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Corona-Pandemie
Was im aktuellen Infektionsschutzgesetz steht

Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund der andauernden Corona-Pandemie das Infektionsschutzgesetz angepasst. Es gilt bis 2024. Bei Experten und Verbandsvertretern gibt es gemischte Reaktionen.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister fuer Gesundheit, und Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, zu Beginn
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu Beginn einer Kabinettssitzung. Im geplanten neuen Infektionsschutzgesetz haben sie sich auf einen Kompromiss geeinigt (IMAGO/photothek)
Die Neufassung es Infektionsschutzgesetzes ist ein Kompromiss zwischen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der für Vorsicht als oberstes Prinzip plädiert, und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), dem das Prinzip Freiheit wichtig ist.
Die Corona-„Herbststrategie“ setzt Lauterbach zufolge auf eine Impfkampagne mit neuen Impfstoffen, ein Pandemieradar mit tagesaktuellen Daten, Test- und Behandlungskonzepten sowie Schutzkonzepte für Pflegeheime. Buschmann erklärte, auch im Herbst und Winter gelte, Freiheitseinschränkungen dürfe es nur geben, wenn sie erforderlich seien.
Die Maßnahmen gelten vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023.

Was steht im neuen Infektionsschutzgesetz?

Das neue Infektionsschutzgesetz schreibt bundesweit die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske nur im öffentlichen Fernverkehr sowie in Arztpraxen und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens vor. Weitere Beschränkungen können die Länder bei Bedarf anordnen - etwa das Tragen des Mund- und Nasenschutzes im öffentlichen Nahverkehr oder in Innenräumen.
Eine Masken- und Testnachweispflicht gilt für den Zutritt zu Krankenhäusern sowie voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen sowie für Beschäftigte von ambulanten Pflegediensten - und bei Dienstleistern, die vergleichbare Leistungen erbringen.
Die Vorgaben zur Isolation bei einer Corona-Infektion und auch zur Quarantäne bei Kontakt zu einem infizierten Menschen sind in Deutschland auf Landesebene geregelt. Das Robert Koch-Institut empfiehlt, dass für positiv Getestete fünf Tage Isolation angeordnet werden.
Betriebe sollen wieder Homeoffice anbieten und Tests zur Verfügung stellen. Lockdowns oder Geschäftsschließungen sind aber nicht vorgesehen. Anordnen können die Länder eine Testpflicht in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen - wie Asylbewerberunterkünften, Haftanstalten, Kinderheimen sowie Schulen und Kindertageseinrichtungen.
Befürchtet ein Land, dass sein Gesundheitssystem oder andere kritische Infrastruktur zusammenbricht, sollen auch Maskenpflichten sowie Obergrenzen bei Veranstaltungen draußen möglich sein, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden können.
Wenn Eltern wegen der Erkrankung eines Kindes zu Hause bleiben müssen, bekommen gesetzlich Versicherte bis Ende 2023 weiterhin zusätzliche Kinderkrankentage. Pro Kind sind es 30 Arbeitstage je Elternteil. Alleinerziehende erhalten 60 Arbeitstage.
Im Grunde folgt die Bundesregierung den Vorschlägen des Corona-Expertenrats vom Juni. Der hat gesagt, angesichts der hochansteckenden Varianten sollte es weniger um die generelle Eindämmung des Virus gehen als um den Schutz der Risikogruppen. Deshalb soll es auch weitere Impfanstrengungen mit an die Varianten angepassten Vakzinen geben. Zusätzlich hatten die Experten auf vielen Feldern eine Vorbereitung auf gefährlichere Varianten empfohlen, etwa bei der Personalausstattung der Klinken oder der Informationspolitik.
Auf welche Daten stützen sich die Pläne angesichts einer hohen Dunkelziffer?
Weniger auf Virentests als auf die Symptome der Menschen. Das RKI fragt die systematisch in der Allgemeinbevölkerung, bei den Ärzten und in den Kliniken ab. Auch wenn die Inzidenz gar nicht so hoch liegt, berichten erheblich mehr Leute von Beschwerden als vor einem Jahr. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will als weiteres Instrument in den Kläranlagen nach Virenerbgut suchen lassen. Modellprojekte zeigen, dass man früh einen Anstieg des Infektionsgeschehens bemerkt und auch neue Varianten schnell entdecken kann.

