gesetzliche Grenzen gesetzt: Kein Vermieter kann einfach die Miete nehmen, die er selbst für angemessen hält. Wie stark und wann ein Vermieter die Miete anheben darf, liegt neben gesetzlichen und politischen Vorgaben auch an der Ausgestaltung des Mietvertrags.
Nach Beobachtung des Deutschen Mieterbundes setzen Vermieter zunehmend - besonders in den Ballungsräumen - auf sogenannte Indexmietverträge. Mit diesen können regelmäßige Mieterhöhungen durchgesetzt werden, die sich an der Höhe der Inflationsrate orientieren.
Diese Form der Verträge gibt es schon länger, und solange die Teuerungsrate moderat war, gab es mit ihnen auch kein großes Problem. Doch die seit dem Sommer 2021 stark steigende Inflationsrate hat die Lage grundlegend verändert. Indexmieten werden seitdem immer teurer und teurer, und die Rufe nach einer Regulierung immer lauter.
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Was sind Indexmietverträge?
Bei diesen speziellen Mietverträgen können Vermieter die Miete jährlich erhöhen - sie müssen es aber nicht. Entscheidend für Erhöhungen ist der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes. Steigt dieser Index, weil Produkte teurer werden - so wie beispielsweise durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine - steigt auch die Miete, wenn Vermietende dies einfordern.
Bei einer hohen Inflation wie derzeit und einer größeren Wohnung können so schnell Mieterhöhungen um die 150 Euro pro Monat zustande kommen. Bei niedriger Inflation fallen Steigerungen hingegen moderat aus.
Was ist der Verbraucherpreisindex?
Die Möglichkeit, die Miete bei Indexmietverträgen zu erhöhen, ist an den Verbraucherpreisindex gekoppelt. Dieser orientiert sich an den Preisen von knapp 700 Gütern, die den sogenannten Warenkorb ausmachen. In der Regel wird die Gewichtung und Zusammensetzung dieses Warenkorbs alle fünf Jahre überprüft und angepasst.
„Der Verbraucherpreisindex misst monatlich die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte in Deutschland für Konsumzwecke kaufen“, erklärt Karsten Sandhop vom Statistischen Bundesamt. Die Mieten seien dabei „ein großer Block“. Auch Nahrungsmittel und Energie seien „große Schwergewichte, die die Preisentwicklung beeinflusst haben und beeinflussen“.
Die Veränderung des Verbraucherpreisindex zum Vorjahresmonat wird als Teuerungs- oder Inflationsrate bezeichnet. Diese ist nun schon seit Längerem für deutsche Verhältnisse sehr hoch: 2022 stieg sie im Vergleich mit dem Vorjahr um 7,9 Prozent, im Juni 2023 bewegte sie sich noch immer bei 6,4 Prozent. Sie wird unter anderem derzeit von hohen Nahrungsmittelpreisen getrieben.
Wie häufig sind Indexmieten?
Es existieren keine validen Zahlen zu der Frage, wie viele Indexmietverträge es in Deutschland gibt. Laut dem arbeitgebernahen „Institut der Deutschen Wirtschaft“ haben gerade einmal 2,2 Prozent der deutschen Mieterinnen und Mieter eine Indexmiete vereinbart, das Institut spricht von einem „Nischenprodukt“ auf dem deutschen Wohnungsmarkt.
Der Deutsche Mieterbund sieht in Indexmietverträgen hingegen ein zunehmendes Problem. In großen Städten ist nach seinen Berechnungen inzwischen fast jeder dritte neuabgeschlossene Vertrag an einen Index gekoppelt, in Hamburg jeder zweite. Und in Berlin sollen demnach bereits bis zu 70 Prozent der Neuverträge betroffen sein.
Welche Vor- und Nachteile gibt es bei Indexmieten für Mieter und Vermieter?
Die Vorteile für Vermieter liegen auf der Hand: Sie können die Miete - zumindest in der Regel - jährlich erhöhen. Und das Verfahren ist einfach: Andere gesetzliche Möglichkeiten, mehr Miete zu verlangen, sind komplizierter und schwerer umzusetzen.
Indexmietverträge können deswegen für Vermieterinnen und Vermieter eine pragmatische Option sein – etwa, wenn auf dem Land kein Mietspiegel vorliegt oder es keine vergleichbaren Wohnungen in der Nachbarschaft gibt, an deren Mieten sich die eigene orientieren kann.
Die Vermieter müssen Mietsteigerungen bei der Koppelung des Vertrags an den Verbraucherpreisindex nicht ausführlich begründen - und solange es Inflation gibt, darf auch die Miete dementsprechend steigen. Gerade in Zeiten hoher Inflation ist die Indexmiete für Vermieter deshalb attraktiv.
Sinkende Miete bei Deflation - doch die ist selten
Doch was für die Vermieter passt, kann für Mieter ein großes Problem werden. Gut ist für Mieter ein Indexmietvertrag nur dann, wenn die Preissteigerungen niedrig ausfallen. Bei einer Deflation – dem Rückgang des allgemeinen Preisniveaus - kann die Miete sogar sinken. Doch eine Deflation ist sehr selten.
Weil die Inflation in Deutschland gering war, hatte der Deutsche Mieterbund lange nichts an Indexmietverträgen auszusetzen. Sie waren aus seiner Sicht für Mietende sogar vorteilhaft, weil sie vor kräftigeren Mieterhöhungen schützten.
