Inflation
Warum steigen die Preise?

Eine hohe Inflation macht Wirtschaft und Verbrauchern in Deutschland zu schaffen. Wie entsteht Inflation? Warum ist sie derzeit so hoch? Und was kann man dagegen tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

    Eine Frau mit Einkaufstüten steht vor einem Gemüsestand.
    Sorgen um die Kaufkraft der Verbraucher in Deutschland: Die Inflation ist so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. (IMAGO / Westend61 / Natalia Deriabina)
    Die Inflation in Deutschland ist außergewöhnlich hoch. Das Jahr 2022 brachte die größte Preissteigerung, die das wiedervereinigte Deutschland bisher erlebt hat. Wegen teurer Energie und Nahrungsmittel erhöhten sich die Preise laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich um 7,9 Prozent. Im November 2022 lag die Teuerungsrate sogar bei 8,8 Prozent. Seitdem ist sie kontinuierlich gefallen. Im August lag sie bei 6,1 Prozent und damit in etwa auf dem Niveau von März 2022.
    Inflationsrate in Deutschland
    Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im August 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat um 6,1 Prozent gestiegen. Damit ist die Inflationsrate im Vergleich zum Vormonat erneut leicht gefallen, befindet sich jedoch weiterhin auf hohem Niveau. Seit Juli 2021 befindet sich die Inflation in Deutschland auf Rekordniveau. Verantwortlich dafür sind unter anderem Basiseffekte, die auf die coronabedingte Senkung der Mehrwertsteuer in der zweiten Jahreshälfte 2020 und den damit einhergehenden sinkenden Preisen bei vielen Gütern zurückzuführen sind. Im Vergleich zum Vorjahr sind zudem die Preise für Mineralölprodukte und andere energieerzeugende Rohstoffe stark gestiegen, diese Entwicklung wird durch den Krieg in der Ukraine weiter verstärkt.
    Monatliche Inflationsrate in Deutschland bis August 2023 (Statista)

    Wie entstehen Inflation und Deflation?

    Inflation ist der anhaltende Wertverlust von Geld durch steigende Preise. Preissteigerungen können verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel die Verknappung bestimmter Güter oder Dienstleistungen. Wegen einer höheren Nachfrage erhöhen sich dann die Preise der Produkte. Preisanstiege bei Produktionsgütern und Rohstoffen werden von den Unternehmen in der Regel an die Verbraucher weitergegeben.
    Eine Deflation ist sozusagen das Gegenteil der Inflation. Hier gehen die Preise stetig zurück, Güter und Dienstleistungen werden billiger. Die Gründe können ebenfalls unterschiedlich sein: Die Nachfrage privater Haushalte sinkt – oder die Nachfrage aus dem Ausland nach Importwaren. Gefährlich ist eine Deflation, weil sie eine Abwärtsspirale in Gang setzen kann: Werden fallende Preise erwartet, werden Investitionen und Käufe zurückgestellt – die Wirtschaft stockt.

    Was trieb die Preise in den letzten Jahren?

    Schon im Jahresdurchschnitt 2021 hatten sich vor allem Energieprodukte verteuert - sie legten gegenüber dem Vorjahr deutlich um 10,4 Prozent zu, nach einem Rückgang um 4,8 Prozent im Jahr 2020. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher spürbare Preiserhöhungen gab es 2021 vor allem bei leichtem Heizöl und bei Kraftstoffen. Auch die Preise für Erdgas und Strom erhöhten sich.
    Im Jahr 2022 gingen die Preissteigerungen bei der Energie weiter. Sie wurden zum einen von der weltweiten Konjunkturerholung nach dem wirtschaftlichen Einbruch durch Corona angeheizt. Vor allem aber ließ der Krieg in der Ukraine Energiepreise und auch die Lebensmittelpreise deutlich anziehen.
    Öl, Strom und Gas wurden deutlich teurer
    Die Steigerung beim Ölpreis hing unter anderem mit dem sechsten EU-Sanktionspaket zusammen, mit dem die EU im Mai 2022 beschloss, die russischen Ölimporte um rund 90 Prozent zu reduzieren. Zwischenzeitlich stiegen auch die Strompreise und vor allem die Gaspreise sprunghaft an. Letzteres lag vor allem daran, dass Russland nach Kriegsbeginn immer weniger Gas nach Europa lieferte.

    Wie entwickelt sich die Wirtschaft und Inflation 2023?

