"Also ich starte jetzt den Generator, damit wir den Strom für die zehn Computer und für die anderen Messsysteme haben." Hermann Beuchel steht hinter dem Beifahrersitz seines Fahrzeuges und muss sich ein wenig bücken, damit er sich den Kopf nicht an der Decke stößt. Der orangefarbene Transporter ist ein fahrendes High-Tech-Labor – von innen und von außen. Er trägt den martialischen Namen: STIER – seine Aufgabe: "Das Fahrzeug dient erst mal der Erfassung von Ebenheit und dem Zustand der Straßen."
Dort wo sich normalerweise die Transportfläche befindet, ist ein kleiner Arbeitsplatz eingerichtet. Auf einem Tisch steht ein Monitor, im hinteren Teil surren zehn Rechnertürme. Und auch außen am Auto hängt jede Menge Technik. So ist zum Beispiel ein orangefarbener Balken seitlich am hinteren Teil angebracht: "Wir messen mit zwei verschiedenen Systemen. Einmal die Längsebenheit und einmal die Querebenheit. Für die Längsebenheit befinden sich die vier Laser hier in diesem Balken. Vorne zwei, Mitte einer, hinten einer."
Das sind aber nicht die einzigen Laser. Hinten am Auto befindet sich noch einer, der sich dreht und von der Straße jeden Zentimeter, bei schneller Fahrt alle zwei Zentimeter erfasst. Dazu kommen noch diverse Kameras auf dem Dach, die alle paar Meter ein Echtzeitbild von der Umgebung liefern.
Jede Spur einzeln
Zehn Tage am Stück ist Beuchel oft unterwegs und vermisst Straßen und Brücken in Europa. Viel von der Landschaft sieht er nicht. Denn Beuchel muss sich darauf konzentrieren, dass ihm mit seinen Lasern und Kameras kein Zentimeter Straße entgeht. Manchmal bedeutet das: eine Autobahn sechsmal abfahren. Jede Spur einzeln. Er erfasst Rillen, Risse, Schlaglöcher, Unebenheiten. Wie viele kaputte Straßen es in Deutschland gibt, das soll Beuchel mit seinen Fahrten herausfinden.
"Auftraggeber sind beginnend von den Betreibern der Straßen – sprich der Bund, die Bundesautobahn, es gibt die Bundesfernstraßen, die Bundesstraßen, Landesstraßen bis hin zu Kommunen oder auch gar Flughäfen", erklärt Dirk Ebersbach, technischer Geschäftsführer der Firma Lehmann und Partner mit Sitz am Stadtrand von Dresden – eines von zwei Unternehmen in Deutschland, die über ein solches Fahrzeug verfügen. Nach jeder Fahrt wertet die Firma die Daten aus und erstellt oft auch ein Gutachten, wie viel der Erhalt einer Straße kosten würde. Ebersbach kennt also den Zustand deutscher Straßen: "Man hat eigentlich in Deutschland nur noch zwei Arten von Straßen. Entweder sehr guter Zustand – also grad neu gebaut – oder sehr, sehr schlechter Zustand, vom Verfall her. Und viele Kommunen haben eigentlich diese Zweiteilung von Straßen."
Diese Erkenntnis scheint mittlerweile auch in der Politik angekommen zu sein. Und es klingt immer ähnlich, wenn ein Politiker auf die deutsche Infrastruktur angesprochen wird. So sagt der Präsident des Deutschen Städtetages, der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly, SPD: "Wir haben nun genügend Kommissionen beauftragt, die nacheinander alle das Gleiche festgestellt haben, was jeder von uns auch weiß, wenn er vor die Haustüre tritt und ins erste Schlagloch reinsteigt, dass die deutsche Infrastruktur auf der Straße, die Brücken und die Schiene eigentlich in einem schlechten Zustand ist. Volkswirtschaftlich gesprochen leben wir von der Substanz. Zum Teil von Substanz, die die letzten hundert Jahre entstanden ist, aber wir pflegen sie nicht. Das heißt, wir brauchen Geld."