Tatsächlich dürfen beispielsweise Modernisierungskosten bei Indexmietverträgen in der Regel nicht auf die Mietenden umgelegt werden. Es sei denn, eine Modernisierung ist gesetzlich vorgeschrieben. Das wäre zum Beispiel beim viel diskutierten Gebäudeenergiegesetz der Fall. Hier hat die Ampel-Koalition aber beschlossen, dass der Vermieter die Kosten für einen Heizungstausch allein tragen muss, wenn eine Indexmiete vereinbart wurde.
Welche Kritik gibt es an der Indexmiete?
Indexmietverträge sind umstritten, weil unter bestimmten Bedingungen die Miete sehr stark steigen kann. Rolf Bosse, Vorsitzender des „Mietervereins zu Hamburg“, ist sogar überzeugt davon, dass die Verträge auch schon in Zeiten geringer Inflation für Mieterinnen und Mieter schlecht waren.
Er kenne keinen Fall, bei dem die Indexmiete Mietenden etwas gebracht habe, betont Bosse: „Wir haben möglicherweise einen weniger starken Anstieg, wenn wir zwei Prozent Inflation pro Jahr haben. Aber wir haben immer die Ausgangsmiete zu beachten. Und die Ausgangsmiete ist nun einmal häufig oder immer - in allen Fällen, die ich kenne - höher als die ortsübliche Vergleichsmiete. Sodass ich also mithilfe der Indexklausel eine sehr hohe Miete weiterhin hoch halte. Da profitiert kein Mieter davon.“
"Sachfremd und ungerecht"
Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert findet die Indexmiete schlicht ungerecht: „Die Mieten bei Indexmietverträgen steigen, weil Sprit teurer geworden ist, weil Autos teurer werden, weil Badehosen und Joghurts in Deutschland teurer werden. Aber nicht, weil mein Vermieter plötzlich höhere Kosten hätte, die Wohnung zur Verfügung zu stellen. Diese sachfremde Mieterhöhung ist eine mehr als ungerechte.“
Kritiker verweisen auch darauf, dass die in der Regel jährlich steigenden Indexmieten in den Mietspiegel einfließen und auf diese Weise die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete erhöhen. Diese ist wiederum entscheidend dafür, um wie viel die Miete bei herkömmlichen Verträgen erhöht werden darf. Das heißt: Indexmieten sorgen mit dafür, dass das allgemeine Mietniveau steigt.
„Haus und Grund“ verteidigt die Indexmiete
Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ hat mit der Indexmiete hingegen kein Problem und verteidigt sie. „Weil wir jetzt gerade mal zwei Jahre lang eine höhere Inflation hatten - was für Mieterinnen und Mieter nicht leicht ist, keine Frage - sollte man ein Instrument, das über Jahrzehnte für beide Seiten gut war, nicht gleich über Bord werfen“, sagt Verbandspräsident Kai Warnecke.
Gibt es politische Bestrebungen, die Indexmiete abzuschaffen oder zu reformieren?
Indexmietverträge sind inzwischen politisch stark umstritten. Der Deutsche Mieterbund sieht in ihnen ein echtes Problem und fordert wegen der drastisch gestiegenen Inflationsrate, neue Indexmietverträge zu verbieten und bereits bestehende über eine Kappung zu regulieren. Mieten sollten höchstens um einen bestimmten Prozentsatz pro Jahr steigen. Der rot-grüne Hamburger Senat hat in einer Bundesratsinitiative zur Begrenzung des Anstiegs von Indexmieten eine maximale Steigerung von 3,5 Prozent pro Jahr vorgeschlagen.
Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sieht „großen Veränderungsbedarf“ bei der Indexmiete. Forderungen nach einer Reform kommen aus der SPD, von Grünen und der Linken. Auch die Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer haben ihren Kollegen auf der Bundesebene, Marco Buschmann, aufgefordert, „die Einführung einer wirksamen dämpfenden Regelung für die Erhöhung von Indexmieten zu prüfen“. Online-Petitionen laufen, um Indexmietverträge zu beschränken oder ganz zu verbieten.
Die FDP sieht keinen Regulierungsbedarf
Doch ob all diese Bemühungen Erfolg haben, ist momentan fraglich – denn Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht keinen Regulierungsbedarf. Seiner Ansicht nach haben Mieterinnen und Mieter bisher auch von Indexmietverträgen profitiert. Und deswegen könne man jetzt auch kein „Cherrypicking“ betreiben, meint Buschmann - „und sagen: Solange die Sonne scheint, dürfen das alle wählen.“ Das Instrument in dem Moment zu verbieten, wenn die Teuerungsrate stärker steige, sei „unfair“ und „unvernünftig“.
Er halte den Zeitpunkt der Debatte für zu früh, sagte Buschmann beim „Tag der Immobilienwirtschaft“. Er schloss allerdings auch nicht grundsätzlich aus, bei Indexmieten nachzusteuern – allerdings erst nach „einer Phase vieler, vieler Jahre mit sehr, sehr hoher Inflation“: „Dann wird man sich das natürlich nochmal anschauen müssen.“
Mietern bleibt nur das Prinzip Hoffnung
Wie bei vielen anderen politischen Fragen auch ist die Ampel-Regierung bei einer möglichen Reform der Indexmiete gespalten: SPD und Grüne stehen auf der einen, die FDP auf der anderen Seite. Eine Einigung scheint nur schwer möglich. Mieterinnen und Mietern mit Indexmietverträgen bleibt derzeit nur die Hoffnung, dass die Inflationsrate wieder sinkt und die nächste Mieterhöhung nicht so drastisch ausfällt.
Panajotis Gavrilis, ahe