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Infektiologe Exner zu COVID-19
Umluftkühlanlagen sind ein Risikofaktor für Infektionen

Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit an der Uniklinik Bonn, hat die Bedingungen im Fleischbetrieb Tönnies in Gütersloh untersucht. Im Dlf erläutert er, warum seine Erkenntnisse auch für andere Bereiche wichtig sind, etwa Tanzräume und Diskotheken.

Martin Exner im Gespräch mit Sophie Stigler |
Fleischverarbeitung in einem Schlachtbetrieb
In der Fleischverarbeitung muss in gekühlten Räumen gearbeitet werden (imago/Westend61)
Die Corona-Infektionszahlen sind in den meisten Teilen Deutschlands relativ niedrig. Es gibt jedoch ein paar Hotspots, an denen die Infektionszahlen regelrecht explodiert sind. Einer davon ist der Fleischbetrieb Tönnies im Kreis Gütersloh, wo von rund 7.000 Mitarbeitenden rund 1.500 positiv auf COVID-19 getestet wurden.
Um zu verstehen, wie dies geschehen konnte, wurde Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit an der Uniklinik Bonn, beauftragt, die Bedingungen im Schlachtbetrieb von Tönnies zu untersuchen. Dabei hat er die Raumkühlung mit Umluft als Hauptrisikofaktor für die Verbreitung des Virus ausgemacht. Der Ausbruch bei Tönnies zeige, dass Aerosole unter spezifischen Bedingungen relevant für das Infektionsgeschehen sind.
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Sophie Stigler: Herr Exner, Sie haben sich den Betrieb Tönnies aus der Nähe angesehen. Zu dem Zeitpunkt waren aber alle Arbeiter schon in Quarantäne – gab es da noch so viel zu sehen?
Martin Exner: Ja, wir haben uns die Rahmenbedingungen angesehen, um dort zu erkennen, wo Besonderheiten waren und haben uns dann insbesondere die raumlufttechnischen Bereiche vorgenommen.
Verfahren für Luftfilterung notwendig
Stigler: Was haben Sie gesehen, was haben Sie festgestellt?
Exner: Also der Hauptrisikofaktor, den wir als Besonderheit, der bisher auch klassisch nicht abgedeckt ist, das ist in dieser Halle, die besonders betroffen war, also die Zerlegebereiche, die Luft im Umluftverfahren aus der Hallenluft gekühlt über große Aggregate wieder in den Raum zurückgeworfen werden. Das heißt, Sie haben keine reine Frischluftversorgung, sondern Sie messen die Luft, um diese niedrigen Temperaturen zu erzielen, müssen Sie im Umluftverfahren kühlen.
Ein Helfer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) nimmt vor einem Haus bei einem Mann einen Abstrich vor. 40 mobile Testteams sind unterwegs, um Angestellte der Firma Tönnies zu Hause in ihrer Quarantäne aufzusuchen. Sie überprüfen, ob diese dort anzutreffen sind und testen auch die Menschen, die mit ihnen in einem Haushalt leben. 
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Wenn wir das jetzt unter den besonderen Gegebenheiten der COVID-19-Pandemie sehen, dann muss man sagen, dass das derzeit als Risikofaktor angesehen werden muss. Deswegen wird es das Ziel sein, Verfahren zu suchen, die in der Lage sind, die gezielte Luft noch zusätzlich zu filtern, um damit virusfreie Luft wieder in den Raum zurückzugeben.
Stigler: Jetzt ist es ja eigentlich nicht überraschend, dass die Lüftungsanlage eine wichtige Rolle spielt. Seitdem wir wissen, dass auch die Aerosole wichtig sind, also feinste Tröpfchen in der Luft, muss man auch davon ausgehen, dass eine Lüftungsanlage, die die alte Luft wieder verbreitet, auch eine wichtige Rolle spielt. Wir reden da bei Flugzeugen schon seit Wochen drüber, über das Belüftungssystem. Warum ist man da bisher nicht drauf gekommen? Weil auch Schlachtbetriebe und Fleischverarbeitungsbetriebe, die sind ja nicht erst jetzt Hotspots, das ist ja immer wieder aufgetreten dort.
