"Die meisten Vulkane, wenn sie denn explosionsartig ausbrechen, erzeugen einen lauten Knall."
Genau für diesen Vulkanknall interessiert sich Lars Ceranna von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Allerdings nur für einen bestimmten Teil - und zwar den, den man gar nicht hören kann. Denn Ceranna befasst sich mit Infraschall. Mit Frequenzen niedriger als 20 Hertz, die unterhalb der Hörschwelle des menschlichen Ohres liegen. Der Infraschall von Vulkanausbrüchen nun könnte wertvolle Informationen in sich bergen - Informationen, wie viel Asche ein Feuerberg wie hoch in die Atmosphäre schleudert. Das jedenfalls vermuteten US-Forscher schon vor zehn Jahren. Um ihre Hypothese zu prüfen, installierten sie in der Nähe einiger Vulkane in Mittelamerika spezielle Infraschallsensoren.
"Es handelt sich um Druckmess-Dosen, die in der Lage sind, noch kleinste Variationen des Luftdrucks zu messen."
Und tatsächlich, sagt Ceranna, die Ergebnisse der Amerikaner waren ermutigend. Aus dem Infraschallsignal, das die Sensoren nach einem Vulkanausbruch aufschnappten, ließ sich zumindest ansatzweise auf die Menge der ausgespuckten Asche schließen. Und:
"Man hat eine Abschätzung, dass die Stärke des Signals in Verbindung gesetzt werden kann mit der Höhe der emittierten Aschewolke."
Sensoren zur Überwachung von Vulkanen
Eine Information, die vor allem für die Luftfahrt wichtig ist. Denn schleudert ein Vulkan seine Asche hoch in die Atmosphäre, kann sie die Triebwerke eines Flugzeugs beschädigen, im Extremfall könnte die Maschine abstürzen. Um den betroffenen Luftraum rechtzeitig zu sperren, braucht es ein Frühwarnsystem für Vulkanausbrüche. In eher dicht bewohnten Gegenden kein Problem, hier werden die Feuerberge regelmäßig überwacht. Anders in abgelegenen Regionen mit vulkanischer Aktivität.
"Hier wäre zu nennen der Nordpazifik, der Bereich Kamtschatka-Aleutenbogen. Ist für die Luftfahrt ein sehr interessanter Raum. Eigentlich der gesamte Luftverkehr vom Westen der USA nach Japan, China und Singapur geht genau über diesen Luftraum."
Ähnliches gilt für den indonesischen Raum, auch er ist mit Vulkanen übersät. Zwar helfen Satelliten bei der Überwachung. Denen aber fehlt bei Bewölkung der Durchblick. Genau hier könnten Infraschallsensoren helfen, sagt Lars Ceranna. Anders als hörbarer Schall kann sich Infraschall über Tausende von Kilometern durch die Atmosphäre fortpflanzen. Deshalb lassen sich Vulkane aus der Ferne überwachen, und zwar mit relativ wenig Messstationen.
Neuer Nutzen für das Kernwaffen-Überwachungsnetz
"Das Netz ist an sich vorhanden."
Und zwar jenes internationale Messnetz, das die Einhaltung des Kernwaffenteststopp-Abkommens überwacht. Es besteht aus 60 Infraschall-Sensoren, verteilt über den Globus. Lars Ceranna und seine Kollegen jedenfalls haben die Sache weiterverfolgt, und zwar im Rahmen eines EU-Projekts namens ARISE. Drei Jahre lang beobachteten sie das Aschehüsteln des Ätna auf Sizilien und analysierten die damit einhergehenden Infraschallsignale. Erste Ergebnisse liegen nun auf dem Tisch.
"Sehr erfreuliche Zwischenergebnisse."
Die Forscher konnten die Messungen ihrer US-Kollegen bestätigen. Mittlerweile nutzen die Vulkanasche-Warnzentren der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation sogar schon Infraschall-Signale, und zwar die des Kernwaffen-Überwachungsnetzes.
"Wenn deren Netz mögliche Vulkanereignisse detektiert, wird das an diese Zentren zur Begutachtung weitergegeben. Das ist eine zusätzliche Information, die diese Zentren dann haben."
Routinemäßig aber setzen die Warnzentren das neue Verfahren noch nicht ein. Denn noch besteht Forschungsbedarf, manche Frage ist nach wie vor offen. So müssen die Forscher herausfinden, ob auch jene Messstationen zuverlässige Daten liefen können, die sehr weit von einem Vulkan entfernt sind. Ein weiteres Problem: Infraschall breitet sich nicht in jede Richtung gleich aus. Abhängig von Wetter und Wind läuft er in manche Richtungen weiter als in andere. Das aber verfälscht die Signalstärke, was die Forscher dann möglichst genau korrigieren müssen.
"Hier muss die Datenbasis verbreitert werden, damit man abschätzen kann, inwieweit jetzt wirklich die Stärke des Signals mit der Stärke der Eruption in Verbindung gebracht werden kann."
Fragen, die sich in den kommenden Jahren klären lassen sollten, glaubt Lars Ceranna:
"Ich denke, dass wir wahrscheinlich noch fünf bis sieben Jahre brauchen, bis das wirklich sehr zuverlässig ist und dass man anhand dieser Beobachtung auch Entscheidungen treffen kann, die wirtschaftlich tragbar sind."