Ich fühlte mich verpflichtet, die Fackel zu übernehmen, ja, und die Kolumbianer haben mich erhört (indem sie mich 1994 zur Abgeordneten wählten, mit dem besten Stimmenergebnis der liberalen Partei...) Für diese Leute gehe ich bis ans Ende und lasse nicht los, wie hoch der Preis dafür sein mag.
Und der Preis dafür ist groß. Denn noch immer ist Ingrid Betancourt in den Händen der FARC, der Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens. Für die einen ist sie das enfant terrible unter den Politikern, für die anderen zu populistisch - eine, die sich als kolumbianische Jeanne d’Arc aufspielt. Ihr Wahlprogramm fasst sie selber - 2 - in vier Worten zusammen: Kampf gegen die Korruption. So steht es in ihrer Autobiographie Die Wut in meinem Herzen. Sie prangert an: den Ex-Präsidenten Ernesto Samper, der seine Wahlkampagne durch das Cali-Kartell finanzieren ließ; den Vorgänger des jetzigen Präsidenten Uribe, nämlich Andrés Pastrana und dessen verfehlte Friedenspolitik mit der Guerilla. Schon auf den ersten Seiten ihres Buches erzählt sie, daß Politiker in Kolumbien, die das Geflecht der Korruption aufdecken wollen, entweder entführt oder umgebracht werden.
Diese Gefahr spürt sie zum ersten Mal 1996. Ein Mann kommt in ihr Parlamentsbüro und sagt ihr unmißverständlich, dass die "Sicarios" bereits bezahlt sind - Männer, die für lächerliche Summen Menschen umbringen. Sie und ihre Familie sind in höchster Gefahr. In einer Nacht- und Nebelaktion bringt sie ihre beiden Kinder nach Auckland. Dort in Neuseeland wachsen ihre Kinder heute, acht Jahr später, immer noch auf.
Auch sie wuchs in den ersten Jahren ihrer Kindheit außerhalb von Kolumbien auf. Ihr Vater ist Botschafter der UNESCO in Paris und kolumbianischer Ex-Bildungsminister. In ihrem Elternhaus gehen viele kolumbianische Künstler und Politiker ein und aus. So zum Beispiel der Ex-Präsident Carlos Lleras, der Künstler Botero und auch Gabriel Garcia Márquez. Schon bald wecken die Gespräche der Erwachsenen ihre kindliche Neugier:
Ich bleibe an einem Abend auf, um ihnen zuzuhören, und ich bin durch das Gehörte derartig aufgewühlt, dass ich, als ich ins Bett geschickt werde, wieder aufstehe und mich unter dem Flügel verstecke, der in der einen Ecke des Salons steht, um die Gespräche weiter zu verfolgen. (...) Ich werde noch häufig unter den Flügel zurückkehren. (...) Heute denke ich, dass meine politische Berufung zu Beginn der siebziger Jahre unter diesem Flügel geboren worden ist.
Und Ende der achtziger Jahre ist es dann so weit. Sie entschließt sich, in die Politik zu gehen. Arbeitet zuerst als Fachberaterin im Finanzministerium, dann im Außenhandelsinisterium. Doch ihre Projekte und Lösungsvorschläge scheitern an den Politikern, für die es von Vorteil ist, wenn sich nichts ändert. Im Buch beklagt sie sich darüber bei Clara Rojas, ihrer heutigen Wahlkampfmanagerin, die mit ihr zusammen entführt wurde:
Wir sind Technokraten, Clara. Wir haben das Recht und sogar die Pflicht, Lösungen vorzuschlagen. Aber wir haben nicht die Macht, diese umzusetzen. Wir haben in Wirklichkeit keinerlei Macht. Die wirkliche Macht liegt in den Händen der Politiker.
- 3 - So entschließt sie sich, in die Politik zu gehen, in der Hoffnung, dass ihre Reformvorschläge in die Tat umgesetzt werden können. Mit 33 Jahren stellt sie sich als Abgeordnete zur Wahl. 1994 schafft sie es, mit dem höchsten Stimmergebnis für die liberale Partei, ins Parlament gewählt zu werden. Ihre Wahlkampfmethoden und Inhalte auf ihrem Weg dorthin waren alles andere als normal:
Ich stelle mich an die rote Ampel und klopfe an die Fahrertüren. ‚Mein Name ist Ingrid Betancourt, ich kandidiere für die Parlamentswahlen, und ich glaube, dass die Korruption in der Politik mit Aids gleichzusetzen ist. Für uns zu stimmen bedeutet in gewisser Weise - politisch ausgedrückt - ein Präservativ zu benutzen. Hier, ich schenke ihnen ein Präservativ. Auf diese Weise werden Sie am Wahltag an mich denken.’
