Auf diesen Tag haben die Anhänger der indischen Heiligen Amma seit Monaten gewartet. Ab heute hält sie sich für zwei Tage in ihrem Ashram in Neu Delhi auf. Auch in der religiösen Herberge in der indischen Hauptstadt wird sie wieder stundenlang tausende Menschen in ihre Arme schließen.
Anil Kumar, Leiter des Ashrams in Neu-Delhi, sagt:
"Amma umarmt jeden, der sich das wünscht. Egal, ob es sich um einen Bettler oder den Premierminister handelt. Sie kümmert sich auch nicht darum, welcher Kaste jemand angehört. Oder ob es ein Mann ist oder eine Frau, den sie in ihre Arme schließt. Für sie sind alle gleich. Ich glaube, es gibt weltweit keinen einzigen spirituellen Führer, der seinen Anhängern so nahe ist wie Amma."
Amma kam 1953 als Sudhamani Idammannel im südwestindischen Bundesstaat Kerala zur Welt, als Tochter einer armen Fischerfamilie. Schon als junges Mädchen begann sie damit, Leute zu umarmen, um sie trösten. In ihrer Familie und ihrem Umfeld stieß das auf Ablehnung, da der Körperkontakt zu Fremden in der indischen Gesellschaft vermieden wird, erst recht zwischen Männern und Frauen, die sich nicht kennen.
Anhänger in ganz Indien
1975 soll Amma ihre erste Verschmelzung mit dem hinduistischen Gott Krishna gehabt haben. Als diese Nachricht die Runde machte, kamen Menschen aus der Umgebung, um sie zu sehen. Bald darauf hatte sie die ersten Verehrer. 1981 gründete Amma, was auf Deutsch Mutter heißt, ihren ersten Ashram in Südindien. Der Mata Amritamandamayi Math in Amritapuri ist heute der Hauptsitz der Amma-Bewegung.
"Amma hat Anhänger in ganz Indien, in allen Bundesstaaten kennt man sie. Das Besondere an ihr ist auch, dass sie niemanden auffordert, die eigene Religion aufzugeben. Alle Religionen und Nationalitäten sind ihr willkommen. Im Ashram leben Leute aus den USA, China und Deutschland. Amma verlangt von keinem ihrer Anhänger, der Hindu-Religion zu folgen."
Die meisten Verehrer Ammas kommen aus ihrem Heimatland Indien und sind Hindus. Ihre Lehre stützt sich auf die alt-indischen Texte, die sogenannten Veden. Dabei spielen Meditation und Yoga eine wichtige Rolle. Die Umarmungen sind für die Anhänger Ammas Ausdruck ihres Mitgefühls und der Liebe zu den Mitmenschen und etwas völlig Neues unter den spirituellen Lehrern.
Ein indischer Anhänger sagt: "Amma hat wirklich ein gutes Herz, sie versucht jedem zu helfen, der in Not ist. In Utarkhand hat sie viele Häuser für bedürftige Familien errichten lassen. Sie ist so gütig und sehr willensstark. Auch meine Eltern verehren sie."
Umarmungen bis spät in die Nacht
Mehrere hundert Menschen stehen in der Schlange. Sie alle warten darauf, von Amma in die Arme geschlossen zu werden. Und es kommen ständig neue hinzu. Ein Mitarbeiter des Ashrams gibt jedem eine Nummer und er notiert den Vornamen und die Nationalität des Anhängers.
Ein Helfer an der Seite Ammas fordert den ersten Wartenden in der Schlange auf, vor die Heilige zu treten. Amma begrüßt die Frau aus den USA auf Englisch und mit ihrem Vornamen. Sie nimmt die Amerikanerin kurz in die Arme, flüstert ihr eine Botschaft ins Ohr und legt ihr eine gesegnete Süßigkeit in die Hand. Schon wird der Nächste nach vorne gebeten. Diese Prozedur wird sich noch bis spät in die Nacht wiederholen.
Anil Kumar: "Amma verlangt von niemandem, bestimmte Praktiken oder Rituale abzuhalten. Aber sie empfiehlt gewisse Verhaltensweisen. So ernähren wir uns streng vegetarisch. Und morgens stehen wir um 4 Uhr auf und beginnen den Tag damit, alle 108 Namen der göttlichen Mutter zu sprechen. Darauf legt Amma Wert. Und wir merken, dass dies für unser Wohlbefinden wirklich gut ist."
Hilfe für Menschen in Not
Der Mata Amritanandamayi Math hat, neben dem Hauptsitz in Südindien, weitere 50 Zweigstellen im ganzen Land. Auch außerhalb Indiens ist die Amma-Bewegung präsent, zum Beispiel in Australien, den USA und auch in Deutschland. Der Mata Amritanandamayi Math ist Träger vieler karitativer Einrichtungen. Unter anderem gibt es in Südindien ein modernes Krankenhaus mit allen medizinischen Abteilungen. Die Behandlung dort ist für arme Leute kostenlos. Embracing the World, wie das globale Netzwerk von Ammas Hilfsorganisationen heißt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in Not zu helfen, etwa bei Erdbeben und Überschwemmungen.
Amma setzt sich auch für den Schutz der Umwelt ein. Vor einigen Jahren rief sie ihre Anhänger auf, sich für ein sauberes Indien zu engagieren – bei einem Projekt half sie selbst mit, Müll von den Straßen in Kolkata aufzusammeln.
Im September vergangenen Jahres überreichte Amma der indischen Regierung einen Scheck von fast 15 Millionen Euro. Das Geld stammt aus Spenden und Einnahmen der kommerziellen Unternehmen der Bewegung, wie etwa dem Fernsehsender AmritaTV.
Ammas Besuch im Ashram von Neu-Delhi geht zu Ende. Am Abend werden Bhajans angestimmt, Lieder zur Verehrung Gottes.
"Amma ist der Ansicht, dass man am Abend die göttlichen Schwingungen nur noch sehr wenig spürt. Daher sei es jetzt wichtig, Bhajans zu singen, um Gott auch in dieser Zeit nahe zu sein."