Archiv

Initiative #stayonboard
Elternzeit auch für Vorstandsvorsitzende

Eine berufliche Auszeit, um das neugeborene Kind zu betreuen oder Angehörige zu pflegen - für Vorstandsvorsitzende, Aufsichtsratmitglieder oder Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer ist dies rechtlich immer noch nicht möglich. Eine Initiative will das ändern und stößt auch in der Politik auf Zuspruch.

Von Katharina Hamberger |
Mutter wickelt ihren fünf Monate alten Säugling
Momentan haben nur Angestellte gesetzlich die Möglichkeit, Elternzeit zu nehmen (imago/Christine Roth)
"Also es hat mich schon überrascht, dass es 2020 ist und das fällt uns auf?" - Verena Pausder kann es kaum glauben, dass es in den vergangenen Jahren, man muss sagen Jahrzehnten, hingenommen worden ist, dass Vorstandsmitglieder deutscher Börsenunternehmen keine Möglichkeit hatten, sich zum Beispiel um das neugeborene Kind oder auch pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Oder bei Krankheit eine begrenzte Auszeit zu nehmen, ohne in dieser Zeit weiter zu haften.
Keine begrenzte Auszeit für Vorstandsmitglieder
Unternehmerin Pausder will, dass sich das ändert und hat zusammen mit anderen die Initiative #stayonboard ins Leben gerufen. Unterstützt wird sie mittlerweile unter anderem von Sigrid Evelyn Nikuta, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn, dem ehemaligen Daimler-Chef Dieter Zetsche und auch der Gründerin des Online-Möbelversand-Startups Westwing, Delia Lachance.
Ihr Fall war auch der Ausschlaggebende für die Gründung der Initiative: Anfang dieses Jahres bekam Lachance ein Baby. Sie wollte in Elternzeit gehen und legte deshalb ihren Posten als Vorstandsmitglied nieder. Etwas, dass Verena Pausder irritierte: "Und das war so ein Moment, wo ich dachte: Hä, hat die keine Lust mehr? Oder das kann ja nicht sein, dass sie deswegen niederlegt. Und dann hab ich sie angerufen und sie hat bestätigt, dass es der einzige Weg war, nicht zu haften, während sie weg ist."
Denn das deutsche Aktiengesetz sieht diesen Fall einer begrenzten Auszeit für Vorstandsmitglieder eben nicht vor. Pausder spricht von einem Missstand. Ihre Initiative will deshalb, dass das Recht geändert wird. Will ein Vorstandsmitglied pausieren, soll das, mit Ankündigung, bis zu sechs Monate möglich sein, schlägt #stayonboard vor.
Haftungsausschluss während der Auszeit
"Dann steht im Handelsregister hinter dem jeweiligen Vorstand in Klammern: "Ruhend bis 30.6.2021" oder was auch immer. Und das heißt: Der ist nicht weg, der hat sein Mandat nicht niedergelegt, der ruht. Er haftet nicht während der Ruhephase und danach kommt er automatisch wieder", erklärt Pausder und fügt an, dass man in das entsprechende Eckpunktepapier auch mit aufgenommen habe, dass diese Ruhezeit nicht zur Unzeit passieren dürfe, um vor einem Missbrauch der Regelung zu schützen. Diese dürfe kein Schlupfloch für zum Beispiel schlechte Performance sein.
Zu den Unterstützern und Unterstützerinnen zählen mittlerweile aber nicht nur Unternehmer und Unternehmerinnen, sondern auch Abgeordnete, wie Digitalstaatsministerin Dorothee Bär von der CSU. Auch der FDP-Politiker Thomas Sattelberger gehört dazu - und das von Anfang an. Die Änderung des Aktiengesetzes hält er für einen weiteren wichtigen Schritt, um den Teufelskreis zu durchbrechen, dass vor allem Männer die großen Firmen regierten.
Sattelberger: "Das Gesetz wurde damals geschaffen, als Vorstände überwiegend ältere Herren waren." Nun müsse man die alte Gesetzeslage an die moderne Situation anpassen, sagt der Liberale Sattelberger. Seine Fraktion hat mittlerweile auch einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Und es scheinen auch andere Parteien den Willen zu haben, hier etwas zu ändern. Zustimmende Signale kommen unter anderem aus der Union aber auch aus der SPD.
Bundesregierung prüft Vorschläge von #stayonboard
So versprach Arbeitsminister Hubertus Heil mit der Justizministerin darüber zu sprechen. Deren Haus ist bei dieser Frage federführend zuständig und man beschäftigt sich dort nun offenbar damit. Allerdings steht die Antwort noch aus. Ein Sprecher des Ministeriums sagte unserem Hauptstadtstudio, man habe sich noch kein abschließendes Bild hinsichtlich der Vorschläge von #stayonboard gemacht, diese sollen in die Überlegungen mit einbezogen werden.
Derzeit prüft das Justizministerium nach eigenen Angaben auch, wie schon heute, also nach geltender Rechtslage ein Haftungsrisiko beispielsweise bei Krankheitsfällen von Vorstandsmitgliedern oder für Frauen, die während ihrer Tätigkeit im Vorstand eine Babypause einlegten, vermieden werden könne, heißt es aus dem Haus von Sozialdemokratin Christine Lamprecht.
Initiatorin Pausder ist jedenfalls überzeugt: Wenn sich das Gesetz ändern, so dass Frauen und Männer auch auf Vorstandsebene eine Auszeit nehmen können, wird sich das auch auf das ganze Unternehmen auswirken: "Es ist kein Elitenthema. Denn wenn sich das oben ändert, dann strahlt das auf das ganze Unternehmen unten ab."