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Influencer in der Kritik
Können Journalisten profitieren?

Hat das Geschäft mit den sogenannten Influencern im Internet seinen Höhepunkt hinter sich? Eine bekannte Berliner Werbeagentur jedenfalls ist dieser Meinung. Für Reisejournalisten könnte darin eine Chance liegen. Zurzeit sieht der Markt für sie noch alles andere als rosig aus.

Von Dieter Wulf |
    Eien Gruppe Jugendlicher betritt des A&O-Hotel in Berlin.
    Die Hotel- und Hostelkette A&O hat lange auf Werbung mit Influencern gesetzt, jetzt hört sie damit auf. (picture alliance / dpa / Felix Zahn)
    "Wir sind gerade in unser Zimmer gekommen und wir haben das megageile Zimmer, wir sind bei A&O im Hotel, und dann geht man hier rein. Und das ist extrem geräumig, damit habe ich so gar nicht gerechnet." So hört sich das an, wenn man der Berlinerin Ema auf Youtube zusieht, wie sie gerade ihr Zimmer bezieht. Alles ist fantastisch und jedes neue kleine Detail, das sie zu entdecken scheint, führt zu immer weiteren Begeisterungsstürmen: "Und dann haben wir da oben so 'nen niedlichen kleinen Fernseher, wo wir später Fußball gucken können, und dann haben wir da noch so 'nen kleinen Tisch, 'nen Mülleimer. Und hier ist einmal die Aussicht: Die ganze Lage ist megageil."
    Ema, deren wirklichen Namen man nicht erfährt, ist erfolgreiche Influencerin. Auf Instagram hat sie unter ihrem Pseudonym Ema Louise 350.000 Follower und bei Youtube über eine halbe Million Abonnenten. Das wiederum machte sie für die auf sehr junges Publikum zugeschnittene Hotel- und Hostelkette A&O interessant, und sie wurde 2016 engagiert, erklärt Thomas Hertkorn, der dort für Online-Marketing zuständig ist. "Wir haben aktiv einige angesprochen und gesagt, die haben hohe Reichweite, passend zu unserer Zielgruppe, wo es darum geht, dass Inhalte generiert werden nach unseren Wünschen, nach unseren Vorstellungen, die auf die Zielgruppe zugeschnitten werden könnten."
    Werbeagentur: Influencer-Boom ist vorbei
    Die Hostelkette A&O generiert in diesem Jahr an etwa 20 Standorten über fünf Millionen Übernachtungen im Billigsegment. Seit 2016 gab sie nach eigenen Angaben mehrere hunderttausend Eure für Influencer-Marketing aus. Bis jetzt. Man habe sich entschieden, aus dieser Art Werbung komplett auszusteigen, hieß es jetzt in einer Pressemeldung der Hotelkette. Zeitgleich kam eine Studie der Berliner Agentur "Jung von Matt" zum Ergebnis, der Influencer-Boom sei vorbei. Seine Firma habe jedenfalls nur schlechte Erfahrungen gemacht, meint Thomas Hertkorn.
    "Sei es standardmäßig die Influencer, die bei uns regelmäßig anfragen, ob sie bei uns eine kostenlose Übernachtung generieren können für zwei Bilder. Sei es große Kampagnen, die wir mit YouTubern hatten oder auch mit anderen Partnern, wo dann nach drei, vier Monaten alle Links gelöscht wurden, also alles, was auf uns verwiesen hat."
    Influencer sind eben in den allermeisten Fällen weder Medienprofis noch Journalisten, was bei der Hotelkette immer wieder zu Problemen führte. "Da hatten wir auch immer wieder Differenzen mit unseren Influencer-Partnern, die teilweise Rechtschreibfehler hatten und teilweise solche Fehler gemacht haben, dass wir nicht mal mehr als Marke erkennbar waren, und das ist natürlich ein Riesenproblem. Wenn wir A&O Hostels sagen, sind wir halt nicht A&B Hostels. Und genau solche Thematiken hatten wir."
    Chance für Reisejournalisten?
    Statt also Influencer zu bezahlen oder zumindest mit kostenlosen Hotelübernachtungen zu belohnen, läge es nahe, diejenigen berichten zu lassen, die ihr Handwerk verstehen. In den letzten Jahren aber war die Nachfrage an Reisejournalisten stark rückläufig, betont Rüdiger Edelmann, im Vorstand der Vereinigung deutscher Reisejournalisten. "Die materielle Lage der Reisejournalisten hat sich sehr, sehr stark verschlechtert. Ich will mal so weit gehen, dass ich mir schon vorstellen kann, dass ein freier Printjournalist heute mit 50 Prozent weniger Einnahmen über die Runden kommen muss, als es vor 20 Jahren noch war."
    Und weil Verleger und Senderverantwortliche fast durchweg keine Rechercheetats mehr zur Verfügung stellen, bleibt besonders freien Journalisten schon seit vielen Jahren nichts anderes übrig, als sich auf PR-Angebote wie Recherchereisen einzulassen. Doch selbst diese Möglichkeiten wurden durch das Social-Media-Marketing immer weiter eingeschränkt, meint Rüdiger Edelmann.
    "Die Problematik für Journalisten liegt schlicht in der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Marketingsetats bei Unternehmen aufgestockt wurden und auf der anderen Seite PR-Etats runtergefahren wurden. Und dadurch noch weniger Recherche möglich war. Und wenn sie weniger recherchieren, können sie weniger produzieren, und wenn sie weniger produzieren, verdienen sie weniger Geld."
    Die Produkte der Influencer aber seien zur totalen Beliebigkeit verkommen, so die Kritik von A&O. "Also Instagram-Accounts sind heute alle eigentlich austauschbar und alle gleich. Und gerade diese Individualität, die ja dann doch nicht vorhanden ist, die wird durch den Journalismus wieder zurückkommen. Weil am Ende des Tages schreibt hier immer ein Journalist, der seine Persönlichkeit mit einbringt. Und das ist viel individueller als jeder Instagram-Post oder jedes Video, was da draußen veröffentlicht wird."