Indiens Bollywood-Superstar Sha Rukh Khan hat gerade seinen 50. Geburtstag gefeiert. Er macht sich Sorgen um sein Land.
"Wenn wir weiter über Religion streiten, verabschieden wir uns ins Mittelalter. Es gibt nichts Schlimmeres als religiöse Intoleranz. Das ist einfach nur schockierend und bringt kein Land auf der Welt nach vorne."
Gewalt gegen Kunst und Künstler. Übergriffe auf religiöse Minderheiten. Brutale Morde aus religiösen Gründen. Die Ereignisse der vergangenen Monate zeigen ein Indien mit einer hässlichen Fratze. Ende September knüppelte ein rasender Hindu-Mob einen muslimischen Dorfschmied zu Tode, nachdem er fälschlicherweise beschuldigt worden war, Rindfleisch gegessen zu haben. Kühe sind für gläubige Hindus heilige Tiere, viele Bundesstaaten verbieten Schlachtung und Konsum. Die Regierung diskutiert ein nationales Schlachtverbot.
"Hindus verwandeln sich in Dschihadisten. Darum erhebe ich meine Stimme", sagte wenig später die weltbekannte Autorin Nayantara Saghal im Interview mit dem ARD-Hörfunkstudio Südasien. Sie gehörte zu den ersten, die aus Protest einen wichtigen Preis zurückgab. Mehr als 100 andere sind ihr gefolgt. Filmemacher, Schauspieler, Wissenschaftler.
Es gehe um mehr als Intoleranz. Nayantara Saghal wirft der Regierung vor, bewusst "Hass auf Andersdenkende" zu schüren, um aus dem multireligiösen und multikulturellen Indien einen Hindu-Staat zu machen. Die Angeklagten reagieren zunehmend gereizt. Giriraj Singh, Minister für den Mittelstand und Kleinbetriebe, ließ sich zu diesem Wutausbruch hinreißen.
"Uns darf man einfach so sagen, dass es keinen Unterschied zwischen Ziegen- und Rindfleisch gibt. Aber sagt man auch den anderen, dass es keinen Unterschied zwischen Schweinefleisch und Ziegenfleisch gibt?" Er sei ein stolzer Hindu, der seine Religion nicht verleugnen werde.
Die religiös-konservative Hindu-Partei BJP von Premierminister Narendra Modi versucht gerade, eine entscheidende Wahl im Bundesstaat Bihar zu gewinnen, um im Oberhaus des indischen Parlaments zu punkten. Dort stecken viele wirtschaftliche Reformvorhaben fest, weil sie vom Lager der abgewählten Kongress-Partei blockiert werden, die Indien seit der Unabhängigkeit fast durchgehend regiert hat. Die Stimmung ist aufgeheizt. Alle Parteien spielen die religiöse Karte. Während der Kongress einen Marsch für die Toleranz inszeniert, absolviert Premier Modi einen feurigen Wahlkampfmarathon. Seine Leib- und Magenthema ist eigentlich die wirtschaftliche Entwicklung, doch er verlässt den Pfad.
Er erinnert die Kongress-Partei daran, dass es auch unter ihren Regierungen Pogrome gegen Minderheiten gegeben habe. Namentlich erwähnt er die brutale Verfolgung der Religionsgemeinschaft der Sikhs nach der Ermordung Indira Gandhis 1984. Dann holt Narendra Modi zum Schlag aus: "Und ausgerechnet diese Partei will uns über religiöse Toleranz aufklären? Schämt Euch. Wie könnt ihr es wagen? Es steht euch nicht zu, uns zu verhöhnen."
Indiens Regierung begreift die laufende Toleranz-Debatte als billige Schmierenkampagne des politischen Gegners. Es sei unmoralisch, der Regierung einzelne Vorfälle wie die Ermordung des Dorfschmieds anzulasten. Es herrsche ein Klima des Friedens. Die BJP und Narendra Modi seien ein Opfer ideologischer Intoleranz, betont der mächtige Finanzminister Arun Jaitley.
Premierminister Modi und seine Partei tragen öffentlich nur wenig dazu bei, radikale Hindus, die öffentlich einen Hindu-Staat Indien fordern, energisch in die Schranken zu weisen. Rund 80 Prozent der Inder sind Hindus. Die Muslime sind die größte religiöse Minderheit.