Udo Nietmann-Schulte hat jahrelang in der Gastronomie gearbeitet, bis er nicht mehr erkennen konnte, wann die Gläser gefüllt waren.
"Man hat festgestellt, dass ich auf dem linken Auge so gut wie blind bin, dass ich auf dem rechten Auge auch Einschränkungen habe."
Ein dreiviertel Jahr ist der 50-Jährige bereits ohne Festanstellung. Noch vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit hatte er sich eigenständig um eine neue Stelle bemüht, in einem Call-Center.
"Es kam schließlich im Oktober zu einem Vorstellungsgespräch, was positiv für mich verlaufen ist. Kam auch zu einer Probearbeit. Nicht ganz so positiv verlaufen ist, weil ich halt nur als Hilfsmittel meine Lesebrille dabei hatte und bei meinen schlechten Augen hat das nicht wirklich viel geholfen."
Beratung hat beim Neustart geholfen
Nach seinem beruflichen Misserfolg, verbunden mit seiner immer stärkeren Sehbeeinträchtigung, die ihm das Leben schwer macht, war er eine Zeit lang niedergeschlagen. Nach einer Beratung wurde er zu einem Berufsbildungszentrum geschickt, wo ihm zahlreiche Hilfsmittel vorgestellt wurden. Die sollen ihm einen neuen Start ins Arbeitsleben möglich machen.
"Ich finde, ich habe einen Sprung gemacht durch dieses Institut, durch die Anweisung, was für Hilfsmittel es gibt. Man hat mit mir dann diverse Geräte ausprobiert, unter anderen ein Computerprogramm, das die Buchstabengröße vergrößert, auch teilweise Texte vorlesen kann, also mir sehr viel weiterhelfen würde. Ich wusste ja gar nicht, was es da überhaupt gibt. Dieses Programm kannte ich z.B. gar nicht. Ich bin zuversichtlich, dass ich durch dieses Mittel wieder in Lohn und Brot stehe."
Die Arbeitslosenquote liegt bei Menschen mit Behinderung bundesweit bei gut zwölf Prozent – das ist mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung. Und auch die Dauer der Arbeitslosigkeit ist ein Problem: Arbeitslose mit Behinderung brauchen im Schnitt gut drei Monate länger als ihre Kollegen ohne Behinderung, um eine neue Beschäftigung zu finden. Insgesamt brauchen sie im Schnitt mehr als ein Jahr. Vom Jobcenter hat Nietmann-Schulte bislang noch keine Vorschläge bekommen:
"Seitdem ich dort in der Behindertenabteilung geführt werde, kein einziges Jobangebot, seit März 2017."
Unkenntnis bei vielen Arbeitgebern
Das Angebot ist gering. Dabei haben Arbeitgeber eigentlich die Pflicht, pro 20 Mitarbeiter einen Menschen mit Handicap einzustellen. Tun sie das nicht, müssen sie einen finanziellen Ausgleich von mehreren hundert Euro pro Monat bezahlen. Trotzdem: Ein Viertel der Unternehmer zahlen lieber, als Behinderte einzustellen. Bei den Arbeitgebern herrsche oft noch Unkenntnis über die Möglichkeiten, einen Menschen mit Behinderung einzustellen, meint Hasan Oktay, Fachberater der Diakonie in Bochum.
"Meines Erachtens besteht eben eine riesige Schwachstelle darin, dass der Bekanntheitsgrad der verschiedenen Anlaufstellen, über die verschiedensten Fördermöglichkeiten nicht nur finanzieller Art, sondern auch technischer Art, sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Arbeitgebern, einfach nicht bekannt sind."
Denn oft sind es auch bürokratische Hindernisse, die eine Einstellung verhindern. In manchen Kommunen sind fünf verschiedene Ämter und Institutionen daran beteiligt, wenn ein Unternehmen einen behinderten Mitarbeiter einstellen will. Dabei können Betroffene und Unternehmer zahlreiche Hilfen für eine Einstellung erhalten: Von finanziellen Unterstützungszahlungen bis zu technischer Hilfe.
Und: In Zeiten von steigendem Fachkräftemangel macht es Sinn, aktiv nach Mitarbeitern mit Handicap zu suchen: Unter ihnen gibt es mehr Fachkräfte als bei nicht-schwerbehinderten Arbeitslosen.