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Informationsfreiheitsgesetz
Wie steht es um die staatliche Transparenz?

Was macht der Staat mit meinen Steuern? Welche fragwürdigen Verbindungen haben Politiker? Das Informationsfreiheitsgesetz ist auch ein wichtiger Beitrag zur Pressefreiheit. Doch obwohl die Behörden zur Auskunft verpflichtet sind, stoßen Fragende oft gegen Mauern, sagt Experte Manfred Redelfs.

Text: Nina Magoley | Manfred Redelfs im Gespräch mit Sören Brinkmann | 03.05.2022
Aktenstapel
Akteneinsicht in Deutschland oft noch tabu (picture alliance / Marijan Murat/dpa)
Welchen Zugang haben Journalistinnen und Journalisten in Deutschland zu Informationen aus den öffentlichen Behörden? Laut Informationsfreiheitsgesetz ist die Verwaltung der Bundesregierung verpflichtet, auf Anfragen von Medien oder Bürgern Auskunft zu geben. Auch in vielen Bundesländern gilt das für die dortigen Parlamente und Kommunen. Bei der Umsetzung aber hapert es oft.
Dabei soll das Informationsfreiheitsgesetz nicht nur mehr gesellschaftliche Demokratie bringen - auch für die Pressefreiheit sei es enorm wichtig, sagt Manfred Redelfs, der sich neben seiner Arbeit für Greenpeace im Vorstand der Journalistenorganisation "Netzwerk Recherche" engagiert: Medienschaffende haben darüber noch einen erweiterten Zugang zu wichtigen Erkenntnissen.
Denn in den Landespressegesetzen sei nicht genau formuliert, in welcher Form die Pressestellen ihren Informationen herausgeben müssen. So existiere zum Beispiel kein Anspruch auf Akteneinsicht oder Rohdaten etwa aus Tabellen. Recherchierende Journalisten müssten daher oft "stark argumentieren", wenn sie bestimmte Informationen haben wollten.
Anders als in vielen anderen Ländern, sagt Redelfs. In den USA beispielweise gibt es den "Freedom of Information Act" schon seit 1966, in Schweden ist die Informationsfreiheit sogar seit 250 Jahren in der Verfassung verankert. In Deutschland ist das Informationsfreiheitsgesetz gerade mal zwölf Jahre alt.
"Viele Verwaltungsstellen fremdeln noch mit diesem Prinzip der Transparenz", sagt Redelfs, "da hinkt immer noch die deutsche Tradition des Amtsgeheimnisses nach". Über viele Jahre hätten sich öffentliche Verwaltungen für Entscheidungen nicht rechtfertigen müssen.
Redelfs sieht den Grund in der deutschen Geschichte: Hierzulande hätten demokratische Bewegungen immer wieder Rückschläge erlitten, mit langen Phasen, in denen die Pressefreiheit sehr eingeschränkt war. "Das wirkt sich bis heute auf das Verhältnis zwischen Bürger und Saat aus. Direkter Demokratie wird eher mit Misstrauen begegnet."
Daraus ergebe sich ein "Teufelskreis": Weil Verwaltungen oft auf Anfrage noch "mauern", sähen viele potentielle Fragesteller von Anträgen von vornherein ab. Ändern ließe sich das nur, wenn deutlich mehr Fragen an öffentliche Stellen gerichtet würden.
Möglichkeiten gibt es einige - auf Bundes- wie auf Landesebene:

Informationsfreiheitsgesetz des Bundes

Das seit 2005 geltende Informationsfreiheitsgesetz des Bundes soll dafür sorgen, dass jeder Mensch "voraussetzungslosen Anspruch" auf Zugang zu amtlichen Informationen oder Akteneinsicht bei Behörden des Bundes hat. Jeder ist anspruchsberechtigt, ohne Begründung.
Keine Auskunft geben muss der Bund in besonderen Fällen: Etwa bei "öffentlichen Belangen", wenn persönliche Daten Dritter geschützt werden sollen, bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und geistigem Eigentum. Und auch, wenn durch die Informationsfreigabe etwa ein behördlicher Entscheidungsprozess vereitelt würde. Die angefragten Behörden müssen aber begründen, warum sie sich auf diese Ausnahmen berufen. Auch die Nachrichtendienste sind nicht zur Informationsfreigabe verpflichtet.
Der Informationszugang muss laut Gesetz "unverzüglich", nach Möglichkeit binnen eines Monats gewährt werden. Sehr häufig versucht die Bundesregierung aber offenbar, ihre Auskunftspflicht herauszuzögern.
Auskünfte beim Bund kosten zudem oft eine Gebühr. Was wieviel kostet, regelt die Informationsgebührenverordnung.

