Okto sitzt im Besprechungsraum der Drogenhilfe-Einrichtung am Stadtrand von Jakarta. Okto ist 44 Jahre alt, war 15 Jahre süchtig, nach so ziemlich allem: Alkohol, Marihuana, dann LSD, Heroin, Amphetamine. Okto erinnert sich, wie alles anfing. "Ich war damals neugierig, ich wollte cool wie die Rolling Stones sein. Die Stones waren mein Vorbild, reich, berühmt, erfolgreich. Es fing mit Alkohol und Joints an, da war ich gerade 15 Jahre alt. Drogen nehmen war damals cool. Später kamen dann härtere Drogen dazu, Heroin war in den 90er-Jahren sehr verbreitet in Jakarta."
Okto überlebte 15 Jahre Drogensucht, dann allerdings hatte seine Familie genug, Frau und Mutter zwangen den damals 30-Jährigen in Therapie, Okto hatte ständig Geld gestohlen, nichts war vor ihm sicher: "Ich hatte damals einen Teilzeitjob, das Geld hat nie gereicht, ich habe überall Geld genommen, manchmal haben wir mit Freuden auch Läden ausgeraubt."
"Ich weiß, wovon ich rede"
Inzwischen ist der Ex-Drogensüchtige Berater in der Hilfseinrichtung, die ihn damals gerettet hat. Mit seinem Wissen, meint Okto, sei er nah an den Patienten, näher als die Ärzte: "Ich kann gut zuhören, auch mit ihnen sprechen, aber vor allem ist Zuhören wichtig. Und da ich weiß, wovon sie reden, und meine Patienten wissen, dass es mir früher genauso ging wie ihnen jetzt, bin ich besonders glaubwürdig."
Vier Millionen Drogensüchtige werden offiziell in Indonesien gezählt. Deshalb, sagt Slamet Pribadi von der Drogenermittlungsgruppe in Jakarta, habe Präsident Joko Widodo inzwischen den Drogen-Notstand ausgerufen: "Im vergangenen Jahr gab es eine Untersuchung der Universität von Indonesien, aus der hervorging, dass täglich 33 Menschen an ihrer Drogensucht sterben, 12.000 im Jahr. Jährlich entsteht ein Schaden von 63 Billionen Rupien, umgerechnet viereinhalb Milliarden Euro." Man könne die Grenzen des 250-Millionen-Einwohner-Riesen-Inselreiches Indonesien kaum kontrollieren, fügt der Drogenermittler hinzu. Auch daher seien harte Strafen, auch die Todesstrafe notwendig, um die Drogenschmuggler abzuhalten.
Laurentius Panggabean leitet die Drogeneinrichtung, in der Okto inzwischen arbeitet. Hier ist Platz für einhundert Süchtige, die in der Einrichtung wohnen, 60 Ex-Junkies holen sich hier täglich ihre Portion der Ersatzdroge Methadon ab. Ja, sagt der studierte Psychologe Laurentius, Indonesien hat ein Drogenproblem, aber nicht so groß, wie behauptet: "Wenn man die Polizei fragt, dann ist es ganz furchtbar, sie finden immer wieder große Mengen Drogen an den Grenzen. Aus unserer Sicht ist es etwas anders. Viele Menschen, die wir hier kennenlernen, brauchen ihre Droge nur manchmal zur Entspannung und benötigen keine akute Hilfe."
Laurentius hat eine erstaunlich lässige Haltung zur Drogenproblematik und zweifelt auch die vier Millionen Drogensüchtige an. "Da werden alle erfasst, die nur manchmal Drogen nehmen, oder nur für einen kurzen Zeitraum, weil sie gerade ein besonderes Problem etwa bei der Arbeit haben. Das sind aber Leute, die wieder aufhören können."
Drogen nur am Wochenende, nur zum Entspannen, Budi, der sich auskennt in der Drogenszene von Jakarta, sieht das nicht so lässig. Budi hat in Deutschland studiert: "Viele, die ich kenne, nehmen Drogen, weil sie einen Ausweg suchen. Und den haben sie dann gefunden, und dann geht es superschnell bis sie süchtig sind."
Notstand als populistischer Aktionismus?
Indonesien hat ein Drogenproblem, ohne Frage, wie viele andere Länder. Der von Präsident Joko Widodo ausgerufene Notstand scheint allerdings eher populistischer Aktionismus zu sein. Der Notstand dient dem Reform-Präsidenten vor allem als Begründung für seine harte Haltung beim Thema Todesstrafe - da schließt sich der Kreis. Viele seiner liberalen Unterstützer nehmen Jokowi, wie alle in Indonesien ihren Präsidenten nennen, diese Haltung übel, etwa der Menschenrechtsanwalt Efendi Djamin: "An Indonesien sind große Erwartungen gebunden. Wir sollten eine Führungsmacht in d er Region in Sachen Demokratie und Menschenrechte sein, wir sind schließlich ein wirtschaftlich starkes Land. Aber nun ist unsere Glaubwürdigkeit dahin, wegen der Todesstrafe. Das ist die Konsequenz."
Die Mehrheit im Land jedoch ist für die Todesstrafe, in den vergangenen Wochen wurde viel darüber diskutiert. Endang, Hausfrau in Jakartas schönem Stadtteil Menteng ist mit ihrer, religiös begründeten Ablehnung deutlich in der Minderheit: "Nur Gott kann über das Leben entscheiden, dies darf nicht in den Händen von Menschen liegen."