Ann-Katrin Schmitz hat eine kleine Agentur für sogenanntes Influencer-Marketing. Kosmetik- und Modefirmen gehören dabei zu ihren Stammkunden. Doch seit der Europawahl im Mai klopfen bei Schmitz immer häufiger auch Politiker und Parteien an. "Das kommt seit dieser Wahl, die durch Rezo als Influencer nachweislich beeinflusst wurde, vor. Aber erst seitdem."
Es ist ein eher vorsichtiges Herantasten: Meist kommen vor allem Einladungen zu Parteiveranstaltungen - beispielsweise zu Parteitagen.
"Einfach nur als eine Einladung zu verstehen, wo man sich dann sein eigenes Bild machen soll. Aber es ist natürlich immer bei einer Einladung schon wieder ein kritischer Fall, wenn dann da Reisekosten gezahlt werden. Dann erwartet die Partei ja im Zweifel auch irgendwie eine Art von positiver Berichterstattung über sich selber."
Hier sollten die umworbenen Influencer sehr genau überlegen, ob sie das wirklich wollen - und sollten solche Einladungen im Zweifelsfall auch transparent machen, findet Vermarkterin Schmitz.
Vermarkter: Zusammenarbeit, aber vorsichtig
Influencer müssten aber auch noch aus einem anderen Grund vorsichtig bei der Zusammenarbeit mit Parteien und Politikern sein:
"Aus wirtschaftlichen Aspekten ist das sowieso absolut nicht ratsam. Zu mir hat mal ein sehr großer Unternehmer gesagt: Am besten äußerst Du Dich niemals öffentlich politisch oder zu religiösen Fragen. Denn das reibt die Menschen in der Regel so sehr auf und da hat jeder im Zweifel so eine starke Meinung, dass das da nur zu Konflikten kommen kann."
Je nachdem mit wem sie zusammenarbeiten, verprellen sie dadurch schließlich einen größeren oder kleineren Teil Ihrer Fans. Trotzdem findet es Vermarkterin Schmitz gut, wenn sich Influencer auch mit politischen Themen beschäftigen und ihren Fans auch wichtige Botschaften vermitteln, beispielsweise beim Thema Klimaschutz.
"Einfach seine Community aufmerksam machen: Hey, das und das sind Botschaften, hinter denen stehe ich. Und jetzt sucht euch mal eine Partei, die die vertritt, wenn ihr die auch gut findet. Und dann bildet man politische Meinung. Und das finde ich durchaus wichtig. Und da müssen vor allem Influencer mehr Verantwortung übernehmen."
Influencer: Politisch, aber nicht parteiisch
Das sieht Diana zur Löwen ähnlich. Die 24-jährige Influencerin ist vor allem für Mode- und Kosmetik-Themen bekannt. Doch gerade in den vergangenen Monaten hat sie sich auch immer wieder mit politischen Themen beschäftigt, beispielsweise die Diskussionen um die EU-Urheberrechtsreform, mit dem Mauerfall oder dem Ausstieg aus der Neo-Nazi-Szene. Werbung für politische Parteien kann sie sich trotzdem nicht vorstellen - allein schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen.
"Ich glaube, das würde überhaupt nicht gut ankommen. Also ich glaube, da würde ich echt auch einige Follower auch verlieren. Das wäre bestimmt auch schwierig für andere Werbepartner, die dann vielleicht auch nicht mit mir arbeiten würden. Je nachdem, welche Partei das vielleicht sogar auch ist."
Trotzdem möchte sie auch gerne politische Botschaften vermitteln - und hat beispielsweise auch schon Werbung für die Europawahlen und das EU-Parlament gemacht, erzählt sie.
"Da habe ich mit dem Parlament zusammengearbeitet einfach wo es um das Thema Umwelt geht. Und meine Zuschauer darauf aufmerksam gemacht, dass die EU sich auch für das Thema Umweltschutz einsetzt. Und ich fand das von der Message einfach sehr positiv. Und deswegen habe ich mich auch dafür eingesetzt."
Landesmedienanstalten: Werben, aber transparent
Deutschlands oberste Medienwächterin Cornelia Holsten findet solch ein politisches Engagement gut. Sie ist Chefin der Bremischen Landesmedienanstalt und Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, die auch die Werbeaktivitäten von Influencern überwachen.
"Die berühren halt so sehr. Deswegen haben sie natürlich viel Gewicht in der jungen Zielgruppe. Und ich glaube auch, dass beispielsweise Influencer in der Lage sind, Wahlbeteiligungen zu erhöhen. Weil sie politisches Interesse wecken können, was gut ist."
Spezielle Regeln für politische Äußerungen von Influencern im Wahlkampf, so wie sie die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Europawahl angeregt hatte, hält Medienwächterin Holsten dagegen für überflüssig.
"Ich hab schon damals Frau Kramp-Karrenbauer öffentlich widersprochen, und das wiederhole ich hier gerne nochmal: Natürlich brauchen wir keine Regeln, wenn jemand sich auf die Meinungsfreiheit berufen kann. Völlig klar."
Wichtig sei vor allem, dass bezahlte politische Werbung transparent gemacht werde.
Unser Autor hat seine Gespräche auf der Veranstaltung #watchdog19 geführt, einer Social-Media-Tagung der Landesanstalt für Medien NRW.