Informationsfreiheitsgesetze der Länder

Die meisten Bundesländer haben eigene Informationsfreiheitsgesetze (IFG). Das Recht auf Auskunft gilt dort von den Landesministerien bis zu einzelnen Kommunen. Kein Landesgesetz haben bislang Bayern, Niedersachsen und Sachsen.
Wer in den Ländern mit umfassendem Informationsfreiheitsgesetz anfragt, kann selber entscheiden, ob die Antwort per Telefon, Email oder Post erfolgen soll - oder ob eine Akteneinsicht gewünscht ist. Das ist so weitreichend bisher allerdings nur in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen möglich. Experten kritisieren, dass es gleichzeitig zu viele Ausnahmeregelungen gibt, auf die sich die Behörden berufen können, um eine Auskunft zu verweigern.
Im sächsischen Landtag liegt zumindest der Entwurf für ein "Transparenzgesetz" vor, das auf den ersten Blick sogar noch weiter geht als andere IFG: Es soll automatische Veröffentlichungspflichten vorschreiben. Aber: Ausgenommen davon sind Kommunen. Und gerade hier gibt es erfahrungsgemäß die meisten Bürgerfragen. Außerdem sind pauschal Wirtschaftsdaten, Forschungseinrichtungen, der Landesrechnungshof und die Regierung ausgeschlossen von der Transparenz. "Ein Einfallstor für Informationsblockaden, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten", kritisiert das "Netzwerk Recherche".
Als ebenso "halbherzig" bewertet das Netzwerk einen Gesetzesvorschlag in Schleswig-Holstein. Ein "Open Data-Gesetz" soll dort ein Portal ermöglichen, auf dem Verwaltungsinformationen veröffentlicht werden können. Allerdings sollen die Behörden weitgehend selber entscheiden können, welche Daten online gehen oder nicht.

FragDenStaat

Seit 2011 macht es die Online-Plattform FragDenStaat.de dem Normalbürger einfacher, Fragen zu stellen. Nicht nur auf Bundesebene, sondern auch innerhalb der Länder. Zuletzt hatte FragDenStaat interne Dokumente im Zusammenhang mit der Nord Stream 2-Affäre der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht. Dort, wo es kein IFG gibt, leitet die Plattform Fragen an Kommunen weiter.
In den vergangenen Jahren erweiterten die Macher der Plattform das Angebot um zusätzliche Bereiche:

  • FragDenBundestag - mit dieser Kampagne wurden Gutachten im Auftrag des Bundestags veröffentlicht. Mittlerweile tut das der Bundestag in einem eigenen Verzeichnis.
  • Abgeordnetenwatch - eine Plattform, über die man Fragen an Abgeordnete verschiedener Parlamente stellen kann. Außerdem werden hier Recherchen zu Lobbyismus, Parteispenden oder Nebentätigkeiten von Abgeordneten veröffentlicht.
  • Topf Secret - hier können die Kontrollberichte der Ordnungsämter in einzelnen Gastronomiebetrieben angefragt werden

Datenaustausch für effizientere Wissenschaft

Eine etwas andere Ausrichtung hat die "Open-Data-Strategie der Bundesregierung". Dieses Projekt hat zum einen das Ziel, das vor allem durch die Pandemie gestiegene Informationsbedürfnis der Menschen zu befriedigen - "um faktenbasierte Entscheidungen zu treffen", wie es in einem Text des Bundes heißt. Zum anderen sollen aber auch offene Daten "Impulse für die Entwicklung vielfältiger digitaler Lösungsansätze" geben - von zukunftsweisenden Technologien wie Künstlicher Intelligenz bis zur Anwendungen im Bereich der Smart Cities. Auch dem Bund angegliederten wissenschaftliche Behörden, wie zum Beispiel das RKI, machen ihren Datenfundus hier zugänglich.