Nach welchen Kriterien wird entschieden, wann Maßnahmen ergriffen werden?

Klar ist: Die Intensivstationen sollen nicht von Corona-Patienten überlaufen werden. Das wäre sozusagen der letzte Zeitpunkt für Verschärfungen. Spitzt sich die Lage zu, sind weitergehende Maßnahmen möglich, beispielsweise Personenobergrenzen für Veranstaltungen in Innenräumen. Die Länder können per Parlamentsbeschluss zusätzliche, härtere Maßnahmen in Gefahrenlagen vorschreiben - nämlich dann, wenn sie eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens oder der sonstigen kritischen Infrastruktur wie der Energieversorgung oder der Polizei sehen. Diese Maßnahmen beruhen in erster Linie auf strengeren Maskenpflichten.
Aber man könnte auch früher eingreifen. Auch bei den angeblich milden Verläufen liegen viele junge und eigentlich Gesunde zwei, drei Wochen im Bett. Das belastet den Einzelnen, führt in den Kliniken zu Personalengpässen. Und wenn der Bäcker zu bleibt oder die S-Bahn tagelang nicht fährt, dann wird klar, dass auch milde Verläufe erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen haben.

Was ist in den Schulen geplant?

Schulschließungen soll es keine geben, das hält auch der Expertenrat für wenig sinnvoll. Die soziale Teilhabe der Kinder und Jugendlichen steht klar im Vordergrund. Umso wichtiger ist eine gute Vorbereitung etwa mit CO2-Messgeräten, damit rechtzeitig gelüftet wird. Die Länder sollen auch die Möglichkeit bekommen, Tests unter anderem in Schulen und Kitas vorzuschreiben. Eine Maskenpflicht in der Schule ist nur vorgesehen, wenn sonst kein geregelter Präsenzunterricht möglich wäre – und auch dann nur ab dem fünften Schuljahr.
In dem Gesetzentwurf war zunächst die Regelung enthalten, dass Schulkinder bei Verdacht oder tatsächlicher Infektion einen negativen Test vorlegen müssen, um wieder zur Schule gehen zu können. Nach massiver Kritik aus den Ländern sagte der Bund eine Streichung zu.

Wie wird reagiert, wenn es zu vielen schweren Verläufen kommt?

Neben der Impfung kommt es auf antivirale Medikamente wie Paxlovid an. Das kann bei Risikopersonen die Virenlast in der Anfangsphase effektiv senken und so auch einen Krankenhausaufenthalt vermeiden helfen. Medikamente und Antikörper stehen zur Verfügung, aber sie werden selten verschrieben. Das soll sich ändern, hier ist die Bundesregierung einer Meinung mit dem Expertenrat. Es braucht Aufklärung bei den Ärzten. Menschen mit einem höheren Risiko sollten schon vorab mit dem Hausarzt sprechen, damit bei einer Infektion alles schnell geht.

Welche Kritik gibt es an der Gesetzesnouvelle?

Bei Experten und Verbandsvertretern stößt sie auf gemischte Reaktionen. Viele begrüßen es, dass die Länder auch im Herbst die Möglichkeit haben sollen, Maßnahmen nötigenfalls zu verschärfen. Allerdings seien die genauen Kriterien dafür noch unklar, da bleibe der vorgestellte Entwurf „leider noch im Vagen“, sagte etwa der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, der Funke-Mediengruppe.
Im Bundesrat haben die Länder vom Bund gefordert, die geltende Maskenpflicht für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen wie für Beschäftigte in Behindertenwerkstätten aus dem Infektionsschutzgesetz zu streichen. Ihre Begründung: Das Sozialleben in den Einrichtungen soll auch in der Corona-Pandemie so wenig wie möglich eingeschränkt werden. Deshalb könne in Gemeinschafts- und Aufenthaltsräumen, Wohnküchen oder Speisesälen auf das Anlegen von Masken verzichtet werden.
Einige Bundesländer haben die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen des Nahverkehrs bereits abgeschafft, das erste war Sachsen-Anhalt.
Quellen: Dlf Nachrichten, Volkart Wildermuth, Johannes Kuhn, dpa, AFP, fmay, og