    Schon im vergangenen Jahr erwarteten die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute angesichts der teuren Energie für 2023 Folgen für die Konjunktur. In seinem Jahresgutachten prognostizierte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im November 2022, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2023 real um 0,2 Prozent zurückgehen wird. Die Inflationsrate werde abflachen und im Durchschnitt bei 7,4 Prozent liegen.
    Doch dann fiel zunächst der erhoffte Frühjahrsaufschwung aus und auch über den Sommer kam die deutsche Wirtschaft nicht in Schwung. Anfang September 2023 korrigierte das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Konjunkturprognose für Deutschland nach unten und erwartet nun einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent für 2023.
    Die Inflation soll sich stärker abschwächen als erwartet, die Vorhersagen der führenden Wirtschaftsinstitute gehen von rund 6,0 Prozent für 2023 aus.

    Was sind Auswirkungen und Gefahren einer hohen Inflation?

    Steigende Inflationsraten können für die Verbraucher einen Verlust an Kaufkraft bedeuten. Das heißt: Für eine bestimmte Geldsumme können bei einem Anstieg der Inflation nicht mehr in gleichem Maße Waren gekauft oder Dienstleistungen in Anspruch genommen werden wie zuvor. Daher ist es für die Beurteilung inflationärer Tendenzen sehr wichtig, auf die Entwicklung von Löhnen und Gehältern zu schauen. Steigen sie in der Teuerung nicht oder im Verhältnis zum Anstieg der Preise zu wenig, schwindet die Kaufkraft der Konsumenten.
    Entwicklung der Reallöhne, Nominallöhne und Verbraucherpreise
    2022 sind die Tarifgehälter nicht so stark wie die Verbraucherpreise gestiegen. Nach einer Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nahmen die Tariflöhne durchschnittlich um 2,7 Prozent zu. Bei einem gleichzeitig sehr viel stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise ergab sich demnach ein Reallohnverlust von 4,7 Prozent.
    Die hohe Inflation führt auf diese Weise zu erheblichen Kaufkraftverlusten. Betroffen sind davon besonders Menschen, die nur ein geringes Einkommen und keine Rücklagen haben.
    Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, hat deswegen auf die sozialen Folgen der hohen Inflation aufmerksam gemacht. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten brächten viele Menschen an ihre Belastungsgrenze und darüber hinaus.
    Auch Geldanlagen und Vermögensaufbau - etwa zur Altersvorsorge - werden von der Teuerungsrate in Mitleidenschaft gezogen. Ist die Inflation höher als die Zinsen, verliert das Geld auf dem Sparbuch an Wert. Die Bundesregierung versuchte 2022, die Belastungen für Verbraucher und Wirtschaft durch die hohe Inflation abzumildern. Drei Entlastungspakete wurden gebilligt. Außerdem sollten Haushalte und Unternehmen mit einer Gas- und Strompreisbremse Entlastungen spüren.

    Was besagt die Inflationsrate genau?

    Als Inflationsrate wird der prozentuale Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in einem bestimmten Zeitraum bezeichnet, in der Regel ein Jahr, und zwar gemessen an einem Preisindex.
    In Deutschland wird die Inflationsrate von den Statistischen Landesämtern und dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden berechnet. Jeden Monat werden zu diesem Zweck Einzelpreise erfasst, und zwar von Waren und von Dienstleistungen.
    Insgesamt werden Preise von rund 600 Güterarten erhoben: Sie bilden den sogenannten Warenkorb. Er wird als repräsentativ angesehen - allerdings gibt es auch immer wieder Diskussionen darüber, ob er richtig zusammengesetzt ist.

    Wie nehmen Zentralbanken Einfluss auf die Preisstabilität?

