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Indien unter Narendra Modi
Religiöser Nationalismus auf dem Vormarsch

Es ist Halbzeit für Narendra Modi in Indien: 2014 wurde er Premierminister des multireligiösen Landes. Modi und seine Partei BJP gelten als Vertreter eines indischen Religions-Nationalismus. Kurz gefasst: Indien den Hindus. "Dieser Religions-Nationalismus ist deutlich mehr Nationalismus als Religion“, sagte "Zeit"-Korrespondent Jan Ross im Deutschlandfunk.

Jan Ross im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Eine Statue der indischen Gottheit Ganesha
    Eine Statue der indischen Gottheit Ganesha. (AFP / Indranil Mukherjee)
    Jan Ross, Korrespondent der Wochenzeitung "Die Zeit" lebt seit Jahren in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi. Als Religions-Experte fragt er sich: Wie hat sich seit dem Sieg der BJP und Modis der interreligiöse Dialog entwickelt? Denn der Hinduismus ist zwar eine jahrtausendealte Religion, die Politisierung und Nationalisierung dieser religiösen Tradition sei aber ein junges Phänomen. "Das ist nicht aus einer inneren Entwicklung heraus entstanden, sondern in Anlehnung an den europäischen homogenen Nationalstaat, eine fremde und importierte Angelegenheit."
    Die religiöse Tradition Indiens sei extrem plural, meint Ross. Viele hinduistische Epen seien in unterschiedlichen Fassungen und Sprachen überliefert. Aber auch die religiöse Praxis im Alltag sei vielfältig. "Der indische Polytheismus ist so etwas wie ein selektiver Monotheismus. Die Gläubigen suchen sich selbst die Gottheiten aus dem religiösen Angebot aus, die ihnen persönlich die am meisten einleuchten." Diese Vielfalt nationalistisch auf Linie zu trimmen, sei unlogisch, meint Ross. "Indien hat weiterhin einen kulturellen und religiösen Pluralismus von hohen Graden. In einem Land von dieser Diversität ist es komplett unmöglich, mit einer ideologischen Agenda durchzuregieren."
    Viele religiöse Inder vermissen die religiöse Identität des Staates
    Woher aber stammt dieser moderne hinduistische Nationalismus? Die Gründungselite der indischen Demokratie - auch der erste Ministerpräsident des Landes, Jawaharlal Nehru - konnte mit Religion wenig anfangen, erläutert Ross. Daher hätten viele religiöse Inder das Gefühl, dieser Staat spiegele diese kulturelle Identität nicht richtig wider. Allerdings, ergänzt Ross: "Die Grundentscheidung, dass man Indien keine hinduistische religiöse Identität gegeben hat, war richtig. Denn wenn man es gemacht hätte, dann wäre Indien ein hinduistisches Pakistan geworden."
    Der frühere indische Ministerpräsident Jawaharlal Nehru – aufgenommen am 3. März 1959.
    Wollte ein säkulares Indien: Der frühere indische Ministerpräsident Jawaharlal Nehru – aufgenommen am 3. März 1959. (picture alliance / Homai Vyarawalla)
    Betroffen von der hindunationalistischen Ideologie sind besonders die religiösen Minderheiten, nicht zuletzt die über 160 Millionen Muslime des Landes. Indien sei nicht auf dem Weg zu einem anti-muslimischen Apartheidstaat, meint Jan Ross, aber die Muslime würden sich mehr und mehr vom Staat entfremden.