Etwa 20 Kinder sitzen an Tischen und schneiden Fantasiefiguren aus buntem Seidenpapier. Sie sind zwischen fünfeinhalb und zehn Jahre alt. Es ist eine der sogenannten Jül-Klassen an der Miriam-Makeba-Grundschule. "Jül" wird in allen Berliner Grundschulen praktiziert. Es bedeutet gemeinsames Lernen für Kinder der ersten, zweiten und dritten Jahrgangsstufe. Die Kunstlehrerin stellt Becher mit Tapetenkleister auf die Tische, ihre Augen sind überall. Einige Kinder laufen durch das Klassenzimmer, andere wollen auf die Toilette, wieder andere kommen mit der Schere nicht klar.
Schulhelfer Holger Wandelburg sitzt neben einem Zehnjährigen, der auf seinem Stuhl zappelt und leise vor sich hin singt. Was man dem zierlichen Jungen auf den ersten Blick nicht ansieht: Ohne individuelle Betreuung hätte er in einer normalen Grundschule keine Chance.
"Soll ich dir mal die ersten Schnitte machen? Jetzt kannst du hier weiter schneiden. Bis hier?"
Holger Wandelburg hat schon als Chemielaborant und als Fahrradmechaniker gearbeitet, seine Arbeit in der Schule empfindet er als echte Berufung. Trotzdem reicht das Geld gerade mal für die Miete. Dazu kommt, dass Schulhelfer keine offizielle Berufsbezeichnung ist. Das muss sich ändern, meint Holger Wandelburg.
"Überhaupt ein Berufsbild zu entwickeln, was aus diesem Beruf einen richtig klassischen Beruf mit einer Lernphase, einer Prüfung und der entsprechenden Eingruppierung macht."
Er ist einer von etwa 600 Schulhelfern in Berlin. Sie sind zuständig für Kinder, die in ihrem Schulalltag besondere Hilfs- und Pflegeleistungen brauchen. Sei es, dass sie an Diabetes oder einer Form von Autismus leiden, körperlich behindert sind oder besondere Lernschwierigkeiten haben. Zehn Stunden pro Woche kann sich Holger Wandelburg um seinen zehnjährigen Schützling kümmern. Weitere zehn Wochenstunden bemüht er sich um einen 13-Jährigen an der gleichen Schule. Im Büro des Schulleiters liegen schon die Anträge für das nächste Schuljahr auf dem Tisch. Derzeit arbeiten gerade einmal vier Schulhelfer an der Miriam-Makeba-Grundschule, einer Schule mit fast 500 Kindern. Viele haben Lernschwierigkeiten, sprechen kaum oder nur gebrochen deutsch, erklärt Schulleiter Holger Leimbach.
"Ich wünsche mir, dass Schulhelferstunden pauschal an die Schule gegeben werden, die wir nach unseren Vorstellungen in die entsprechenden Klassen geben. Da muss eigentlich mehr kommen, aber ich sehe natürlich auch die pekuniäre Situation des Landes Berlin und kann mir nicht vorstellen, dass da nachgebessert wird."
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert, dass alle Berliner Schulen von Schulhelfern unterstützt werden. Doch der Berliner Senat besteht auf individuellen Anträgen für jede einzelne Stelle. Neuneinhalb Millionen Euro stehen für Schulhelfer in diesem Jahr bereit. Viele studieren Lehramt, die wenigsten sind Quereinsteiger wie Holger Wandelburg. Alle werden über freie Träger geschult und angestellt.
Doch kein Schulhelfer kann einen ausgebildeten Sonderpädagogen ersetzen, meint Geschichtslehrer Harald Hüttmann. In seinem Unterricht sitzt ein 13-Jähriger mit silberfarbener Halskette gleich neben der Tafel. Der Platz neben ihm ist leer. Er wird leicht aggressiv, eigentlich sollte immer ein Schulhelfer neben ihm sitzen, sagt Hüttmann. Doch mehr als zehn Wochenstunden pro Schüler werden nur selten genehmigt. Dazu kommt, dass Schulhelfer in der Regel keine langfristigen Verträge haben.
"Also wir haben Glück, wenn die dann über zwei, drei Jahre einen Anschlussvertrag kriegen. Aber das ist ja nicht gewährleistet. Im Zweifel hat man im nächsten Halbjahr einen ganz anderen Schulhelfer oder gar keinen."
Er schätzt die Arbeit der Schulhelfer, doch das eigentliche Ziel Inklusion, also das gemeinsame Lernen von guten und schlechten Schülern von Behinderten und nicht Behinderten, ist ohne die Unterstützung von ausgebildeten Sonderpädagogen nicht möglich.
"Es ist eine Billiglösung. Natürlich haben nicht alle Schulhelfer eine natürliche Begabung, die kommen als Quereinsteiger und manche schaffen das und manche nicht. Wir haben manchmal so schwierige Kinder, wo ein normal ausgebildeter Mensch überfordert ist. Und so war das auch nicht gedacht."