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Indien
Mücken als Gefahr für das Taj Mahal

Ein sterbender Fluss, das interessiert in Indien nur die, die direkt am Wasser leben. Aber nun ist das Taj Mahal, das Wahrzeichen Indiens, bedroht. Millionen Insekten – ihrer natürlichen Feinde im Fluss entledigt - schwirren allabendlich aus und lassen sich auf den Mamorblöcken des Mausoleums nieder. Mit sichtbaren Folgen.

Von Udo Schmidt |
    Touristen besichtigen das Taj Mahal in Agra
    Das Taj Mahal in Agra (dpa / picture alliance / MAXPPP)
    Eine Herde Wasserbüffel durchquert schnaubend ein schmales Rinnsal, das in den Yamunafluss mündet. Im Hintergrund leuchtet das Taj Mahal, das indische Symbol der Liebe. Es könnte eine wunderbar romantische Szene sein, die sich am Rande der Stadt Agra abspielt, es könnte. Denn das Rinnsal, durch das die Büffel waten, ist schwarz und völlig verdeckt, der Yamuna dahinter sieht nicht besser aus. Nadim treibt seine 20 Büffel weg vom Fluss auf das Feld neben seiner Hütte:
    "Es ist alle so dreckig, so viel Müll. Es muss etwas passieren, aber es ändert sich nichts."
    Der Yamuna-Fluss ist praktisch tot, Fische überleben hier keine mehr, seit das letzte noch halbwegs klare Wasser über Dämme und Kanäle auf Felder und in betriebliche Kühlsysteme abgezweigt wird und immer mehr Abwässer direkt in den Yamuna geleitet werden. Afsana wohnt in einer kleinen Hütte direkt am Fluss, nur hundert Meter vom Ufer entfernt. Gerade rührt sie Mörtel an, um einen weiteren Raum anzubauen:
    "Während der Regenzeit ist es besonders furchtbar, dann kommt der ganze Dreck in unser Haus. Wir versuchen alles sauber zu halten, was können wir sonst tun."
    Afsana Mann Safruddin sitzt einige Meter entfernt und ruht sich aus:
    "Wir haben doch nur diese zwei großen Flüsse, den Yamuna und den Ganges, wenn die dreckig sind, dann werden wir alle krank. Wir trinken doch das Wasser aus dem Fluss."
    Ein sterbender Fluss, das interessiert in Indien nur die, die direkt am Wasser leben. Aber nun ist das Taj Mahal, das Wahrzeichen Indiens, dadurch bedroht. Millionen Insekten – ihrer natürlichen Feinde im Fluss entledigt, schwirren allabendlich aus und lassen sich auf den Mamorblöcken des Mausoleums nieder. Die Folge: der Marmor färbt sich grün, von den Ausscheidungen der kleinen Viecher. Amit Kulshreshta ist Lokaljournalist und hat vor einigen Wochen die Geschichte um den langsamen grünen Tod des Taj Mahal ins Rollen gebracht:
    "Ich habe mit vielen Biologen gesprochen, sie alle sagen, es liege an der kompletten Verschmutzung des Flusses. Das ist nur noch Abwasser, seit Jahren schon. Aber diese Insekten tauchen jetzt das erste Mal auf. Ein Labor hat die Insekten untersucht und herausgefunden, dass sie den hohen Phospatgehalt im Wasser schätzen und Hitze bis 45 Grad aushalten. Das sind hier ideale Bedingungen für diese Insekten."
    Reinigen des Marmors ist schwierig
    Der sensible Marmor kann nur äußerst vorsichtig gereinigt werden, sonst - ist der Glanz weg. Damit das Taj Mahal also seine Strahlkraft nicht verliert, wird versucht, die in den porösen Stein eingedrungene Insektenhinterlassenschaft vorsichtig zu entfernen, erklärt der Chefarchäologe Bhuvan Vikram:
    "Wir reinigen die Oberfläche, indem wir den Schlamm auftragen und ihn trocknen lassen. Dadurch wird der Schmutz aus dem Marmor herausgezogen."
    Ob das gelingt, ist derzeit noch fraglich. Ob es überhaupt sinnvoll ist, ist noch fraglicher. Solange der Fluss, der Yamuna, der direkt hinter dem Taj Mahal kaum noch fließt, aber dafür umso mehr stinkt, solange der Yamuna tot bleibt und damit eine ideale Brutstätte für alle Insekten darstellt, lässt Sisyphos grüßen. Also haben Umweltschützer jetzt eine Klage eingereicht, mit der die Regierung gezwungen werden soll, den Fluss zu renaturieren.
    Am Taj Mahal herrscht währenddessen wie jeden Tag Hochbetrieb, vier Millionen Touristen besuchen das Grabmal jedes Jahr, es sind zunehmend indische Urlauber, die ihr Heiligtum von Nahem sehen wollen:
    "Menschen aus aller Welt kommen, um das Symbol der Liebe zu sehen, wir sind sehr stolz darauf, es ist so ein wunderbarer Platz – das Wunder Indiens."
    Ja, sagen die Mitglieder dieser Familie, das sei schon schlimm mit dem verschmutzten Fluss, erst recht, wenn nun das Mausoleum direkt bedroht sei:
    "Die Umweltverschmutzung ist ein großes Problem, wenn es so weitergeht, dann wird das Taj Mahal zerstört."
    Aber solchen Aussagen folgt immer wieder der Fingerzeig in Richtung Delhi, in die Hauptstadt: Die da sind schuld, was könne man schon tun. Vielleicht dafür sorgen, dass nicht noch mehr Müll in den Fluss geschwemmt wird?
    Ein renaturierter Fluss könnte Touristen anziehen
    Govinda Gupta betreibt ein kleines Restaurant an einem staubigen Weg. An einem der vier Tische sitzt ein japanisches Paar - Touristen, die immerhin für eine paar Stunden in Agra bleiben. Die meisten kehren der Stadt sofort nach dem Taj Mahal Besuch den Rücken, klagt Govinda wie viele andere aus der Tourismusbranche – und er hat konkrete Verbesserungsvorschläge:
    "Wenn man den Fluss auf einer Länge von fünf Kilometern sperren und reinigen würde, dann könnten dort Boote fahren, die Touristen würden das Taj Mahal ganz neuentdecken. Viele hier könnten Geld verdienen, weil die Urlauber dann eine Woche lang in Agra bleiben würden."
    Bootstouren auf dem Yamuna mit Blick auf das Marmor-Mausoleum, das entspricht zwar nicht ganz den Renaturierungs-Vorstellungen der Umweltschützer, aber es könnte ein Weg sein, die Menschen in Agra davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, den Fluss zu retten. Wenn der Fluss lebt, geht es dem Taj Mahal gut – und dann boomt der Tourismus, so oder ähnlich könnte das Umweltmotto lauten, das Puristen wohl abschreckt, aber die Zukunft kommender Generationen in Indien retten helfen könnte.