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Inhaftierter Journalist Billy Six
"Er gehört in Freiheit – schnell"

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat die Freilassung des in Venezuela inhaftierten Billy Six gefordert. Es gehe bei dem offenbar heute beginnenden Verfahren darum, den deutschen Journalisten wegen seiner Arbeit zu drangsalieren, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr im Dlf.

Christian Mihr im Gespräch mit Antje Allroggen |
    Billy Six
    Billy Six arbeitet als freier Mitarbeiter für die rechtskonservativen Publikationen "Junge Freiheit" und "Deutschland-Magazin". (dpa)
    Antje Allroggen: Ein gescheiterter Aufstand einer Gruppe von Soldaten, in Brand gesetzte Barrikaden, Videoaufnahmen davon in sozialen Medien, Massenproteste der Opposition, und die will die Präsidentschaft des mächtigsten Manns Venezuelas, Nicolas Maduro, nicht anerkennen - in diese bürgerkriegsähnliche Krise geriet der deutsche Journalist Billy Six, als er Ende vergangenen Jahres festgenommen wurde. Seitdem ist er in einem Militärgefängnis inhaftiert. Kann der 32-jährige Journalist unter diesen prekären politischen Vorzeichen mit einem fairen Verfahren rechnen?
    Christian Mihr: Allem Anschein nach kann er nicht damit rechnen. Denn nach venezolanischem Recht würde ihm ein Anwalt zustehen. Und der Zugang zum Anwalt wird ihm verweigert. Venezuela ist nichts anderes als ein Unrechtsstaat. Nicht umsonst hat Reporter ohne Grenzen Nicolas Maduro schon vor einigen Jahren als Feind der Pressefreiheit bezeichnet.
    Allroggen: Was wird dem Journalisten denn überhaupt vorgeworfen?
    Mihr: Billy Six wird vorgeworfen: Spionage. Er soll ein Foto von Staatspräsident Nicolas Maduro auf einer Wahlkampfveranstaltung innerhalb einer Sicherheitszone gemacht haben. Und es kann ja wohl nicht illegal sein, dass man eine Person des öffentlichen Lebens wie einen Staatspräsidenten, der sozusagen tausendfach auf Google zu finden ist und in den Medien, dass man den fotografiert. Es geht hier ganz klar darum, einen Journalisten wegen seiner journalistischen Arbeit zu drangsalieren.
    Billy Six arbeitet als freier Mitarbeiter für die rechtskonservativen Publikationen "Junge Freiheit" und "Deutschland-Magazin".
    Allroggen: Ungewöhnlich ist ja auch, dass er, sagen wir mal, dass er sich seit November in einem Militärgefängnis befindet.
    Mihr: Tatsächlich hat Billy Six als Zivilist nichts in einem Militärgericht und auch nichts in einem Militärgefängnis zu suchen. Aber er hat überhaupt nichts in einem Gefängnis zu suchen. Er gehört in Freiheit – und das sehr schnell.
    "Venezuela ist auf dem Weg in eine linke Diktatur"
    Allroggen: Heute ist ja immerhin davon die Rede, dass der Prozess gegen ihn beginnen soll, im Bundesstaat Falcon. Können Sie das bestätigen? Über welche Informationen verfügen Sie?
    Mihr: Reporter ohne Grenzen recherchiert auch vor Ort in Caracas. Und von unseren Quellen vor Ort, in Venezuela, haben wir tatsächlich auch heute die Bestätigung bekommen, dass dieser Prozess um 13 Uhr Ortszeit, das ist 18 Uhr deutsche Zeit, stattfinden soll. Und wir hoffen sehr, dass er dann nach der heutigen Anhörung sofort in Freiheit kommt.
    Allroggen: Auf Ihrer Rangliste der Pressefreiheit steht Venezuela im Moment auf Platz 143 von 180 Staaten. Wie sieht denn die Situation insgesamt für Südamerika aus? Wir haben ja erst am Sonntag aus Mexiko gehört, dass dort ein Radiojournalist brutal ermordet worden ist.
    Mihr: Die Situation in vielen lateinamerikanischen Ländern ist für Journalisten sehr schwierig. Gerade in Mexiko, Brasilien - das sind Länder, in denen Journalisten auch tagtäglich damit rechnen müssen, dass sie ermordet werden, weil organisierte Kriminalität ganz stark ist, dass Politik im Prinzip zersetzt ist von Drogen-, Guerilla-, kriminellen Gangs. Venezuela ist insofern eine Ausnahme, als dass Venezuela ein Land ist, das sich auf dem Weg in eine linke Diktatur befindet. Wenn es das nicht schon längst ist. Und die anderen Länder, in denen die Situation für Journalisten in Lateinamerika prekär ist, ist es meistens, weil der Staat sehr schwach ist und in einigen Regionen nicht mehr präsent ist, wie z.B. in Mexiko.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.