"Ich bin bei ThyssenKrupp seit 1. März, also ungefähr seit sechs Monaten." Wissam Zabadneh sitzt im elften Stock des gläsernen Hauptgebäudes von ThyssenKrupp in Essen. Zuerst war er Praktikant, jetzt ist er akademische Aushilfe in der Kommunikationsabteilung des Konzerns. Helles Hemd, dunkle Hose, kurze Haare – der 28-Jährige fällt unter seinen Kollegen nicht groß auf – zumindest auf den ersten Blick. Wissam Zabadneh ist aus Syrien und als Flüchtling nach Deutschland gekommen.
"Als ich diese Stelle oder dieses Praktikum bekommen habe, war ich in Deutschland seit fast einem Jahr. Und für mich das war sehr sehr schön und eine große Chance."
Der Essener Stahlkonzern ThyssenKrupp hat sich im September 2015 entschieden, aktiv bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu helfen. Seitdem wurden zusätzlich 150 Ausbildungsplätze und 230 Praktikumsplätze für Flüchtlinge geschaffen – ein Großteil davon ist mittlerweile auch besetzt.
Mit dabei sind Opel, Telekom, TUI, Lufthansa, Bosch, Adidas oder RWE
Ariane Derks ist im Konzern für Gesellschaftliches Engagement zuständig. Über die damalige Motivation, sich zu engagieren, sagt sie: "Wir wissen, dass wir das können, wir wissen, dass das Zeit braucht, aber wir haben auch eine gewisse Erfahrung, auf der wir aufbauen können. Und das tun wir jetzt."
Ähnlich sehen das viele andere deutsche Firmen – wie Opel, Telekom, TUI, Lufthansa, Bosch, Adidas oder RWE. Auch sie begannen im Herbst 2015, Job-Projekte für Flüchtlinge ins Leben zu rufen. Anfang dieses Jahres haben sie sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. "Wir Zusammen" heißt es. Mit 36 Unternehmen ist es gestartet und mittlerweile auf 116 Firmen angewachsen.
"Seit Start des Projekts haben wir jetzt 1.800 Praktikumsplätze geschaffen, insgesamt wurden 3.300 Praktikumsplätze eingerichtet. Es wurden über 700 Ausbildungsplätze geschaffen und konnten bisher mit 530 Flüchtlingen besetzt werden und es wurden 450 Festanstellungen geschaffen." Die Sprecherin des Netzwerks, Marlies Peine, nennt diese Zahlen nicht ohne Stolz, denn die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt sei eine Herkulesaufgabe – und nicht so einfach zu stemmen, wie sich das manche vielleicht wünschten. "Wir stehen ja auch immer noch am Anfang. Am Arbeitsplatz ist es so, dass es natürlich hauptsächlich Hürden bei der Sprache gibt. Andererseits ist es so, nicht immer sind die Qualifikationen, die die Flüchtlinge mitbringen die, die man vielleicht im Unternehmen benötigt."
Wissam Zabadneh ist einfach nur froh und dankbar
Über Meldungen, dass zum Beispiel die 30 wertvollsten DAX-Unternehmen erst etwas mehr als 50 Flüchtlinge fest eingestellt hätten, ärgert sich Peine deshalb: "Wir haben viel erreicht in der kurzen Zeit, aber es wird halt immer noch etwas kritisch gesehen, dass es noch nicht genug ist. Wir wissen alle, dass wir noch viel, viel vor uns haben. Aber die Akzeptanz für das, was halt tatsächlich schon realisiert worden ist, das wünsche ich mir, dass die ein bisschen positiver wahrgenommen wird."
Auch Thyssenkrupp-Mitarbeiterin Ariane Derks sieht die deutsche Wirtschaft in Sachen Flüchtlings-Integration noch in einem riesigen Lernprozess. "Ich glaube nicht nur wir, sondern ganz, ganz viele Unternehmen schaffen gerade Grundlagen dafür, dass Integration mit und durch Arbeit funktionieren kann. Wir wünschen uns alle Verständnis dafür, dass es noch dauert."
Wissam Zabadneh ist einfach nur froh und dankbar, dass er durch Thyssenkrupp endlich mehr Kontakt zu Deutschen hat und seine Sprachkenntnisse verbessern konnte. "Ich habe so viele nette Kollegen kennengelernt. Bei der Arbeit ist das einfacher als auf der Straße. Die haben keine Lust, mit Ausländern zu reden, das merke ich. Aber bei der Arbeit ist es etwas anderes. Alle Leute sind sehr sehr cool. Das finde ich gut."