Kloiber: Peter, bleiben wir mal bei der Kommunikationsinfrastruktur, da sind die Weichen längst gestellt. Vor allem was die Belange der Industrie angeht: Die neueste Generation des Mobilfunks 5G - diese Netz-Generation soll die globale wie lokale Infrastruktur für die Kommunikation im Internet der Dinge bereitstellen. Flexible und adaptive Netzelemente sind darauf getrimmt, vor allem die sichere und verzögerungsfreie Vernetzung von Maschinen untereinander zu bewerkstelligen. Der Aspekt des schnellen mobilen Internetzugangs für die mobile Gesellschaft tritt dabei in den Hintergrund. In Deutschland ist das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik Heinrich Hertz in Berlin stark in der Entwicklung des 5G-Systemkonzeptes engagiert. Und Prof. Slawomir Stanczak hat mir die Zusammenhänge von Industrie 4.0 und der neuen Mobilfunk-Generation erklärt.
Kloiber: Slawomir Stanczak Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik Heinrich Hertz in Berlin war das über 5G als Kommunikationsinfrastruktur für die Industrie 4.0.
Welchering: Aber genauso wichtig wie effiziente Kommunikationsinfrastrukturen sind neue Energieinfrastrukturen, zunächst für die Industrie. Die werden sich dann später sogar bis ins smarte Heim hineinentwickeln. Und da ist in Hannover noch einmal deutlich betont worden, dass die digitalisierte Fertigung ganz neue Anforderungen an Lastverteilungsrechner und insgesamt die Energieversorgung stellt. Der Strombedarf der digitalisierten Industrie entfällt zu weit 70 Prozent auf Antriebssysteme. Und weil autonome Roboter im weitesten Sinne auch das Thema Elektromobilität stark mit beeinflussen, kommt es hier zu rasanten Änderungen. Der autonome Roboter soll ja nicht nur mit seinem menschlichen Kollegen zusammenarbeiten, er soll nicht nur situative Entscheidungen treffen. Er muss vor allen Dingen zum Teil ziemlich lange Wege in den Produktionshallen und Fertigungsstätten zurücklegen. Außerdem setzt Industrie 4.0 zum Beispiel in der Automobilproduktion, die unmittelbar jetzt davon betroffen ist und einen viel größeren Veränderungsdruck hat als andere Branchen, einfach voraus, dass neue effiziente digitalisierte Antriebssysteme in die Produktion eingeführt werden.
Erneuerbare Energien effizient einbinden
Kloiber: Die digitalisierte Produktion ist dann zwar eine energieeffiziente Produktion, aber sie braucht mehr Energie. Sie braucht künstliche Intelligenz zur Koordinierung der Netze. Sie braucht autonome Steuerungssysteme, um auf schwankende Energieangebote aus erneuerbaren Energien reagieren zu können. Sie braucht Systeme, mit denen Energie aus Fotovoltaik, Bremsenergien intelligent in die Netze eingebunden werden können.
Welchering: Gerade das Thema der besseren Einbindung von erneuerbarer Energie und das sogenannte Energy Harvesting, also Energie im Produktionsprozess zu erzeugen, beim Bremsen, durch Auffangen von Stößen und so weiter, da braucht die Industrie nicht nur redundante Verteilsysteme ohne Sicherheitslücken, sondern sie braucht Gleichstrom. Das wesentliche Erfordernis stellt Werner Körner, Entwicklungschef bei Lapp Kabel, so dar:
"In Europa ist es so, dass wir generell Gleichstrom aus der Solaranlage bekommen. Und das stellt auch das Problem dar: Ich kann jetzt ohne Weiteres mit dem Gleichstrom nicht in das Netz rein, sondern ich muss vorher diesen Gleichstrom erst mal umrichten, um ihn dann als Wechselstrom im Haushalt nutzen zu können. Die Idee, die für dieses Prinzip der Gleichstromversorgung spricht, ist, dass ich dann in der Lage wäre, wenn ich eine Gleichstromversorgung installiere, dass ich dann alternative Energiequellen wie Fotovoltaik und Brennstoffzellen direkt ins Netz einspeisen kann und dort nutzen kann."
Kloiber: Der Anforderungskatalog für die Umstellung auf Gleichstrom in den Betrieben soll ja bis Mitte 2018 vom ZVEI-Fachverband an die Bundesregierung übermittelt werden. Denn auch für diesen Bereich müssen natürlich die regulatorischen Voraussetzungen getroffen werden. Das wird allerdings für die Politik kein allzu schwieriges Geschäft sein, denn die Anforderungen an ein gleichstrombasiertes Smart Grid werden ja gleich auf der europäischen Ebene geschaffen, damit sie hier auch einheitliche Standards bieten.