Schlaglöcher im Haushalt
Genau das ist der Knackpunkt. Denn aus welchem Topf soll das Geld kommen? Ein großer Teil speist sich aus dem Etat des Bundesverkehrsministeriums. Der für 2014 ist heute vom Bundestag beschlossen worden – es ist eines der größten Budgets des Bundeshaushalts. Für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU, ist die Mobilität die Basis für Wohlstand: "Und deswegen will ich mehr als auch bisher in diesen Erhalt der Infrastruktur finanzieren, aber auch den Neubau mit vorantreiben. Dazu haben wir fünf Milliarden zusätzliche Mittel in dieser Wahlperiode zur Verfügung gestellt. Ich glaube auch, dass das noch nicht reicht, und werbe deswegen aktiv dafür, dass wir durch freie Mittel, die nach dem Erlangen eines ausgeglichenen Haushaltes – was nächstes Jahr möglich ist, im Bund zur Verfügung stehen, dann in die Infrastruktur unseres Landes investiert wird, um zukünftigen Wohlstand zu sichern."
Um jedoch auf einen Verkehrsetat zu kommen, der so groß ist, wie er laut Experten mindestens sein müsste, um bei Neubau und Erhalt der Infrastruktur das aufzuholen, was versäumt worden ist, müsste der Verkehrsminister noch ziemlich aktiv beim Finanzminister werben. Manche sehen das Problem jedoch weniger bei Wolfgang Schäuble, als viel mehr in der Schwerpunktsetzung der Großen Koalition. So wurde zum Beispiel gerade ein Rentenpaket verabschiedet, das bis 2030 voraussichtlich 160 Milliarden Euro kosten wird. Geld, das Kritiker lieber für den Erhalt der Infrastruktur ausgegeben hätten.
Und auch die Verkehrspolitiker der Großen Koalition wie etwa der SPD-Politiker Martin Burkert, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, geben zähneknirschend zu: "Dass das Geld nicht ausreicht, wissen wir. Wir sind froh, dass es fünf Milliarden Euro mehr gibt. Aber wir hatten uns viel mehr erhofft. Und wir müssen auch immer wieder versuchen mehr Geld vom Finanzminister zu bekommen."
Wie viel mehr an Geld das genau sein müsste, damit hat sich eine Kommission, bestehend aus den Verkehrsministern der Länder unter der Leitung des früheren SPD-Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig beschäftigt. Das Ergebnis: 7,2 Milliarden Euro jährlich müssten Bund, Länder und Kommunen mindestens aufbringen, um Straßen, Brücken, Schiene und Wasserstraßen zu erhalten und ausbauen zu können. Allein vom Bund müsste mehr als das Doppelte der jetzt zusätzlichen fünf Milliarden zur Verfügung gestellt werden – das sei, laut Kurt Bodewig, auch ursprünglich der Plan von Schwarz-Rot gewesen: "In der Koalitionsarbeitsgruppe Verkehr, so konnten wir lesen, waren 11 Milliarden vorgeschlagen für die Legislaturperiode für die nachholende Sanierung. Das war genau der Bedarf, den wir auch beschrieben haben. Nur dass wir die 2,7 Milliarden jährlich über 15 Jahre benötigen, um überhaupt das aufzuholen, was wir jetzt haben. Wir haben zurzeit einen täglichen Wertverlust in der Infrastruktur von 13 Millionen."
Wege zum Geld
Seine Kommission hat auch Wege erarbeitet, wie der Bund an das Geld kommen könnte. Zunächst müssten tatsächlich 2,7 Milliarden Euro pro Jahr in die Hand genommen und in einem Sonderfonds gesichert werden, damit sie auch zweckgebunden verwendet werden können. Diesen Topf über eine Abgabe von pauschal 100 Euro pro Autofahrer zu füllen, wie es Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Thorsten Albig Mitte April vorschlug, fand allerdings keine Zustimmung unter Verkehrspolitikern. Die Bodewig-Kommission rät hingegen, auf Haushaltsmittel, zum Beispiel aus der Kfz- oder Mineralölsteuer zurückzugreifen.
Diese 2,7 Milliarden Euro wären jedoch nur der Grundstock, sagt Kurt Bodewig: "Unser Vorschlag ist: Wir beginnen mit 2,7 Milliarden pro Jahr aus den Haushaltsmitteln. Und wir beginnen dann im Laufe der Legislaturperiode noch mit einer erweiterten Nutzerfinanzierung. Dort war eben der Konsens, dass man die LKW-Maut auf alle Bundesstraßen ausweitet - auch wegen der damit verbundenen Mehreinnahmen von etwa 2,3 Milliarden. Die würde man erst am Ende der Legislaturperiode realisieren können."
