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Indien im Wahlkampf
Spannungen zwischen Hindus und Muslimen nehmen zu

Der Streit um ein Stück Land eskaliert – wieder mal. Vor gut 25 Jahren zerstörten Hindunationalisten die Babri-Moschee in Ayodhya – es folgten Ausschreitungen mit tausenden Toten. Jetzt ist in Ayodhya wieder die Gewalt ausgebrochen. Der Konflikt ist in Indien zum Wahlkampfthema geworden.

Von Bernd Musch-Borowska |
    Zehntausende fordern auf einer Demo in Neu-Delhi am 9. Dezember 2018 den Bau eines Tempels zu Ehren des Hindu-Gottes Ram.
    Demonstranten in Neu-Delhi am 9. Dezember 2018 fordern den Bau eines Tempels zu Ehren des Hindu-Gottes Ram. (imago / Hindustan Times)
    Während Indiens Premierminister Narendra Modi offenbar deutlich an Rückhalt in der Bevölkerung verliert, heizen die radikalen hinduistischen Gruppierungen, die der Regierungspartei BJP nahe stehen, die religiösen Spannungen an.
    Am Wochenende haben bei einer Demonstration in Delhi zehntausende Menschen den Bau eines Hindu-Tempels in Ayodhya gefordert - an der Stelle, wo einst eine Moschee stand, bis diese 1992 von fundamentalistischen Hindus zerstört wurde, weil dies der Geburtsort des von den Hindus verehrten Gottes Ram sein soll. Der Streit um den Tempel beziehungsweise die Moschee wird seitdem vor Gericht ausgetragen.
    Die Babri Moschee in Ayodhya wurde im Dezember 1992 von fundamentalistischen Hindus zerstört.
    Die Babri Moschee in Ayodhya wurde im Dezember 1992 von fundamentalistischen Hindus zerstört. (picture alliance / ANN)
    Doch die hindu-nationalistischen Hardliner in Indien machen jetzt Druck. Der Staatsangestellte Ram Saini war einer der Einpeitscher bei der Demo am Sonntag:
    "Warum müssen die Muslime ausgerechnet an dieser Stelle eine Moschee haben? Dieser Ort hat für uns eine viel größere Bedeutung. Nicht nur die, auch wir können unsere Stärke zeigen und deutlich machen, wie wichtig das für uns ist. Wir werden für den Ram Tempel kämpfen, lang lebe Lord Ram."
    Warnung vor anti-muslimischer Gewalt
    Die vor rund 26 Jahren zerstörte Moschee in Ayodhya war im 16. Jahrhundert errichtet worden, während der Herrschaft der Moguln in Nordindien. Die Hindus behaupten, es gebe Beweise, dass zuvor ein Tempel an dieser Stelle gestanden habe. Die Zerstörung der Moschee im Jahr 1992 löste eine riesige Welle der Gewalt in Indien aus, bei der landesweit mehr als 2.000 Menschen getötet wurden.
    Im Januar will das Oberste Gericht Indiens eine Entscheidung fällen. Falls das Urteil nicht im Sinne der Hindus ausfalle, werde es erneut Gewalt geben, warnt Brijbhushan Saini, der Anführer der Hindu-Organisation Armee Gottes:
    "Wir sind hier zusammen gekommen, um der Regierung und dem Obersten Gericht deutlich zu machen, dass sie das öffentliche Interesse berücksichtigen sollten. Andernfalls werden die Leute gezwungen sein, das Recht in ihre eigene Hand zu nehmen. Und die Regierung und die Obersten Richter werden dann die Verantwortung dafür tragen müssen."