Gleichstrom für Industrie und Haushalte
Welchering: In Europa gibt es dafür das Projekt Areus – Automation and Robotics for Europan Sustainable Manufacturing. Und in diesem europäischen Projekt wird dann auch gleich schon weiter gedacht. Denn die Einführung von Gleichstrom-Infrastruktur in die Fabriken profitiert ja im Wesentlichen von den Erfahrungen, die mit solcher Gleichstrom-Infrastruktur in den Rechenzentren gesammelt wurden. Das lässt sich ziemlich schnell und recht einfach anpassen. Aber diese Anpassung reicht den Projektingenieuren nicht. Weil sie festgestellt haben, dass Rechenzentren zwischen 30 und 40 Prozent Energie sparen konnten durch die Einführung von Gleichstrom und weil eine ähnliche Einsparquote auch für Fabriken berechnet wurde, wollen sie Gleichstrom auch in die smarten Haushalte bringen. Werner Körner:
"Das ist eine Frage der Energieeffizienz. Ich spare mir Wandlerverluste ein. Man muss sich eben vorstellen, dass heute die Vielzahl der elektronischen Geräte von Laptop über Computer, auch Kaffeemaschinen teilweise schon intern alle DC haben, direkt mit Gleichstrom versorgt werden können. Aber wir müssen heute in diese Geräte immer noch die Gleichrichtung vom Wechselstrom auf Gleichstrom haben. Das beschert uns Wandlungsverluste, das beschert uns Energieverluste. Und das könnte man durch eine Direkteinspeisung mit Gleichstrom alles viel besser machen."
Kloiber: Damit in den Haushalten aber auch mehr als 30 Prozent Energie durch Beseitigung von Wandlungsverlusten eingespart werden kann, müssen die bisher vorgesehenen Smart Meter, muss sozusagen die Energiezentrale des intelligenten Haushaltes an die Erfordernisse von Gleichstrominfrastruktur angepasst werden.
Welchering: Ja, und da stehen wir noch ganz am Anfang. Bisher ist bei den Planungen für den Smart Meter, der ja jetzt ausgerollt wird, niemand davon ausgegangen, dass ausgerechnet die Digitalisierung hier zu neuen Gleichstrom-Infrastrukturen sogar in den Haushalten führen kann. Da muss jetzt schnell einiges an technischem Planungsaufwand geleistet werden. Und da setzt auch die Kritik einiger Entwicklungsingenieure ein. Die sagen ganz klar, wenn wir das jetzt bei den Smart Metern nachträglich machen, wird es teurer und es ist aufwendiger.
Kloiber: Nachträgliche Änderungen sind ja immer aufwendiger. Das gilt übrigens auch für II-Sicherheit in Sachen Industrie 4.0. Ein ganz wichtiges Thema diesmal in Hannover.
IT-Sicherheit auch in der Industrie
Welchering: Man wähnte sich fast auf der Cebit, so viele IT-Sicherheitsanbieter waren auf der Industriemesse vertreten. Und das ist ja auch ganz klar. Da finden sie ihre Kunden. Aber die IT-Sicherheitsexperten haben auch deutliche Kritik und warnen davor, dass der Standort Deutschland seine eigentlich guten Chancen bei der industriellen Digitalisierung verspielt, weil das Thema Sicherheit nicht den richtigen Stellenwert eingeräumt bekommt. Hans-Peter Bauer vom Sicherheitsanbieter McAfee bewertet das so:
"Die technologischen Voraussetzungen für Industrie 4.0 sind nirgends besser als in Deutschland, weil wir heute schon einen sehr hohen Automatisierungsgrad in der Fertigung haben. Die Initiative Industrie 4.0 ist ganz wichtig für den Fertigungsstandort Deutschland. Von daher denke ich, dass wir technologisch sehr gute Voraussetzungen haben. Wo es heute sicherlich noch in den verschiedensten Bereichen fehlt, ist das Implementieren von Sicherheitslösungen bei der Gestaltung, bei der Architektur der Industrie-4.0-Lösungen."
Kloiber: Also eine Menge Hausaufgaben, die nicht nur die Branchenverbände nach der Hannovermesse jetzt erledigen müssen, sondern auch viele Aufgaben für die Politik.
Welchering: Und vor allen Dingen die deutliche Kritik der Industrievertreter an der Politik: Redet nicht von Digitalisierung, wenn ihr nicht wisst, wovon ihr eigentlich sprecht. Aber diese Kritik war auch verbunden mit einer Einladung. Die Politiker mögen mal in die Betriebe kommen, sich anschauen, was da gerade an technologischem Wandel passiert, ganz praktisch. Und dann müsse man sich einen Tisch setzen und darüber reden: Was brauchen wir Regulierung und was nicht. Und die Frage, wie der Umgang mit den industriellen Daten geregelt wird, die Eigentumsfrage hier entschieden wird, das ist für die nächsten Monate ein zentraler, aber auch dringlicher Punkt.
Kloiber: Also die Forderung: Politiker in die Produktion, mal aus ganz anderer Perspektive. Das war unser Überblick von der Hannovermesse und ihrem alles überragenden Thema der Digitalisierung der Industrie.