Musik: "Sunny love Song"
Bob Mould wurde 1960 in Malone/New York geboren. Seit 1979 lebt er von Musik. Er spielt immer noch in vielen Ländern in größeren Clubs mit einer Kapazität von Tausend-Plus. Es gab sechs Alben mit der Hardcore Punkband Hüsker Dü, fünf mit der Band Sugar und bisher neun Soloplatten. Das ganz neue Werk heißt "Sunshine Rock", und es sprudelt vor Lebensfreude.
Bob Mould: "Der Albumtitel "Sunshine Rock" und das Feeling der Platte ist nicht ironisch gemeint. Was viele langjährige Fans vielleicht denken könnten. Sie werden sich fragen: "Was ist das mit dem Sonnenschein, vom dem Bob spricht?" Die letzten beiden Alben waren schwermütig. Dieses Werk war ein bewusster Versuch positiv zu denken, und die Stimmung aufzulockern. Ich habe meine beiden Eltern in der Zeit der Entstehung der letzten zwei Platten verloren. Das war eine seelische Belastung. Also wollte ich nun positive Aspekte meines Lebens zum Ausdruck bringen."
Musik: "Sunshine Rock"
Bob Mould hat in verschiedenen Städten in Amerika gelebt und gearbeitet. Wegen seiner ersten Band Hüsker Dü gilt er für viele immer noch als ein "Indie -Musiker aus Minnesota", aber er war lange Zeit auch in New York, in Washington DC und in San Francisco bevor er vor drei Jahren nach Berlin gezogen ist. Dort fühlt er sich sehr wohl.
Keine schöpferische Pausen
"In Berlin zu sein, hat sich für mich als ein Wiederaufbauprozess erwiesen. Ich liebe die kulturelle Lebendigkeit der Stadt. Ich kenne Leute von früher aus der Musikszene, habe auch neue Freunde dazugewonnen und lebe ein normales Leben. Ich stehe auf, gehe ins Fitness Studio, arbeite, treffe Freunde, gehe spazieren. Der Tapetenwechsel ist gut für mich gewesen. Mein Deutsch ist leider immer noch nicht so doll. Ich kann immer noch nicht gut sprechen. Verstehen und Lesen geht eher. Es ist wie ein kleines Abenteuer. Berlin hat eine bewegende, schwere Geschichte, und ich kenne Leute, die es merkwürdig finden, dass ein solches optimistisches neues Album ausgerechnet hier entstehen könnte. Aber es hat für mich seine Richtigkeit. Ich habe doch eine tolle Zeit hier."
Musik: "Sin King"
Wenn man knapp 40 Jahre lang Musik macht, würde man vermuten, dass man mal eine Schreibblockade bekommt. Aber Mould hat nie längere schöpferische Pausen eingelegt, und er hat sich nie davor gescheut, sich zu ändern.
"1988 war das erste Mal, dass ich mich künstlerisch völlig umgestaltet habe. Meine erste Band Hüsker Du wurde 1979 ins Leben gerufen. Anfang 88 trennte sich die Gruppe. Dann stand ich vor der Wahl: Sollte ich weiterhin das machen, was die Leute von mir erwarten? Oder sollte ich die Chance nützen, um meine Fähigkeiten zu optimieren, indem ich andere Klänge ausprobiere, und indem ich versuche aus einer anderen Perspektive zu schreiben? Das erste Soloalbum "Workbook" kam als ein Shock für viele. Es war das erste Mal, dass ich Cello eingesetzt habe. Das Feeling der Platte war herbstlich. Das war das erste Mal das ich eine andere Richtung eingeschlagen habe."
Musik: "Sinners & their repentance"
Es gab eine Phase in Bob Mould’s Leben, die alte eingefleischten Fans der erste Stunde niemals für möglich gehalten hätten: eine tiefgreifende Obsession für elektronische Musik.