Nur vier Jahre später schafft sie es, 37-jährig, als Senatorin gewählt zu werden. Und mit 4o Jahren gründet sie ihre eigene Partei "Grüner Sauerstoff" und zieht noch Anfang des Jahres in den Wahlkampf. Diesmal verteilt sie Viagra an die Kolumbianer, ein Sinnbild gegen die erschlaffte Moral. Medienwirksam ist sie allemal. Doch ihr Buch zeigt auch, dass es ihr um Inhalte geht. Sie will mehr Umweltschutz, eine Verfassungs- und Parlamentsreform anstreben und gegen die Korruption kämpfen. Zwar bietet sie keine konkreten Lösungsvorschläge für ihr Land, aber übt Kritik an den führenden Politikern. Mit der jetzigen Politik, so Betancourt, könne nie Frieden entstehen:
3o.ooo Tote im Jahr sind zuviel. Und wenn man Frieden will, reicht es nicht, sich um einen Verhandlungstisch zu setzen und laut zu verkünden, dass man Frieden möchte.
Die Wut in meinem Herzen liest sich wie ein Tagebuch über das Entstehen und Werden einer politischen Karriere. Sie gibt Einblick in die Intrigen und Machenschaften der politischen Kaste und ihrer Verbindungen zu den mächtigen Drogenbossen, von denen über die Hälfte der kolumbianischen Politiker profitieren und so das korrupte System erhalten:
Die einzigen strukturierten und bemerkenswert leistungsfähigen Systeme sind die der Drogenmafia und der Korruption, dessen also, was man organisiertes Verbrechen nennt. Man muss die Kräfte umdrehen. Was schwarz ist, muss weiß werden. Ich will dafür sorgen.
Gina Pellarini besprach Ingrid Betancourt: "Die Wut in meinem Herzen”, erschienen ist die Autobiographie im List-Verlag in München, sie hat 256 Seiten und kostet 19 €.
Und der Preis dafür ist groß. Denn noch immer ist Ingrid Betancourt in den Händen der FARC, der Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens. Für die einen ist sie das enfant terrible unter den Politikern, für die anderen zu populistisch - eine, die sich als kolumbianische Jeanne d’Arc aufspielt. Ihr Wahlprogramm fasst sie selber - 2 - in vier Worten zusammen: Kampf gegen die Korruption. So steht es in ihrer Autobiographie Die Wut in meinem Herzen. Sie prangert an: den Ex-Präsidenten Ernesto Samper, der seine Wahlkampagne durch das Cali-Kartell finanzieren ließ; den Vorgänger des jetzigen Präsidenten Uribe, nämlich Andrés Pastrana und dessen verfehlte Friedenspolitik mit der Guerilla. Schon auf den ersten Seiten ihres Buches erzählt sie, daß Politiker in Kolumbien, die das Geflecht der Korruption aufdecken wollen, entweder entführt oder umgebracht werden.
Diese Gefahr spürt sie zum ersten Mal 1996. Ein Mann kommt in ihr Parlamentsbüro und sagt ihr unmißverständlich, dass die "Sicarios" bereits bezahlt sind - Männer, die für lächerliche Summen Menschen umbringen. Sie und ihre Familie sind in höchster Gefahr. In einer Nacht- und Nebelaktion bringt sie ihre beiden Kinder nach Auckland. Dort in Neuseeland wachsen ihre Kinder heute, acht Jahr später, immer noch auf.