So kämen ab 2017 rund fünf Milliarden Euro pro Jahr zusammen. Aufgestockt werden soll dieser Betrag nach Meinung der Bodewig-Kommission dann in der darauffolgenden Legislaturperiode durch ein weiteres Nutzerfinanzierungspaket. Am Ende könnten dann 7,2 Milliarden Euro mehr pro Jahr für die Verkehrsinfrastruktur bereitstehen.
Nutzerfinanzierung ist das Stichwort, auf das auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt setzt. Und zwar eine Nutzerfinanzierung, die keine Steuer ist. Denn eine Steuer ist nicht zweckgebunden, sprich, sie darf nicht automatisch für die Verbesserung der Infrastruktur verwendet werden. Bei einer Maut ist das anders. Dobrindt will die LKW-Maut deshalb ausweiten. Ab Juli 2015 würde nicht mehr nur auf Autobahnen LKW-Maut verlangt – sondern auch auf Bundesstraßen. Ab Herbst 2015 soll die Abgabe auch für Brummis ab 7,5 Tonnen gelten. Bislang muss erst für 12-Tonner gezahlt werden. Und ab Mitte 2018 soll die LKW-Maut schließlich auf allen Straßen gelten.
Gegen diese Pläne aus dem Verkehrsministerium gibt es kaum Widerstand: "Deshalb möchte ich Herrn Dobrindt zurufen: Wenn Sie den schnellstmöglichen Weg wählen, die Einbeziehung der Bundesstraßen in die Maut zu erreichen, dann haben Sie dabei die volle Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion", sagte der Fraktionschef der SPD, Thomas Oppermann, noch im April dieses Jahres. Alles andere als die volle Unterstützung hat der Verkehrsminister bei einem anderen Vorhaben. Dass das überhaupt im Koalitionsvertrag steht, hat Dobrindt dem CSU-Parteichef und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zu verdanken: "Diese Maut für Ausländer muss kommen und sie wird kommen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit."
Maut für Ausländer
Seehofer sprach immer wieder davon, dass er ohne die PKW-Maut für Ausländer keinen Koalitionsvertrag unterschreibe. Neu ist diese Idee nicht. Seit Jahren schon halten die Christsozialen das für ein probates Mittel, Geld einzusammeln, das voll und ganz in die Infrastruktur fließen könnte. Zum ersten Mal kam ein CSU-Abgeordneter 1984 auf diesen Gedanken. Und seit Monaten tüftelt der neue Verkehrsminister an einem Entwurf – es wurde viel spekuliert, wie der denn nun aussehen könnte. Das Maut-Konzept muss einige Bedingungen erfüllen; die Voraussetzung dafür, dass die beiden großen Koalitionspartner CDU und SPD die PKW-Maut im Koalitionsvertrag akzeptieren konnten. So dürfen die deutschen Autofahrer durch die Einführung einer Maut nicht mehr belastet werden und diese muss mit dem Europarecht vereinbar sein.
Umso größer ist nun die Spannung, was Alexander Dobrindt vorlegen wird. Die CDU akzeptiert das Projekt der kleinen Schwester, das sogar die Kanzlerin lange abgelehnt hatte, mittlerweile stillschweigend und auch die SPD schweigt, geht nicht einmal mehr in Bundestagsdebatten beim Thema Verkehr darauf ein. Sie will einfach abwarten, was Dobrindt vorlegt. Nur von der Opposition kommen ab und an noch Spitzen, wie in der heutigen Etatdebatte.
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, bezeichnete in seiner Rede die PKW-Maut als christsoziale Schnapsidee: "Alles, was man hört, es liegt ja immer noch nichts vor, haben Sie große Probleme europarechtlich, das korrekt einzuhalten. Sie wollen ein Bürokratiemonster schaffen."
PKW-Vignetten
Peu á peu sind zumindest einzelne Details öffentlich geworden. So soll die PKW-Maut für ausländische Autofahrer 2016, wie Dobrindt es in einem Interview sagte, "scharf gestellt" werden. Zudem scheint auch schon klar zu sein: Es wird kein elektronisches Maut-System geben. "Die PKW-Maut in Deutschland wird über ein Vignettensystem eingeführt."
