Mehr als 150 Journalisten und Medienvertreter sitzen in der Türkei in Haft oder müssen sich vor Gericht verantworten. Einen Überblick liefert die Internetseite P24.
@mediasres hat einige Fälle in den Blick genommen:
Can Dündar
Inhaftiert von November 2015 bis Februar 2016
Can Dündar ist als Journalist für verschiedene Medien tätig, unter anderem auch für die Wochenzeitung "Die Zeit". Vor seiner Inhaftierung war er in der Türkei zuletzt Chefredakteur der Tageszeitung "Cumhuriyet". Inzwischen ist er Chefredakteur der zweisprachigen Online-Plattform "Özgürüz".
2015 berichtete "Cumhuriyet" darüber, dass der türkische Geheimdienst Waffen an islamistische Milizen in Syrien geliefert habe. Wenige Monate nach den Veröffentlichungen wurden Dündar und weitere Mitarbeiter der Zeitung wegen des Vorwurfs der Spionage und der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation festgenommen. Im Februar 2016 hob das türkische Verfassungsgericht die Untersuchungshaft auf.
Im Juli 2016 reiste Can Dündar nach Deutschland aus, seither lebt er im Exil in Berlin. Das Verfahren gegen ihn wird in Abwesenheit fortgesetzt.
Murat Sabuncu
Inhaftiert von Oktober 2016 bis März 2018
Der "Cumhuriyet"- Chefredakteur Murat Sabuncu wurde, ebenso wie ein Großteil seiner Mitarbeiter bei Razzien Ende 2016 festgenommen. Anschließend saß er mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft. Bei den Terrorvorwürfen gegen ihn geht es um Unterstützung der Gülen-Bewegung und der PKK.
Zusammen mit dem "Cumhuriyet"-Herausgeber Akin Atalay, dem Investigativjournalisten Ahmet Sik und weiteren Angeklagten wurde Murat Sabuncu im April 2018 verurteilt. Das Gericht in Istanbul verhängte gegen ihn eine Strafe von siebeneinhalb Jahren Gefängnis.
Nach dem Urteil sagte Sabuncu: "Journalismus ist kein Verbrechen, wir haben nur Journalismus betrieben." In dem Prozess waren als Indizien Artikel und Twitter-Nachrichten der Angeklagten aufgeführt worden.
Für die Dauer eines Berufungsverfahrens bleiben die "Cumhuriyet"-Mitarbeiter zunächst auf freiem Fuß.
Akin Atalay
Inhaftiert von November 2016 bis April 2018
Akin Atalay ist Herausgeber der Tageszeitung "Cumhuriyet". Er wurde im November 2016 festgenommen wegen des Vorwurfs der Terrorunterstützung. Seitdem steht er mit etlichen weiteren Mitarbeitern der Zeitung vor Gericht. Laut Staatsanwaltschaft sei "Cumhuriyet" von Anhängern der sogenannten Gülen-Bewegung unterwandert. Atalay sagte zum Prozessauftakt: "Säkulare Werte, Unabhängigkeit und Freiheit sind in der Geschichte von ‚Cumhuriyet‘ fest verwurzelt".
Zusammen mit dem "Cumhuriyet"-Chefredakteur Murat Sabuncu, dem Investigativjournalisten Ahmet Sik und weiteren Angeklagten wurde Akin Atalay im April 2018 verurteilt. Das Gericht in Istanbul verhängte gegen ihn eine Strafe von mehr als acht Jahren Gefängnis, verfügte aber zugleich Atalays Entlassung aus der Untersuchungshaft.
Für die Dauer des weiteren Verfahrens bleiben alle Angeklagten auf freiem Fuß.
Ahmet Sik
Inhaftiert von Dezember 2016 bis März 2018
Der Autor und Investigativjournalist Ahmet Sik wurde im Oktober 2016 festgenommen und kam in Untersuchungshaft. Der Vorwurf gegen ihn: "Propaganda für eine terroristische Organisation".
Zusammen mit dem "Cumhuriyet"-Herausgeber Akin Atalay, dessen Chefredakteur Murat Sabuncu und weiteren Angeklagten wurde Sik im April 2018 verurteilt. Das Gericht in Istanbul verhängte gegen ihn eine Strafe von siebeneinhalb Jahren Gefängnis.
Die Angeklagten bleiben allerdings während des angestrebten Berufungsverfahrens zunächst auf freiem Fuß.
Mesale Tolu
Inhaftiert ab April 2017 (am 18. Dezember 2017 wurde sie unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen)
Mesale Tolu wurde in Ulm geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Als Journalistin arbeitete sie unter anderem für das linke türkische Nachrichtenportal "Etha", meist als Übersetzerin. Ein Istanbuler Gericht hatte im Dezember 2017 ihre Freilassung aus der Untersuchungshaft angeordnet. Zu den Auflagen gehört allerdings, dass sie die Türkei nicht verlassen darf. Das Besondere an ihrem Fall ist, dass sie zusammen mit ihrem inzwischen dreijährigen Sohn in Haft war.
Derzeit läuft der Prozess gegen Tolu. Ihr wird – zusammen mit weiteren Angeklagten – Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen, gemeint ist die linksextreme MLKP. Aus Sicht von Beobachtern dürfte sich der Prozess noch länger hinziehen.
Enis Berberoğlu
Inhaftiert seit Juni 2017
Enis Berberoğlu war als Journalist bei CNN Türk tätig von 2009 bis 2014 Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Hürriyet. Er ist außerdem Politiker der Republikanischen Volkspartei (CHP) und saß für seine Partei im türkischen Parlament.
Berberoglu wird vorgeworfen, den Journalisten Can Dündar und Erdem Gül von der Zeitung "Cumhuriyet" Filmmaterial aus dem Jahr 2014 zugespielt zu haben. Darauf soll zu sehen sein, wie der türkische Geheimdienst Waffen ins Kriegsgebiet nach Syrien transportiert. Die Zeitung berichtete über den Fall.
Im Februar 2018 wurde Berberoglu wegen "Geheimnisverrats" zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt. Zuvor war er bereits im Juni 2017 wegen der Vorwürfe zu 25 Jahren Haft verurteilt worden, ein Berufungsgericht hatte das Urteil jedoch aufgehoben und der Fall musste neu aufgerollt werden.