Auch sie wuchs in den ersten Jahren ihrer Kindheit außerhalb von Kolumbien auf. Ihr Vater ist Botschafter der UNESCO in Paris und kolumbianischer Ex-Bildungsminister. In ihrem Elternhaus gehen viele kolumbianische Künstler und Politiker ein und aus. So zum Beispiel der Ex-Präsident Carlos Lleras, der Künstler Botero und auch Gabriel Garcia Márquez. Schon bald wecken die Gespräche der Erwachsenen ihre kindliche Neugier:
Ich bleibe an einem Abend auf, um ihnen zuzuhören, und ich bin durch das Gehörte derartig aufgewühlt, dass ich, als ich ins Bett geschickt werde, wieder aufstehe und mich unter dem Flügel verstecke, der in der einen Ecke des Salons steht, um die Gespräche weiter zu verfolgen. (...) Ich werde noch häufig unter den Flügel zurückkehren. (...) Heute denke ich, dass meine politische Berufung zu Beginn der siebziger Jahre unter diesem Flügel geboren worden ist.
Und Ende der achtziger Jahre ist es dann so weit. Sie entschließt sich, in die Politik zu gehen. Arbeitet zuerst als Fachberaterin im Finanzministerium, dann im Außenhandelsinisterium. Doch ihre Projekte und Lösungsvorschläge scheitern an den Politikern, für die es von Vorteil ist, wenn sich nichts ändert. Im Buch beklagt sie sich darüber bei Clara Rojas, ihrer heutigen Wahlkampfmanagerin, die mit ihr zusammen entführt wurde:
Wir sind Technokraten, Clara. Wir haben das Recht und sogar die Pflicht, Lösungen vorzuschlagen. Aber wir haben nicht die Macht, diese umzusetzen. Wir haben in Wirklichkeit keinerlei Macht. Die wirkliche Macht liegt in den Händen der Politiker.
- 3 - So entschließt sie sich, in die Politik zu gehen, in der Hoffnung, dass ihre Reformvorschläge in die Tat umgesetzt werden können. Mit 33 Jahren stellt sie sich als Abgeordnete zur Wahl. 1994 schafft sie es, mit dem höchsten Stimmergebnis für die liberale Partei, ins Parlament gewählt zu werden. Ihre Wahlkampfmethoden und Inhalte auf ihrem Weg dorthin waren alles andere als normal:
Ich stelle mich an die rote Ampel und klopfe an die Fahrertüren. ‚Mein Name ist Ingrid Betancourt, ich kandidiere für die Parlamentswahlen, und ich glaube, dass die Korruption in der Politik mit Aids gleichzusetzen ist. Für uns zu stimmen bedeutet in gewisser Weise - politisch ausgedrückt - ein Präservativ zu benutzen. Hier, ich schenke ihnen ein Präservativ. Auf diese Weise werden Sie am Wahltag an mich denken.’
Nur vier Jahre später schafft sie es, 37-jährig, als Senatorin gewählt zu werden. Und mit 4o Jahren gründet sie ihre eigene Partei "Grüner Sauerstoff" und zieht noch Anfang des Jahres in den Wahlkampf. Diesmal verteilt sie Viagra an die Kolumbianer, ein Sinnbild gegen die erschlaffte Moral. Medienwirksam ist sie allemal. Doch ihr Buch zeigt auch, dass es ihr um Inhalte geht. Sie will mehr Umweltschutz, eine Verfassungs- und Parlamentsreform anstreben und gegen die Korruption kämpfen. Zwar bietet sie keine konkreten Lösungsvorschläge für ihr Land, aber übt Kritik an den führenden Politikern. Mit der jetzigen Politik, so Betancourt, könne nie Frieden entstehen:
3o.ooo Tote im Jahr sind zuviel. Und wenn man Frieden will, reicht es nicht, sich um einen Verhandlungstisch zu setzen und laut zu verkünden, dass man Frieden möchte.
Die Wut in meinem Herzen liest sich wie ein Tagebuch über das Entstehen und Werden einer politischen Karriere. Sie gibt Einblick in die Intrigen und Machenschaften der politischen Kaste und ihrer Verbindungen zu den mächtigen Drogenbossen, von denen über die Hälfte der kolumbianischen Politiker profitieren und so das korrupte System erhalten:
Die einzigen strukturierten und bemerkenswert leistungsfähigen Systeme sind die der Drogenmafia und der Korruption, dessen also, was man organisiertes Verbrechen nennt. Man muss die Kräfte umdrehen. Was schwarz ist, muss weiß werden. Ich will dafür sorgen.
Gina Pellarini besprach Ingrid Betancourt: "Die Wut in meinem Herzen”, erschienen ist die Autobiographie im List-Verlag in München, sie hat 256 Seiten und kostet 19 €.