Flugzeuge verfügen über EPA-Filter
Exner: Das gilt nicht nur für Fleischbetriebe, sondern das kann auch in anderen Bereichen, wo unter ähnlichen Bedingungen gearbeitet wird, auftreten. Das Problem ist, dass die Luftmengen, die hier erforderlich sind, die sind natürlich erheblich, zumindest in größeren Betrieben. Deswegen hat man das regulatorisch bisher noch nicht angegangen.
In Flugzeugen, in den modernen Flugzeugen, wie zum Beispiel im Airbus, wird die Luft über EPA-Filter geführt. Das ist hier noch nicht der Fall. Warum, dass man das bisher noch nicht so gesehen hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Zum Teil wurde bei solchen Betrieben bisher mehr auf andere Faktoren, wie zum Beispiel Unterbringungen, Transportbedingungen geachtet.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Stigler: Wie lässt sich das denn jetzt überprüfen, ob Ihre, ich sage jetzt einfach mal, These stimmt, dass die Belüftungsanlage eine wichtige Rolle spielt?
Exner: Ja, das ist in der Tat schwierig zu überprüfen, denn gerade Luftmessungen sind nicht ganz einfach unter solchen Bedingungen durchzuführen. In Krankenhäusern hat man zum Beispiel in der Luft von Patienten die COVID-19 hatten, durchaus die Viren auch in der Raumluft nachweisen können. In so großen Raumvolumina ist es schwierig. Wir sind einbezogen worden zu einem Zeitpunkt, wo der Betrieb schon runtergefahren war.
Aerosole unter spezifischen Bedingungen relevant
Stigler: Was bedeuten denn Ihre Erkenntnisse für die Fleischbranche und darüber hinaus? Also kühle Lagerhäuser, anstrengende Arbeit auf engem Raum, das gibt es ja nicht nur in Fleischbetrieben, das gibt es ja auch woanders.
Exner: Also das ist jetzt eine grundsätzliche Frage, die jetzt geklärt werden muss. Wir haben jetzt zunächst mal eine Diskussion angestoßen, die uns dann weiterführen wird, gerade auch vor dem Hintergrund der Aerosol-Diskussion. Aerosole sind unter den normalen Bedingungen nicht so relevant, können aber unter solchen spezifischen Bedingungen relevant werden, wie solche Ausbrüche zeigen. Und man wird jetzt auch bei anderen Ausbrüchen darauf achten müssen, um dann zu gucken, ob ähnliche Gegebenheiten auch in diesen Bereichen da sind. Das heißt, dass solche Bereiche stärker betroffen sind als andere Bereiche in solchen Betrieben.
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Stigler: Das heißt, Sie sagen, nur unter solchen spezifischen Bedingungen ist es wahrscheinlich wirklich entscheidend, wie genau die Lüftungsanlage beschaffen ist. Das heißt, für mein Bürogebäude ist es erst mal nicht so relevant?
Exner: Das kommt drauf an, wie die Luft bei Ihnen aufbereitet wird. Wir haben zum Beispiel auch im Labor, wo wenige Mitarbeiter arbeiten, in Ruhe arbeiten, da haben wir auch kleine Umluftkühlanlagen. Wenn die Mitarbeiter dort sich nicht in Massen aufhalten, sehen wir das nicht als ein so relevantes Problem an. In den Fällen, wo Sie aber etliche hundert Mitarbeiter unter solchen Bedingungen haben, ist das natürlich entsprechend kritisch. Das gilt auch für andere Bereiche. Also man wird sich mit Sicherheit durchaus jetzt auch in Tanzräumen, Diskotheken und so weiter mit diesen Fragen auch auseinandersetzen müssen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.