Die Entdeckung der elektronischen Musik
"Anfang der 2000er Jahre trat die Gitarrenmusik bei mir in den Hintergrund. Ich lebte zu diesem Zeitpunkt in New York und entdeckte elektronische Musik. Ich besuchte ständig die Hipclubs der Zeit wie das "Deepdish". Dann zog ich nach Washington DC und war elf Jahre lang Elektro-DJ dort, unter dem Künstlernamen "Blowoff" Ich veröffentlichte auch das Album "Modulate". Die 2000er waren für mich eine interessante Zeit."
Musik: "Sunset safety Glass"
Bob Mould ist schon längst zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Die letzten vier Alben sind nun alle im weitesten Sinne Alternative- Gitarrenrock gewesen. Es gibt auf "Sunshine Rock" sogar stellenweise 70er-Jahre Einflüsse wie zum Beispiel im Lied "What do you want me to do".
"Es handelt von einer offenen Beziehung, von einer Person, die sich ein verrücktes Wochenende gönnt, dann kehrt die Person zum Nest zurück, aber es ist doch nicht ganz wie vorher. Es ist einfach eine kleine Geschichte, gerahmt in einem großen Siebziger Jahre-Riff."
Musik: "What do you want me do"
Bob Mould hatte schon Celloarrangements auf seinem ersten Soloalbum ""Workbook" 1989, aber nun hat er zum ersten Mal mit einem Orchester gearbeitet: Sechs Cellos, sechs Violinen, sechs Bratschen. Sein Wunsch sich künstlerisch zu erneuern und zu verbessern, lässt nicht nach.
"Man hat oft eine berechtige kritische Anmerkung über meine Arbeit gemacht und zwar hat man in etwa gemeint: "Wir lieben die hohe Dichte deiner Musik und die tief liegenden Wolken der Harmonien, aber manchmal nehmen wir die Melodien nicht richtig wahr". Also wollte ich was Neues versuchen. Für diese Platte hatte ich schon Keyboardmelodien parat, und ich dachte." Warum können wir nicht echte Streicher nehmen?" Eine Freundin von mir in Chicago spielt Cello, und sie hat mir bei der Orchesterpartitur geholfen."
Musik: "Lost faith"
Rockfans haben schon vor dreißig Jahren Bob Mould als Hardcore Punk abgestempelt. Das war auch schließlich sein Ausgangspunkt als Berufsmusiker. Aber es gab eine Zeit vor Hüsker Dü, und daher sind die Streicher auf der neuen Platte gar nicht so verwunderlich. Sie sind Einflüsse aus seiner Kindheit.
"Mitte der 60er-Jahre war ich fünf Jahre alt, und ich war von gebrauchten Jukeboxsingles umgeben. Das war mein Spielzeug. Die Musik war meine Rettung. Ich bin in einem ziemlich gewalttätigen Haushalt aufgewachsen. Es gab eine Menge Konflikte. Ich habe mich in die Musik vertieft, um zu überleben. Wenn man die grellen Farben des "Sunshine Rock"-Albumcovers sieht, wird ein Nostalgie-Feeling gleich vermittelt. Solche Plattencovers habe ich als Kind angeguckt, während ich Beatles- oder Beach Boys- Singles gehört habe. Meine Streicherarrangements auf der Platte sind von Produzenten wie George Martin, Brian Wilson, Phil Spector stark beeinflusst worden. Bei einem Song wie "Irrational poison" ist es besonders deutlich. Solche Arrangements sind also schon seit meiner frühsten Kindheit ein wichtiger Teil meiner DNA!"
Musik: "Irrational Poison"
Hüsker Dü ist eine einflussreiche Band der 80er-Jahre. Green Day hat Hüsker Dü gecovert. Als The Pixies eine Anzeige für einen Bassisten aufgaben, stand dort: "Band sucht neues Bandmitglied, das auf Hüsker Dü steht". Kris Novoselic von Nirvana sagte einmal: "Was Nirvana gemacht hat, war nichts Neues, Hüsker Dü hat es vorher gemacht". Dave Grohl von Foo Fighters sagte: "Ohne Hüsker Dü hätte es Foo Fighters nicht geben können."
