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Indonesien
"Erste internationale Konferenz farbiger Völker"

Vor 60 Jahren - im April 1955 - trafen sich im indonesischen Bandung Vertreter von 1,4 Milliarden Menschen, das entsprach etwa zwei Dritteln der damaligen Weltbevölkerung. Mehr als 1.000 Repräsentanten von 29 souveränen Staaten und 30 Befreiungsbewegungen kamen zusammen, um über ein Ende der Ausbeutung und den Weg zum friedlichen Miteinander zu diskutieren.

Von Andreas Baum |
    Blick in den Tagungsraum der Konferenz von Bandung, aufgenommen im April 1955
    Zur Konferenz von Bandung trafen sich im April 1955 Politiker aus 29 unabhängigen Staaten Afrikas und Asiens - zum ersten Mal in der Geschichte ohne die Europäer. (dpa - Bildarchiv)
    "In Europa und Amerika wurde diese Konferenz bereits als Zusammenkunft von Aufständischen beschrieben, als Ausdruck einer Revolte der Afrikaner und Asiaten gegen die Weißen. Doch ich kann mit Überzeugung behaupten, dass dies nicht der Fall ist. Aus der Nähe betrachtet, erscheint diese Revolte durchaus nicht wild, und die Aufständischen wirken recht umgänglich."
    Der französische Journalist Robert Guillain versuchte hörbar, seine verängstigten Leser in Europa zu beruhigen. Rotteten sich hier, in den Bergen Indonesiens, etwa die "Verdammten dieser Erde" zusammen, wie sie in Kampfliedern der Arbeiter beschworen wurden, um den kommenden Aufstand zu planen? Im deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" klang das so:
    "Ein Kongress der Nein-Sager könnte das Treffen genannt werden. Das einigende Band, das sie umschlingt, ist die Auflehnung gegen Kolonialismus und Imperialismus. Allen gemeinsam ist die Kapitalarmut und damit die Anfälligkeit für lukrative Angebote finanzkräftigerer Mächte. Fast allen gemeinsam ist die Schwäche ihrer Gesellschaftsordnungen und damit die Anfälligkeit für den Kommunismus."
    Auflehnung gegen Kolonialismus und Imperialismus
    Zur Konferenz von Bandung trafen sich im April 1955 Politiker aus 29 unabhängigen Staaten Afrikas und Asiens - zum ersten Mal in der Geschichte ohne die Europäer. Hinzu kamen Abgesandte aus 30 Ländern, die noch um Freiheit und Selbstbestimmung rangen, aus Marokko und Tunesien, Britisch-Ostafrika und Algerien. Dem chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai gelang ein diplomatisches Meisterstück: Er bot den Vereinigten Staaten eine Kompromisslösung in der sogenannten Formosa-Frage an, in der Frage, ob die Insel Taiwan als eigenständiger Staat oder als abtrünnige Provinz Chinas zu betrachten war. Die Amerikaner schlugen das Angebot aus, China erschien als gemäßigte, Frieden stiftende Kraft, und Zhou Enlai spielte eine der Hauptrollen in Bandung. Gleichzeitig wurde China als Großmacht wahrgenommen, die Abstand zur Sowjetunion suchte.
    Treffen ohne Europäer
    Noch während der Konferenz zeigte sich, dass viele der teilnehmenden Länder eine Bezeichnung für sich annahmen, die der französische Soziologe Alfred Sauvy vorgeschlagen hatte: die der "Dritten Welt", auf Französisch "Tiers Monde". Sauvy hatte sie auf den Dritten Stand der Französischen Revolution bezogen, den "Tiers État", der in der berühmten Flugschrift von 1789 verlangt hatte "etwas zu sein":
    "Was ist der Dritte Stand? Alles. Was ist er bis jetzt in der politischen Ordnung gewesen? Nichts."
    Aber auch der "dritte Weg", zwischen den westlichen und östlichen Sphären, klang mit, wenn von der "Dritten Welt" die Rede war. Der Ort der Konferenz war von Indonesiens Präsident und Staatsgründer Sukarno mit Bedacht ausgesucht worden. Bandung, die "Stadt der Blumen", war bis zum Zweiten Weltkrieg die Sommerfrische der Niederländer gewesen, die den pittoresken Luftkurort im Hochland von Java mit Art déco-Häusern und europäischen Boulevards ausgestattet und zum "Paris des Ostens" gemacht hatten. Hier eröffnete Sukarno am 18. April die siebentägige Konferenz.
    "Dies ist die erste internationale Konferenz farbiger Völker, so genannter farbiger Völker, in der Geschichte der Menschheit. Ich bin stolz darauf, dass mein Land ihr Gastgeber ist. Dies ist ein neuer Abschnitt in der Weltgeschichte. Die Anführer der afrikanischen und asiatischen Völker begegnen sich in ihren eigenen Ländern, um eigene Angelegenheiten zu diskutieren. Trotz aller Unterschiede wünsche ich uns eine erfolgreiche Konferenz."
    Bandung als "Paris des Ostens"
    Allerdings waren nicht alle ehemals kolonisierten Länder eingeladen. Südafrika und Israel, Taiwan und die beiden Koreas mussten vor der Tür bleiben. Die Gastgeber nahmen ihnen entweder ihre Unabhängigkeit nicht ab - oder sie warfen ihnen vor, sich selbst wie Kolonialherren aufzuführen.
    "Der Protest gegen die Herrschaft des Weißen Mannes nimmt auch die Sowjet-Union nicht aus." so spottete der Spiegel. Denn der Kreml hatte versucht, zumindest seine asiatischen Sowjetrepubliken als eigenständige Nationen in Bandung anzumelden - vergeblich. Die Gräben zwischen den Teilnehmern waren tief - was dazu führte, dass es am Ende außer Willensbekundungen kaum Ergebnisse gab. Auch wenn die ideologischen Gräben weder 1955 noch später eingeebnet werden konnten, so entstand aus den sogenannten Bandung-Staaten doch die "Bewegung der Blockfreien", die es bis heute gibt.