    Die Sicherung stabiler Preise ist in der Regel die originäre Aufgabe der Zentralbanken. Sie sind daher idealerweise nicht an Weisungen von Regierungen gebunden. In Deutschland hat über viele Jahre die Deutsche Bundesbank die Steuerung der Geldpolitik verantwortet.
    Seit der Einführung des Eurosystems, deren Mitglied die Bundesbank ist, ist die Europäische Zentralbank zuständig. Auch sie ist vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Das unterscheidet sie zum Beispiel von der US-amerikanischen Zentralbank Federal Reserve (Fed). Diese berücksichtigt in ihren geldpolitischen Entscheidungen auch Effekte auf den Arbeitsmarkt.
    Rund zwei Prozent Inflation sind das Ziel
    Preisstabilität sieht die EZB dann als am besten gewährleistet an, wenn die Inflation rund zwei Prozent beträgt – das ist der Wert, der angestrebt wird. Dieses Ziel ist symmetrisch, das bedeutet: Negative Abweichungen sind genauso unerwünscht wie positive.
    Christine Lagarde steht an der Spitze der Europäischen Zentralbank. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Bekämpfung der Inflation.
    Christine Lagarde steht an der Spitze der Europäischen Zentralbank. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Bekämpfung der Inflation. (AFP / Saul Loeb)
    Bis Juli 2021 peilte die EZB Inflationsraten von mittelfristig „unter, aber nahe zwei Prozent“ an. Seit der Vorstellung einer neuen geldpolitischen Strategie heißt es, dass der Wert mittelfristig zwei Prozent betragen soll.
    Hinter diesem Zielwert steht die Annahme, dass die Gefahr einer Deflation bei einer maßvollen Teuerung am geringsten ist. Die Bedrohung durch eine "galoppierende", also stark zunehmende Inflation ist bei einer beherrschbaren Preissteigerung von zwei Prozent ebenfalls nicht gegeben.
    Ziel über lange Zeit nicht erreicht
    Das Ziel einer Inflationsrate von rund zwei Prozent hat die EZB allerdings über lange Zeit nicht erreicht. Normalerweise erhöhen die Zentralbanken die Zinsen, wenn die Teuerung zunimmt, um die Preise stabil zu halten. Denn bei höheren Zinsen werden Kredite teurer und daher seltener aufgenommen. Es entsteht weniger Nachfrage und damit weniger Druck auf die Preise.
    In den vergangenen zehn Jahren hat die EZB aber die Zinsen immer wieder gesenkt beziehungsweise auf einem niedrigen Niveau belassen, um auf diese Weise Geld günstiger zu machen. Seit März 2016 lag der Leitzins im Euroraum bei 0,0 Prozent.
    EZB auf neuen Pfaden
    Als Reaktion auf die immer weiter steigende Inflationsrate verließ die EZB Mitte 2022 ihren bisherigen Kurs des billigen Geldes. Seit Ende Juli 2022 erhöhte sie den Leitzins in mehreren Schritten deutlich, zuletzt am 14. September 2023 auf nun 4,5 Prozent.
    Zehnte Leitzins-Anhebung in Folge: Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht den Leitzins (= Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft) um 0,25 Prozentpunkte. Ab dem 20. September 2023 gilt für den Euroraum ein durch die EZB festgelegter Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft von 4,5 Prozent. Damit liegt der Leitzins so hoch wie zuletzt zu Beginn der 2000er Jahre. Grund für den erneuten Zinsschritt ist die nur sehr langsam zurückgehende Inflation in der Eurozone.
    Leitzins der EZB - Entwicklung bis September 2023 (Statista)
    Viele Experten hatten die erste Zinsanhebung im Juli 2022 als zu zögerlich und zu gering kritisiert. Doch die EZB steckte in einem Dilemma: Hätte sie die Zinsen zu schnell erhöht, hätte das für die hoch verschuldeten EU-Länder gefährlich werden können.

    Ist Stagflation eine reale Gefahr?

    Unter Stagflation versteht man ein Szenario, in dem die Wirtschaft stagniert und die Preise gleichzeitig anziehen. Erste Experten meinen, dass in Europa aktuell eine Stagflation droht. Der Krieg in der Ukraine und die daraufhin beschlossenen Sanktionen belasten die wirtschaftlichen Aktivitäten deutlich, gleichzeitig treiben sie die Rohstoffpreise nach oben.
    Stagflation sorgt für einen Teufelskreis. Die gestiegenen Preise senken die Nachfrage, Unternehmen produzieren weniger und müssen daher auch Arbeitsplätze streichen, auch weil die Mitarbeitenden wegen gestiegener Preise höhere Löhne fordern. Die Arbeitslosigkeit steigt an und darüber fällt wiederum die Nachfrage.
    Ein tückisches Problem
    Stagflation ist für die Notenbanken ein tückisches Problem. Um die Inflation zu bremsen, müssen sie eigentlich die Zinsen erhöhen – das allerdings setzt dem Wachstum zu, und die Wirtschaft wächst in einer Stagflation ohnehin nicht. Umgekehrt würden die Notenbanken gerne die Zinsen senken, um die Wirtschaft zu stützen – das treibt dann allerdings die Inflation.
    Um einer Stagflation zu entkommen, müssen die Notenbanken vor allem Vertrauen schaffen. Vertrauen, dass die Preise nicht weiter steigen werden. Besteht dieses Vertrauen, schaffen Unternehmen wieder neue Arbeitsplätze, weil sie nicht länger mit steigenden Lohnforderungen und fallender Nachfrage rechnen.
    Quellen: Klemens Kindermann, dpa, rtr, afp, ahe, cp, pto, tih