Distanz vom Hardcore-Punk
"Was das Erbe der Band betrifft: Als das Album "New Day Rising" erschien, hatte Hüsker Du sogar zwei Alben in der Top 10 Jahresliste der New Yorker Wochenzeitung "Village Voice". Nun wussten wir, dass wir Spuren hinterlassen hatten. Im Anschluss kamen dann die mühsamen letzten beiden Jahre der Gruppe. Als wir anfingen, lebten wir einfach die Energie unserer Musik aus, aber dann fühlten wir uns irgendwann von den ungeschriebenen Gesetzen des Punks eingeschränkt. Wir dachten "Wer hat diese Regeln aufgestellt?" Wir distanzierten uns vom Hardcore-Punk und fingen damit an, die psychedelische und Pop Musik der 60er-Jahre zu erforschen, und sind entsprechend melodischer geworden. Die Songs wurden auch persönlicher. Dann haben wir schließlich erkannt, dass wir schon ein bisschen was Anderes zustande gebracht hatten."
Musik: "Pink turns to Blue"
"Historisch betrachtet wird das Konzeptdoppelalbum "Zen Arcade" 1984 als das wichtigste Werk gesehen. Ein Hardcore-Punk-Konzeptalbum war damals unerhört. Man hat uns Exzesse vorgeworfen. Die Songs bei Punk sollten nur eine Minute lang sein. Allerdings hat die Band Minutemen fast zeitgleich eine ähnliche Konzeptplatte gemacht. Unsere jeweiligen Hardcore-Projekte standen dann in Konkurrenz zueinander, fast wie "Sergeant Pepper's" von The Beatles und "Pet Sounds" von The Beach Boys damals. Ich finde das Hüsker Dü-Album "Flip your Wig" persönlich wichtiger als "Zen Arcade". Es war unser letztes Werk für das Indie Label SST, bevor wir zu Warner Bros. wechselten. Ich habe die Platte mit dem anderen Band-Songwriter Grant Hart produziert, und zum ersten Mal wurde unsere Vision Realität. Das war auch die glücklichste Zeit, die wir hatten. Wir ahnten, dass wir kurz vorm größeren Erfolg standen. Es war auch meine schönste Zeit, und das Album war das erfreulichste Dokument der Band."
Musik: " Flexibel Flyer"
Bob Mould’s Kompagnon von Hüsker Dü Grant Hart ist 2017 verstorben. Er war der Schlagzeuger, hat viele Songs komponiert und auch bei Hüsker Dü gesungen. Die Rock’n’Roll Legende lautet, dass die Trennung sehr böse war, und dass Hart und Mould nie wieder miteinander geredet haben. Das Letztere stimmt definitiv nicht.
"Grant und ich hatten in den letzten fünf Jahren vor seinem Tod relativ viel Kontakt gehabt. Ich habe früher liebend gerne über den Rockmythos um Bands gelesen. Das fand ich alles so großartig. Ich wollte nur den Mythos kennen, nicht die Wahrheit. Dann war ich selbst in einer Band, die dreißig Jahre später auch so einen Mythos mit sich trägt. Das ist schon komisch. Die Leute glauben zu wissen, wie das Verhältnis zwischen den drei Bandmitgliedern war. Ich empfand es als ganz ok zwischen mir und Grant zum Schluss. Wir hatten gemeinsam an dem Hüsker Dü-Boxset gearbeitet. Wir hatten ein gemeinsames Ziel. Wir waren uns manchmal einig, manchmal nicht. Nach dem Motto, es ist ok, mit der Familie zu streiten, aber man darf die Familie nie verarschen."
Dieses Lied vom "Sunshine Rock" ist ein Rückblick und handelt unmittelbar von den Streitereien innerhalb der Band Hüsker Dü.