    Die Stimmung ist aufgeheizt
    Der Streit um den von den Hindus geforderten Neubau des Tempels in Ayodhya wird zum Wahlkampfthema bei den landesweiten Parlamentswahlen in Indien, die für Mai kommenden Jahres geplant sind. Bei Regionalwahlen in drei wichtigen Bundesstaaten, deren Stimmzettel noch nicht vollständig ausgezählt sind, hat Modis Regierungspartei BJP möglicherweise in zwei Staaten ihre Mehrheit verloren. Nach Umfragen des Fernsehsenders NDTV dürfte in Rajasthan und in Chattisgharr die von der einflussreichen Gandhi-Familie dominierte Kongress-Partei als Wahlsieger hervorgehen.
    In Uttar Pradesh, einem der bevölkerungsreichsten und somit besonders bedeutenden Bundestaat, regiert die hindu-nationalistische Partei BJP. Seit der Hindu-Priester Yogi Adityanath zum Premierminister gewählt wurde, nehmen anti-muslimische Gewaltaktionen deutlich zu.
    Der Premierminister von Uttar Pradesh, Yogi Adityanath, bei einer Wahlkampfveranstaltung der hindunationalistischen BJP in Kota, Indien, am 1. Dezember 2018.
    Der Premierminister von Uttar Pradesh, Yogi Adityanath, bei einer Wahlkampfveranstaltung der hindunationalistischen BJP in Kota, Indien. (imago / Hindustan Times)
    In Bulandshar, östlich von Delhi, waren in der vergangenen Woche gewalttätige Proteste ausgebrochen, nachdem es Gerüchte gegeben hatte, jemand habe Kühe getötet, die von den Hindus als heilige Tiere verehrt werden. Ein Polizist war getötet worden, als ein Mob versuchte, die Polizeistelle zu stürmen. Anuj Kumar Jha, ein Vertreter des Verwaltungsbezirks Bulandshar:
    "Das alles begann mit den Leuten, die die Kühe retten wollen und einer Menschenmenge, die zu Gewalt aufgestachelt wurde. Wir haben eine Untersuchung des Falles angeordnet und dabei wird alles ans Licht kommen."
    Premierminister in der Kritik
    Während der Premierminister von Uttar Pradesh, Yogi Adityanath, nur die angebliche Tötung der Kühe zum Thema macht und den Tod des von dem Mob getöteten Polizisten als Unfall bezeichnete, wird im indischen Fernsehen darüber berichtet, dass die Gewalt einen ganz anderen Hintergrund gehabt haben könnte. In Bulandshar habe es seit längerem Streit um Lautsprecher an der Moschee gegeben, über die die Muslime des Ortes zum Gebet gerufen werden, berichtete der Fernsehender NDTV. Einer der als Kuhmörder beschuldigten Muslime habe sich vehement dafür eingesetzt, dass die von Unbekannten gestohlenen Lautsprecher wieder an der Moschee installiert werden dürfen.
    Und der jetzt getötete Polizist, Subodh Kumar Singh, habe eine Untersuchung geleitet, gegen einen Hindu-Mob, der vor rund 3 Jahren einen Muslim wegen angeblicher Tötung einer Kuh gelyncht hatte. Abishek Singh, der Sohn des Polizisten rief zur Mäßigung auf:
    "Ich sage das nicht nur zu unserem Premierminister, sondern zu allen Indern. Hört auf mit dieser Gewalt. Die jungen Leute, also meine Generation, sollte nicht so schnell gewalttätig werden. Sie sollten die Dinge erst analysieren und verstehen. Und sie sollten das Gesetz nicht in die eigene Hand nehmen."
    Ob die angeheizte Stimmung der Regierungspartei BJP bei den bevorstehenden Wahlen im nächsten Jahr Aufwind geben wird oder das Gegenteil bewirkt, ist noch unklar. In der Frage des Tempelstreits in Ayodhya gerät der Premierminister zunehmend unter Druck, weil er sich aus Sicht seiner Anhänger nicht genügend für die Interesse der Hindus einsetzt. Und Angriffe radikaler Hindus auf angebliche Kuhschmuggler und Menschen, denen der verbotene Verzehr von Rindfleisch vorgeworfen wird, haben Medienberichten zufolge seit Modis Amtsübernahme im Jahr 2014 deutlich zugenommen.