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Indiens Schuhindustrie
Wechsle Deine Schuhe

Niedrige Löhne, hohe Risiken für die Beschäftigten: In der indischen Schuhindustrie herrschen teils desolate Arbeitsbedingungen. Ein Aktivist will das ändern und wirbt bei europäischen Unternehmen und Konsumenten um Aufmerksamkeit.

Von Benjamin Dierks |
    Schuhe stehen auf einem Förderband, im Hintergrund arbeiten Hände an einem Schuh.
    In der indischen Schuhindustrie herrschen teils desolate Arbeitsbedingungen. Europa ist Hauptimporteur der in Asien produzierten Schuhe. (imago stock&people)
    Gopinath Parakuni hat an einem Stand auf dem Kirchentag in Berlin eine Besucherin ins Gespräch verwickelt. In der Hand hält er das Foto eines Mannes in Indien, der sich mit nacktem Oberkörper über eine große, feucht durchtränkte Lederhaut beugt.
    "In den Gerbereien werden viele giftige Chemikalien verwendet, das schadet den Arbeitern und der Umwelt. Die überschüssigen Chemikalien werden nicht angemessen entsorgt. Sie fließen ins öffentliche Abwassersystem und sickern ins Grundwasser. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken und Gerbereien sind sehr schlecht, die Löhne sehr niedrig, Sicherheitskleidung und Schutzvorrichtungen fehlen. Das Risiko für Arbeiter und Umwelt ist also sehr hoch."
    Europa ist der Hauptimporteur
    Gopinath Parakuni kämpft mit der Initiative CIVIDEP für bessere Arbeitsbedingungen in der indischen Schuhindustrie und das Recht der Arbeiter, sich in Gewerkschaften zu organisieren. 87 Prozent der weltweiten Schuhproduktion findet in Asien statt. Indien ist nach China das zweitgrößte Produktionsland. Vor allem in der für die Lederproduktion bekannten Stadt Ambur im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu werden Kritikern zufolge systematisch Arbeitsrechte und Umweltschutzbestimmungen verletzt. Auch deutsche Unternehmen kaufen hier ein. Europa ist Hauptimporteur der in Asien produzierten Schuhe. Deswegen hat Gopinath Parakuni sich auf den Weg gemacht, um hiesige Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen und bei Konsumenten um Aufmerksamkeit zu werben.
    "Die Markenunternehmen machen den größten Profit und sie haben die größte Macht. Ihre Zulieferer sind abhängig von ihnen. Deswegen haben die Schuhmarken die Möglichkeit, Änderungen in der Lieferkette durchzusetzen, höhere Löhne für die Arbeiter, mehr Sicherheit und bessere Gesundheitsversorgung, und eine Verringerung der Umweltverschmutzung."
    Parakuni reist derzeit durch mehrere europäische Länder, um die Arbeitsbedingungen in der indischen Schuhindustrie anzusprechen. "Change your shoes" – wechsele deine Schuhe – haben die Aktivisten ihre Kampagne getauft. Parakuni kritisiert, dass sich bisher kaum nachvollziehen lasse, wo Unternehmen produzieren und ob ihre Produzenten und Zulieferer Menschenrechte und Umweltschutz beachten. Unterstützt wird er von der entwicklungspolitischen Organisation INKOTA. Deren Vertreter Berndt Hinzmann fordert Schuhunternehmen auf, ihre Zulieferer offenzulegen.
    "Deswegen machen wir stärker Druck auf Unternehmen wie Deichmann, wie Birkenstock, wie Prada, Bata und so weiter."
    Die kritisierten Unternehmen zeigten auf Anfrage grundsätzlich Bereitschaft, mit der Kampagne zusammenzuarbeiten. Die Deichmann-Gruppe gab bekannt, dass sie die verschiedenen Interessengruppen auf Nachfrage über Details informiere, sofern sie nicht wettbewerbsrelevant seien.
    Wie gelingt mehr Transparenz?
    "Hinweise auf mögliche Schwachpunkte – von wem auch immer – verfolgen wir konsequent und erzielen damit gute Ergebnisse", heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens. Deichmann habe zudem einen Verhaltenskodex und sei Mitglied mehrerer Wirtschaftsinitiativen, um die Qualität der Lieferkette zu verbessern.
    Auch Birkenstock zeigte Sympathie, sieht sich aber zu Unrecht kritisiert. In der Stellungnahme des Unternehmens heißt es:
    "Wir sind eine der wenigen Marken der globalen Schuh- und Bekleidungsindustrie, die ihre Produkte noch weitgehend selbst herstellen. Unser Kernprodukt Sandale wird in Deutschland unter den besten Bedingungen in unseren eigenen Produktionsstätten gefertigt."
    Rohstoffe wie Jute, Kork und Leder bezieht das Unternehmen allerdings aus dem Ausland. Es sei für Unternehmen schwierig, den Überblick über ihre Zulieferer zu behalten, heißt es bei Birkenstock.
    "Vielfach übertragen die Lohnfertiger ihrerseits Teile der Produktion an lokale Auftragnehmer, die ihrerseits wiederum Aufträge an Zulieferer weiterreichen. Spätestens auf der dritten Ebene verlieren sich dann die Spuren. Unter diesen Bedingungen Transparenz über die gesamte Lieferkette hinweg herzustellen, ist nahezu unmöglich."
    Dieses Argument lässt der indische Aktivist Gopinath Parakuni allerdings nicht gelten.
    "Es stimmt schon, dass die Lieferkette komplex ist, aber es ist trotzdem nicht schwierig, sie abzubilden. Wir haben bereits versucht, Lieferketten nachzuzeichnen und selbst die beteiligten Unternehmen haben eingeräumt, dass es nicht so schwierig ist, wie sie es sich vorgestellt haben. Wenn sie wirklich wollen, können sie die guten Beziehungen zu ihren direkten Zulieferern nutzen und die Lieferkette zurückverfolgen."