Diese Vignette könnte um die 100 Euro für ein Jahr kosten. Zumindest sei das eine interessante Zahl, sagte Dobrindt Anfang Juni dem Bayerischen Rundfunk: "Es kann aber auch etwas weniger sein. Vor allem dann, wenn es einen Ökobonus gibt. Dann wirkt er sich natürlich an der Stelle direkt aus." Ökobonus – das heißt, ähnlich wie bei der Kfz-Steuer soll es für Autos, die wenig Abgase in die Atmosphäre blasen, Vergünstigungen geben. Vor allem für Elektroautos.
Die Frage, die der Verkehrsminister noch nicht beantwortet hat, ist: Wie wird die PKW-Maut europarechtskonform? Denn EU-Bürger dürfen nicht ungleich behandelt werden, sprich diskriminiert werden. Demnach müsste es in Deutschland eigentlich eine Maut für alle Autofahrer geben. Weil die Deutschen aber nicht mehr belastet werden sollen, müssen sie an anderer Stelle entlastet werden. Damit wiederum die EU einwilligt, darf jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen Maut und Entlastung hergestellt werden. Eine Möglichkeit wäre, die Kfz-Steuer zu reformieren – unabhängig von der Einführung der Maut.
Ob Dobrindt das aber anstrebt, ist bislang nur Vermutung: "Das was wir machen, ist europarechtskonform. Wir führen die PKW-Maut ein und wir werden dafür sorgen, dass kein Ausländer benachteiligt wird."
Keine konkrete Schätzung der Einnahmen
Die andere wichtige Frage ist nach wie vor: Wie viel Geld würde die PKW-Maut tatsächlich einbringen. Eine konkrete Zahl hat Dobrindt bislang nicht bekannt gegeben. Auch nicht in der heutigen Debatte zum Verkehrsetat. Dort nennt er nur den Zeitpunkt der Einführung, also Anfang 2016 – und betont noch mal, warum ihm eine Nutzerfinanzierung wichtig ist: "Es sind Mittel, die aus der Straße kommen und deswegen wieder in die Straße investiert werden müssen. Es muss um eine klare Zweckbindung gehen, bei allen Mitteln, die aufgewandt werden, von denen, die heute auf diesem Transportweg unterwegs sind, dass es auch da wieder richtig investiert wird, meine Damen und Herren."
Ob tatsächlich viel Geld durch eine PKW-Maut in die Straße zurückfließen würde, ist fraglich. Denn werden Verwaltungskosten mit eingerechnet und die Entlastung deutscher Autofahrer, könnte am Ende ein Betrag stehen, der im Vergleich zu dem Bedarf im Verkehrsbereich nur sehr gering ist. In Berlin kursieren Schätzungen, die zwischen 200 und 900 Millionen Euro pro Jahr liegen.
Es geht aber nicht nur darum, woher das Geld kommt – sondern auch, wie es ausgegeben wird. Der Verkehrsausschussvorsitzende Martin Burkert von der SPD, meint: "Wir haben viel auf Verschleiß gefahren – über Jahrzehnte. Und deswegen heißt die Überschrift: Wir reparieren Deutschland. Wir brauchen viel Geld für die Infrastruktur aller Verkehrsträger."
Erhalt vor Neubau heißt also das neue Credo. Dass das nun im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auch so verankert ist, wird sogar von der Opposition begrüßt. Allerdings hapere es noch gewaltig bei der Umsetzung, findet Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Bundestag: "Jetzt sollen fünf Milliarden zusätzlich kommen über vier Jahre. Davon gehen über 70 Prozent in die Straße – also da wird auch die umweltfreundliche Schiene diskriminiert. Und diese fünf Milliarden zusätzlich, da geht im Straßenbereich, also nach Angaben des Ministeriums, also vom Minister und vom Staatssekretär alles Geld in den Neu- und Ausbau. Nichts geht in den Erhalt. Und das ist 'ne extrem falsche Prioritäten-Setzung und damit gefährdet eben Minister Dobrindt, dass weitere Brücken und Straßen gesperrt werden, weil sie so kaputt sind und weil sie nicht erhalten werden."
Verantwortung der Länder
Aber nicht allein der Bund ist für den Erhalt der Infrastruktur verantwortlich – auch die Länder müssten sich diesem Paradigma des „Erhalt vor Neubau" unterordnen. Das ist auch im Grundsatz angekommen: "Wir werden beispielsweise für unsere Staatsstraßen in diesem Jahr für den Erhalt etwa 150 Millionen Euro und für den Neubau etwa 100 Millionen Euro investieren. Also klare Priorität für den Erhalt der vorhandenen Straßen."
