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Stadion-Katastrophe in Indonesien
"Auf solche Szenarien nicht vorbereitet"

In Indonesien sind bei einer Massenpanik in einem Fußballstadion 125 Menschen ums Leben gekommen. Gewalt im Fußball sei in Indonesien weit verbreitet, sagte Journalist Andreas Bock im Dlf. Eine Auseinandersetzung mit Fangewalt finde aber nicht statt.

Andreas Bock im Gespräch mit Matthias Friebe |
Bei einer Massenpanik in einem Fußball-Stadion in Indonesien sind 125 Menschen ums Leben gekommen.
Bei einer Massenpanik in einem Fußball-Stadion in Indonesien sind 125 Menschen ums Leben gekommen. (IMAGO / Xinhua / IMAGO / Bram Yudha)
Im Stadion von Malang in der Provinz Ost-Java in Indonesien ist es am Samstagabend (Ortszeit) zu einer Katastrophe gekommen. Bei gewaltsamen Auseinandersetzung nach der Partie zwischen Arema FC und Persebaya Surabaya sind laut offiziellen Stellen 125 Menschen ums Leben gekommen. Laut Polizei hatten Fans von Arema nach der 2:3-Niederlage ihre Teams den Rasen gestürmt, woraufhin die Polizei Tränengas einsetzte. Das löste nach Polizeiangaben eine Massenpanik aus. An einem Ausgang sei es zu "Atemnot und Sauerstoffmangel" gekommen, so der örtliche Polizeichef Nico Afinta.
"Die Situation in den Stadien kann man überhaupt nicht mit Europa vergleichen. Es sind alte, baufällige Stadien mit einer - man kann es fast sagen - abweisenden Architektur. Also sehr viel Beton, sehr viele dunkle Ecken", sagte Andreas Bock im Deutschlandfunk. Bock ist Mitglied der Chefredaktion des Fußball-Magazin "11 Freunde". Für seine 2017 erschienene Reportage über Fans in Indonesien war er für den Deutschen Reporterpreis nominiert. Fußball habe in Indonesien einen hohen Stellenwert, sagte er.

Mehr als 70 tote Fans zwischen 1995 und 2017

In seiner Reportage schrieb Bock unter anderem von einer Art "Krieg" zwischen Fangruppen in Indonesien. Zwischen 1996 und 2017 habe es in Indonesien mehr als 70 tote Fans gegeben, "was eine unfasbar hohe Zahl ist, wenn man das mit Deutschland vergleicht. In Deutschland gab es seit Anbeginn der Bundesliga drei offizielle Fantote. In Indonesien sterben gefühlt bei jedem Spiel Fans und die Dunkelziffer dürfte noch höher sein." Vergleiche mit der Katastrophe in Malang seien allerdings schwierig, so Bock.
Fanprojekte oder Sozialarbeiter, die sich mit Fangewalt auseinander setzen, gebe es anders als in Deutschland in Indonesien nicht. "Weder Polizei noch Politik noch die Verbände sind gewillt, das grundlegend zu ändern. Die gehen da entweder total rigoros und mit harter Hand in die Blöcke rein, oder sie kümmern sich überhaupt nicht und überlassen die Fans sich selbst."

"Tun nichts anderes, als mit Tränengas reinzugehen"

Die jetzige Katastrophe könne Bock aber noch nicht richtig einordnen. "Es war ja eine Überfüllung im Stadion, weswegen die Fans dann in den Innenraum geflüchtet sind. Aber es zeigt sich, dass die Leute vor Ort auf solche Szenarien überhaupt nicht vorbereitet sind. Weder Polizei noch andere Sicherheitskräfte sind auf solche Szenarien vorbereitet und tun dann nichts anderes, als mit Tränengas in diese Fangruppen reinzugehen, was natürlich auch noch einmal provoziert und andere Gewalt hervorruft."
In Deutschland gebe es seit den 80er-Jahren Fanprojekte, so Bock. Damit fände auch ein Dialog mit den Behörden statt. "Es ist möglich, sich heutzutage damit auseinanderzusetzen und zu diskutieren, was man macht, wenn es Fangewalt gibt, wenn es zu Krawallen kommt. In Indonesien werden daraus überhaupt keine Schlüsse gezogen."