Noch sind die US-Sanktionen gegen den Iran nicht in Kraft getreten, doch schon die Ankündigung der Maßnahmen, die US-Präsident Trump nach dem Ausstieg aus dem Iran-Atom-Deal beschlossen hat, bringt die indische Regierung in Bedrängnis.
Der Iran ist für Indien ein wichtiger Wirtschaftspartner, insbesondere im Energie-Sektor. Seit der Aufhebung der US-Sanktionen unter der Obama-Administration entwickelte sich der Iran zum drittgrößten Öllieferanten für die indische Wirtschaft. Allein vor diesem Hintergrund dürften die US-Sanktionen schmerzhafte Auswirkungen auf die indische Wirtschaft haben, sagt Professor Girijesh Pant, von der Nehru-Universität in Delhi:
"Ein wichtiger Punkt sind unsere Ölimporte aus dem Iran, aber es geht auch um Gas. Wir wollen auf saubere Energiequellen umsteigen, dabei spielt Gas eine wichtige Rolle und der Iran ist für uns ein bedeutender Lieferant."
"Wir akzeptieren keine einseitigen Maßnahmen eines Landes"
Die indische Regierung ist deshalb offenbar bereit, sich mit den USA in der Frage von Sanktionen gegen den Iran anzulegen. Indien werde den Forderungen der US-Regierung, nach einer Einstellung des Handels mit dem Iran, nicht Folge leisten, sagte Außenministerin Sushma Swaraj vor wenigen Tagen, bei einem Treffen mit ihrem iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif in Delhi:
"Wir haben deutlich gemacht, dass wir nur UN-Sanktionen befolgen werden, wir akzeptieren keine einseitigen Maßnahmen eines einzelnen Landes. Als die USA das letzte Mal Sanktionen gegen den Iran verhängt haben, haben wir unseren bilateralen Handel auch fortgesetzt."
Erst Anfang des Jahres hatten Indien und der Iran mehrere Verträge unterzeichnet, um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu verstärken. Seit dem Ausstieg der USA aus dem Iran-Atom-Deal haben die angekündigten US-Sanktionen und ihre Konsequenzen eine breite politische Diskussion in Indien ausgelöst.
Wichtiger Öl-Konzern will sich dem US-Druck fügen
Indien müsse seine Unabhängigkeit gegenüber anderen Großmächten erhalten, forderte Rajiv Dogra, ein früherer indischer Diplomat, in einer Diskussionsrunde im indischen Fernsehen. Indien habe schon in der Vergangenheit eine wichtige Rolle gespielt, um die Gesprächs-Kontakte zwischen dem Westen und dem Iran aufrechtzuerhalten, sagte Dogra:
"Die USA haben mit ihrem Schritt ihre Optionen in der Region stark eingeschränkt. Ihnen bleibt jetzt nur noch Pakistan als Gesprächspartner. Indien wiederum hat schon im Jahr 2000, als das letzte Mal Sanktionen gegen den Iran verhängt wurden, deutlich gemacht, dass Indien eine wichtige Rolle bei der Vermittlung mit dem Iran spielen kann. Die westlichen Staaten haben das damals verstanden und wir konnten unseren Handel mit dem Iran ohne negative Konsequenzen fortsetzen."
Diese Sichtweise wird jedoch von der indischen Wirtschaft nicht uneingeschränkt mitgetragen. Der indische Konzern, Reliance Industries, zu dem eine der weltweit größten Erdöl-Raffinerien gehört, hat bereits angekündigt, schon bald kein Erdöl mehr aus dem Iran zu verarbeiten, offenbar um Strafmaßnahmen der US-Regierung zu vermeiden.
Strategisch wichtige Hafen-Kooperation in Gefahr
Doch es sind nicht nur die indischen Öl- und Gasimporte, die durch die US-Sanktionen beeinträchtigt werden könnten. Indien ist am Bau eines großen Hafens in Chabahar, im Südosten des Iran beteiligt. Ein Projekt, das für Indien eine große strategische Bedeutung hat, das aber insbesondere durch die jahrelangen Sanktionen des Westens ausgebremst wurde. Über den Hafen in Chabahar will Indien eine Handelsroute nach Afghanistan aufbauen, weil der direkte Weg dorthin durch den verfeindeten Nachbarn Pakistan blockiert wird.
Ein Aus für das Hafenprojekt in Chabahar wäre die schlimmste Konsequenz der US-Sanktionen gegen den Iran, sagte der indische Kolumnist Uday Bashkar in der Diskussionsrunde im indischen Fernsehen:
"Chabahar hat eine strategische Bedeutung und auch eine wirtschaftliche. Wenn Indien dieses Projekt nicht weiter entwickeln kann, wäre das wirklich schlimm für unsere strategischen Interessen in der Region. Indien muss also sehr diplomatisch agieren, und die große Herausforderung dabei dürfte sein, dass wir uns nicht für eine Seite, den Iran oder die USA, entscheiden müssen."
Indien fordert konstruktive Lösung von Vertragsstaaten
Chabahar liegt nur rund 150 Kilometer entfernt vom pakistanischen Hafen Gwadar, an dem die Volksrepublik China beteiligt ist, im Rahmen ihrer Belt&Road-Politik, das heißt, dem Aufbau einer neuen Seidenstraße, die in diesem Fall vom indischen Ozean, quer durch Pakistan und Kaschmir, bis nach China führt.
Indien hat bereits rund 500 Millionen US-Dollar in dieses strategisch wichtige Projekt investiert und befürchtet nun, gegenüber dem Rivalen China an Einfluss in der Region zu verlieren.
Angesichts der bevorstehenden US-Sanktionen hat die indische Regierung alle an dem Iran-Atom-Deal beteiligten Staaten aufgefordert, eine konstruktive Lösung zu finden. Die Erwartungen dabei richten sich insbesondere an Europa.