Bayern investiere damit so viel wie noch nie, sagt der Verkehrsminister des Freistaates, Joachim Hermann, CSU: "Das bedeutet aber nicht, dass man den Neubau völlig aufgeben darf. Wir haben den dringenden Ruf nach Ortsumgehungen. Damit eben Gefahrenstellen bei einer Ortsdurchfahrt beispielsweise beseitigt werden."
Das jedoch betrifft vor allem Bauprojekte, die nicht das Land, sondern der Bund zu finanzieren hat. Und die werden im Bundesverkehrswegeplan festgelegt – ein Art Zukunftsplanung für die Infrastruktur. Für diesen Plan hat jedes Bundesland nun seinen Bedarf an Bauprojekten angegeben. Allerdings müssten unter anderem in Bayern noch stärker Prioritäten gesetzt werden, kritisiert SPD-Mann Burkert, der selbst aus dem Bundesland stammt: "In Bayern wurden 399 Projekte eingereicht. 365 Straßenprojekte. Für jeden Tag eines. Wir bräuchten mit den heutigen Geldern 160 Jahre, bis wir das verwirklichen. Von daher muss hier abgespeckt werden."
Der neue Bundesverkehrswegeplan, der bis 2015 stehen soll und in dem alle Projekte, die die Bundesländer durchführen wollen, aufgeführt sind – und über die nun noch der Bundestag entscheiden muss - sieht dann auch vor, dass am Ende alle Projekte entsprechend ihrer Priorität geordnet werden. Das empfindet auch Bayerns Verkehrsminister Hermann als sinnvoll: "Wir haben jetzt erst mal alles, was wir uns wünschen angemeldet für Berlin. Am Schluss muss aber mit einer klaren Prioritätensetzung geklärt werden, was soll in den nächsten fünf Jahren gebaut werden. Und was kommt anschließend dran."
Andere Bundesländer wiederum gehen da rigoroser vor. So hat etwa der Freistaat Sachsen vor Kurzem alle Projekte geprüft. Das Ergebnis: Allein im Staatsstraßenbereich wurden 70 von 140 Vorhaben gestrichen. Auch die Anmeldungen für den Bundesverkehrswegeplan wurden überdacht. Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok, FDP: "Wo bisher vierstreifige Bundesstraßen vorgesehen waren, haben wir nur noch dreistreifige Bundesstraßen angemeldet. Das zeigt also, wir haben die Dinge tatsächlich auf den Prüfstand gestellt und sind zu neuen Ergebnissen gekommen."
Problem erkannt, Löcher bleiben
Alles in allem findet offenbar ein Umdenken statt - anstatt Neubauwahn, wird nachhaltiger gedacht - wenn auch nicht immer die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden. Das Problem scheint zumindest erkannt und in der Politik angekommen zu sein. Aber wie so oft heißt es auch hier: Erkannt ist nicht gleich gebannt. Die Einnahmen aus einer PKW-Maut würden nur zu einem sehr kleinen Teil das ausgleichen können, was im Verkehrshaushalt fehlt. Und selbst wenn das Geld da ist, ist noch nicht gesichert, dass sich der Zustand der deutschen Infrastruktur schnell verbessern lässt.
In so manchem Bundesland wird zwar viel Neues geplant, dafür aber wenig repariert – in anderen Ländern fehlen die Ingenieure und Planer, um neue Projekte überhaupt angehen zu können. Ein wenig Abhilfe schafft zumindest die Überjährigkeit von Haushaltsmitteln im Verkehrsetat, auf die sich der Bundestag nun geeinigt hat. Hinzu kommen die klammen Kommunen, die gar nicht über das notwendige Geld verfügen. Und mit jedem Tag, an dem Geld für die Sanierung fehlt, verliert die jetzt schon marode Infrastruktur an Wert – was im Umkehrschluss bedeutet: Es wird noch mehr Geld gebraucht.
Hermann Beuchel mit seinem STIER-Fahrzeug wird also wohl noch längere Zeit Straßen wie diese abfahren müssen: "Holprige Straßen hatte ich im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Da gibt's noch so alte Straße mit Katzenköpfen, hat man früher gesagt, also diese runden Pflastersteine. Das waren so die holprigsten. Aber ich hab' auch auf Autobahnen schon erlebt, dass bei einem Schlagloch das ganze System ausgegangen ist."