
"Es gibt in der Natur viele Dinge, bei denen die gleichen Probleme auftauchen, für die Lösungen etwa bei der Stabilität gefunden werden müssen. Da ist es egal, ob es sich um einen ein Baum oder ein Insekt handelt. "
Sagt David Taylor vom Trinity College in Dublin. Der irische Ingenieur hat in den vergangenen Jahren vor allem für die Flugzeug- und Automobilindustrie als Materialwissenschaftler gearbeitet. Dabei stieß er regelmäßig auf ein Problem: Viele Materialien sind stabil, aber zu schwer. Leichte Materialien hingegen brechen bei Belastung. Wie bei Forschern auf der britischen Insel nicht unüblich, so sagt er, sei ihm schließlich im Pub eine Idee gekommen.
Stabil aber zu schwer
"Wenn man einen Strohhalm biegt, dann bricht er nicht auseinander, sondern knickt ein. Dieses Phänomen, wann und wo der Knick eintritt, kann man als Ingenieur nur schwer vorhersagen."
Das Strohhalmprinzip müsste in der Natur auch funktionieren, dachte sich David Taylor – bei Insektenbeinen. Also besorgte er sich Bienen, Grashüpfer, Kakerlaken und Co und nahm sie mit ins Labor. Dort untersuchte er deren Extremitäten mit einem Elektronenmikroskop und modellierte sie am Computer. Anschließend konnte er die virtuellen Beine in verschiedenen Stresssituationen, etwa maximale Biegung, untersuchen und die Bruchtoleranz testen. Obwohl die Beine unterschiedliche Strukturen aufwiesen, war das Resultat immer gleich.
Es habe den Anschein, dass das Knicken die häufigste Reaktion auf Extrembelastungen ist, und zwar unabhängig vom Aufbau des Beines– obwohl die Unterschiede gewaltig sind. Beine von Grashüpfern und Kakerlaken sind röhrenförmig, jene von Bienen oder Gespenstschrecken hingegen im Querschnitt dreieckig. Grund ist die unterschiedliche Beanspruchung: Bienen tragen mitunter viel Gewicht, wenn sie erfolgreich von der Pollensuche zurückkehren, wohingegen Grashüpfer enorme Kräfte aushalten müssen, wenn sie nach einem Sprung, der die zigfache Körperhöhe und -länge ausmacht, auf hartem Boden landen.
Einknicken der Extremitäten als Reaktion auf Extrembelastung
"Diese Insekten bewegen sich dabei nah an der biologischen Grenze, was die Toleranz von Druck und Stress angeht. Wenn etwa ein Grashüpfer springt, bewegt er sich in dem Bereich, wo er kurz vor dem Beinbruch steht– was wirklich spannend ist hinsichtlich der Form und Gestalt der Beine."
Bei den Simulationen änderte David Taylor einige Parameter – etwa Form, Größe und Materialdicke, was sofort in einer theoretischen Katastrophe endete.
"Sobald man etwas an Form nun Gestalt verändert, ist die Stabilität dahin und das Bein knickt nicht mehr, sondern es bricht. Es bedarf also einer gewissen Balance im Design. Interessant ist, dass sich so ein Bein – ähnlich wie ein Strohhalm – vom Knick erholt und danach wieder funktioniert. Dieser Knick ist also etwas, was toleriert werden kann, um eine Katastrophe wie einen Bruch zu verhindern."
Der Knick ist also das kleinere Übel. Gelänge es, auch im industriellen Maßstab 'Soll-Knick-Stellen' zu entwickeln, könnte dies etwa die Automobilindustrie verändern, gibt sich der irische Ingenieur überzeugt. Leitungen, die einer Belastung nicht standhalten, würden dann nur knicken, ohne zu lecken. Auch sei der Weg vom Insekt zum Auto gar nicht so weit.
"Denn auch ein PKW sei im Prinzip ein Exoskelett – eine dünne Schale außen und im Innere wird der Mensch geschützt. "