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Informationsabend für Anwohner
800 Flüchtlinge für Doberlug-Kirchain

Das dünn besiedelte Brandenburg wird in diesem Jahr bis zu 10.000 Flüchtlinge aufnehmen müssen. Schon im vergangenen Jahr waren es mit rund 6.000 Menschen fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Weil die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Eisenhüttenstadt aus allen Nähten platzt, werden händeringend Unterkünfte gesucht.

Von Vanja Budde |
    Eine Frau mit Kopftuch mit Kind auf dem Schoß - sie gehörten zur ersten syrischen Flüchtlingsgruppe, die im September 2013 in Hannover gelandet ist.
    Am Ortsrand von Doberlug-Kirchhain sollen in einer Kaserne hunderte Flüchtlinge aufgenommen werden. (imago/epd)
    Als Innenminister Karl-Heinz Schröter von der SPD die Einwohner zum ersten Mal persönlich darüber informiert, dass in der drei Kilometer von der Stadthalle entfernten Kaserne am Ortsrand hunderte Flüchtlinge untergebracht werden sollen, sitzen im Saal viele mit vor der Brust verschränkten Armen und verschlossenen Minen da. Schröter wirbt um Verständnis und Mitgefühl.
    Neben dem aus Potsdam angereisten Minister sitzen Bürgermeister und Landrat auf dem Podium, flankiert von den Leitern der Polizeidienststellen. Sicherheit ist denn auch immer wieder ein Thema: Die Anwohner haben Angst.
    "Die Sorgen sind in erster Linie wahrscheinlich krimineller Art. Vielleicht täuschen wir uns da auch. Uns fehlt einfach die Erfahrung mit solchen Leuten."
    "Es sind schon Meinungen darüber, dass sich Bürgerwehren gründen werden, falls es zu Problemen kommen sollte."
    "Meine Frau zum Beispiel, die geht viel wandern, an der Kaserne vorbei, da durch den Wald. Und ich hab sie vorhin gefragt, ob sie denn dann da oben immer noch lang geht, und sie hat klipp und klar gesagt nein, dann geht sie in die Stadt."
    Bessere Busverbindung dank Flüchtlingsheim
    Ein Asylbewerberheim ist kein Gefängnis, muss das Podium mehr als einmal klar stellen: Ja, die Leute dürfen sich frei bewegen, ja, sie dürfen in die Stadt fahren und da herum laufen. Doberlug-Kirchhain werde auch Vorteile haben, lockt Innenminister Schröter: Die Buslinie wird öfter fahren, demnächst dann sogar einmal in der Stunde. Auch Bürgermeister Bodo Broszinski von der FDP bemüht sich, die positiven Aspekte der Einquartierung zu betonen.
    "Ich hab da eine Zahl gehört von über 80 Arbeitsplätzen. Das sind natürlich Sachen, die in einer strukturschwachen Region benötigt werden."
    Das Städtchen liegt 120 Kilometer südlich von Berlin, unmittelbar am Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft. Es hat eine schmuck sanierte kleine Altstadt und erlebte vor ein paar Jahren einen Schock, als die Bundeswehr aus der Lausitz-Kaserne abzog und mit ihr viele Arbeitsplätze verloren gingen. Doch ob der Umbau der beiden Plattenbauten im Wald zur Massenunterkunft mit einem privaten Betreiber von außerhalb Abhilfe schafft? Die im Saal anwesenden Kleinunternehmer sind skeptisch:
    "Mich interessiert nur die Vergabe, und die wird in Berlin entschieden. Und die Handwerker hier bleiben auf der Strecke, das sag ich klipp und klar. Wir nehmen diese 800 Leute auf! Und da sollte auch die Arbeit hier in der Region bleiben."
    Ressentiments in der Bevölkerung
    Zwei Stunden lang machen sich die Anwohner in der grell erleuchteten Stadthalle Luft. Auch Ressentiments werden offen artikuliert. Von Wirtschaftsflüchtlingen ist die Rede und es zeigt sich: Die Angst vor Anschlägen ist bis Doberlug-Kirchhain vorgedrungen.
    "Es sind ja auch Leute dabei, die mit schlechten Gedanken hierher kommen, terroristischer Art."
    Die rechte Szene ist zur Erleichterung des Bürgermeisters nicht erschienen. Als ein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr die Brandgefahr in der Kaserne thematisiert, heißt es zwar "Dann lasst es doch brennen" - doch das wird auf den hinteren Rängen nur halblaut geraunt.
    Die Bilanz des Abends: Die Doberlug-Kirchhainer haben zwar ihre Ängste, aber viele sind auch bereit, die Flüchtlinge mit offenen Armen zu empfangen.
    "Ich denke mal schon, dass die meisten Menschen sich darüber Gedanken machen in der Hinsicht, dass eben viele, die hierherkommen, wirklich ein schweres Schicksal hinter sich haben. Und ich denke mal, dass die meisten das akzeptieren und verstehen werden."
    "Ich fand den Abend sehr informativ, hat mir sehr viel gebracht. Also ich bin ein Befürworter."
    Ob die Doberlug-Kirchhainer mit den Flüchtlingen gut auskommen werden, wird sich im Herbst zeigen: Dann ziehen die ersten 400 in die ehemalige Lausitz-Kaserne ein. Fest steht, dass gegen Vorurteile und Ängste eines am besten hilft: der direkte, menschliche Kontakt.