Musik: "I fought "
Bob Mould ist schwul. Es war natürlich nicht immer so selbstverständlich homosexuell zu sein. Als er jung war, gab es keine übergreifende Akzeptanz dafür. Das hat ihn sehr verunsichert.
"1994 habe ich mich geoutet. Das war ein Wendepunkt. Aber schon als Kind wusste ich, dass ich anders war. Während der Hüsker Dü Ära war es ein offenes Geheimnis, dass ich schwul war. Ich war wie eine gespaltene Persönlichkeit: einerseits der Musiker, anderseits der Typ, der mit seiner Sexualität zu kämpfen hatte. In den achtziger Jahren war das Klima in Amerika noch recht intolerant Schwulen gegenüber. Das war oft die Ursache der zornigen Musik von Hüsker Dü. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich mich mit meiner Sexualität wohl fühlen konnte. Eins meiner Vorbilde war Pete Shelley von den Buzzcocks, der kürzlich verstorben ist. Ich erinnere mich wie ich die Gruppe live sah, als ich 19 war. Seine Songs waren immer geschlechtsneutral. Das hat eine große Wirkung auf mich gehabt. Ich dachte:" Das ist eine tolle Art Liebeslieder zu schreiben. Es handelt sich einfach um zwei Menschen, egal wie."
Musik: "What do I get"
Anfang der 90er-Jahre war Bobs kommerziell erfolgreichste Zeit, mit der Band Sugar. Es ist ihm gelungen, ein bescheidenes Stück vom Grunge-Kuchen abzuscheiden. Es fiel ihm aber leicht, nicht missgünstig darüber zu sein, dass die Grunge-Generation sich von ihm inspirieren ließ, und das sie deutlich mehr Erfolg hatte, als er. Bob sieht das inzwischen alle gelassen.
Anfrage von Nirvana
"Wenn ich nicht bei Hüsker Dü gewesen wäre, hätte ich nicht später das Soloalbum "Workbook" schaffen können, was dazu führte, dass ich eingeladen wurde, um im Vorprogramm für The Pixies zu spielen. Das war sehr förderlich für mich. Ich wurde sogar angefragt, das "Nevermind"-Album von Nirvana zu produzieren. Daraus wurde zwar nichts, aber ich habe mich sehr gefreut, als "Nevermind" so erfolgreich wurde, weil es günstige Rahmenbedingen für die Sugar-Platten "Copper Blue" und "Beaster" verschaffte. Es ist alles so gekommen, wie es kommen sollte. Wenn ich "Nevermind" produziert hätte, wäre es bestimmt nicht so erfolgreich geworden. Also haben Nirvana und der Produzent Butch Vig es damals perfekt gemacht."
Musik: "If I can’t change your mind"
Auf sein künstlerisches Erbe kann Bob Mould stolz sein. Er hat es über die Zeit gerettet. Hüsker Du war eine Hardcore-Punkband, die später als Post-Hardcore eingestuft wurde, weil sie für Punk-Verhältnisse Neuland betreten hatten. Als Solokünstler erfand er sich komplett neu, nämlich als Komponist von ergreifend persönlichen Songs mit Keyboard, akustischen Gitarren und Streicherarrangements. Mit der Band Sugar in den 90er-Jahren hatte er sogar ein paar MTV-Hits, bevor es mit seiner experimentellen elektronischen Phase losging. Der Kreis schließt sich. Seine Kunst steht gewissermaßen wieder einmal am Anfang: 2019 schreibt er rigorose Rocksongs an den Sonnenschein. So lautet auch der Titel seines aktuellen Albums. Als ich ihm schon einmal vor fünfzehn Jahren begegnet bin, hat er mir damals schon erzählt:" Meine Musik ist alles was ich habe, sie muss wie eine Beziehung gepflegt werden." Seine Karriere pflegt er immer noch.
Musik: "If I can’t change your mind"