Archiv


Ingenieur werden ist zurzeit nicht schwer

Hilfe bei der Wohnungssuche, Bereitstellung von Kindergartenplätzen, junge Arbeitsteams - "Weiche Faktoren" gewinnen beim Werben um talentierte Ingenieure an Bedeutung. Bundesweit fehlen rund 76.000. Wir stellen zwei vor, die es geschafft haben.

Von Thomas Wagner |
    Philipp Sturm, 27 Jahre, Physiker und Ingenieur – seit drei Monaten beschäftigt er sich beim Raumfahrtkonzern Astrium Friedrichshafen mit Wettersatelliten:

    "Ich hatte immer schon Interesse am Raumfahrt. Daraus ist dann auch der erste Job geworden."

    Thomas Bosch, 28 Jahre, hat Elektro- und Informationstechnologie studiert. Sein erster Job führte ihn zum Automobilzulieferer ZF:

    "Also bei mir ist es so, dass ich mich mit der Elektromobilität auseinandersetzen möchte. Das ist ja gerade ein Riesenthema. Warum soll man das nicht nutzen?"

    Nicht nur, dass beide Jung-Ingenieure bei Hightech-Unternehmen im Bodenseeraum untergekommen sind. Die beiden haben noch ein weiteres gemeinsam:

    "Das Bewerbungsverfahren war relativ kurz: Ich war zum Gespräch hier. Und dann hatte ich innerhalb von einer Woche meine Stelle."

    "Ich habe eine Bewerbung geschrieben. Und das hat dann gepasst."

    Womit deutlich wird, wie sehr sich Hightech-Unternehmen um junge Nachwuchsingenieure bemühen. Bundesweit zählt der "Verein Deutscher Ingenieure" rund 76.000 offene Ingenieursstellen. Da reicht es längst nicht mehr aus, nur ein gutes Gehalt zu zahlen. Die Unternehmen lassen nichts unversucht, um dem Ingenieur-Nachwuchs zum Berufsstart eine Art 'Wohlfühl-Atmosphäre' zu bieten. Philipp Sturm:

    "Ich hatte einen Kollegen als Mentor, der mich auf meinen ersten Schritten begleitet hat in den neuen Job, mich eingearbeitet hat."

    Dass er zum Berufsstart einen Mentor an die Seite gestellt bekam, empfindet Philipp Sturm als ausgesprochenen Pluspunkt. Doch dabei blieb es nicht: Im Raum Friedrichshafen, dem Sitz seines neuen Unternehmens, kannte Philipp Sturm am Anfang kaum jemand. Sein Arbeitgeber ließ nichts unversucht, dies zu ändern – und dem Jung-Ingenieur die Integration ins neue soziale Umfeld zu erleichtern.

    "Die Firma selbst bietet viele firmeneigene Sportklubs an, wo man genügend Aktivitäten findet, um die freie Zeit auszufüllen: Es gibt einen Ski-Klub, es gibt einen Segelklub, Sie können tanzen gehen."

    Auch der aus dem württembergischen Sigmaringen stammende Jung-Ingenieur Thomas Bosch bekam von seinem Arbeitgeber Unterstützung, um sich am neuen Arbeits- und Lebensmittelpunkt zurechtzufinden:

    "Die Wohnungssuche ist hier am See ein bisschen schwerer. Hier bei der ZF gibt es so ein Wohnungssuchportal im Intranet. Da können sich externe Mitarbeiter melden. Und ihre freien Wohnungen lassen sie registrieren."

    Neue Mitarbeiter haben dann das Erst-Zugriffsrecht auf diese Angebote. Für Thomas Bosch war für die Auswahl der Stelle ein weiterer Punkt wichtig: Die Chance, in einem jungen Team zu arbeiten.

    "Der Altersschnitt ist relativ jung. Ich schätz mal, 35 ist der Schnitt. Da ist eine relativ offene Arbeitsatmosphäre. Man duzt sich natürlich. Mit dem Vorgesetzten kommt man super klar."

    Hilfe bei der Wohnungssuche, Bereitstellung von Kindergartenplätzen, aber auch junge Arbeitsteams – solche 'weichen Faktoren' gewinnen beim Werben um talentierte Ingenieure immer stärker an Bedeutung. Daneben werben mittelständige Unternehmen bei Jung-Ingenieuren häufig mit einem weiteren wichtigen Angebot, weiß Professor Karl Trottler, Studiengangleiter Technik bei der Dualen Hochschule Ravensburg:

    "Was sie anbieten, sind seit Neuestem auch berufsbegleitende Masterstudiengänge. Dort können Ingenieure, die mit dem Bachelor in die Industrie gehen, sich auch weiterbilden."

    Trottler sieht in Sachen Ingenieurmangel einen kleinen Silberstreif am Horizont: Immer mehr Schulabgänger schreiben sich bei den Ingenieurwissenschaften ein.

    "Alleine hier, im Bereich der Technik, haben wir einen Zuwachs um 30 Prozent bekommen. Wir sind aber sehr optimistisch, dass der Boom und der Hunger nach jungen Ingenieuren auch in Deutschland in Zukunft anhalten wird."

    Das sehen auch die Experten beim "Verein Deutscher Ingenieure" so. Allerdings neigt Ina Kayser, beim VDI Referentin für Beruf und Arbeitsmarkt, zu einer differenzierten Betrachtungsweise: Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektrotechnik, Metallverarbeitung - in diesen Branchen herrscht deutlicher Ingenieurmangel.

    "Ein ganz anderes Bild zeichnet sich dagegen bei den Ingenieuren in der Rohstoff-Gewinnung und Rohstofferzeugung ab, wo es tendenziell mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt. Was hinzukommt, ist, dass eben auch regionale Unterschiede zu verzeichnen sind: So gibt es eine enorme Nachfrage in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, während es insbesondere in einigen ostdeutschen Regionen deutlich schlechter aussieht."

    Nach den Kenntnissen des VDI sind Unternehmen beim Werben um den Ingenieursnachwuchs vor allem dann erfolgreich, wenn sie Teilzeit-Beschäftigung anbieten:

    "Ich denke eben schon, dass gerade in der heutigen Zeit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer wichtiger wird und dass Arbeitgeber, die in ganz starren Arbeitszeitmodellen denken, es ganz schwer haben werden, geeignete Fachkräfte zu finden."

    Tendenziell hält damit aber das Werben um den Ingenieurnachwuchs an. Und nur allzu häufig wuchern die Unternehmen dabei mit dem Pfund der Region, in der sie ihren Sitz haben – und den Freizeitmöglichkeiten dort. Philipp Sturm und Thomas Bosch fühlen sich wohl am Bodensee:

    "Skifahren und im Sommer Segeln."

    ""Also hier im Bereich kann man super Mountainbiking betreiben. Da gibt es richtig schöne Trails. Da ist durchaus ein ausschlaggebender Punkt."