Das Recht auf inklusive Bildung. Seit 2009 ist es von den Vereinten Nationen für jeden festgesetzt. Im Sportunterricht ist das gar nicht so leicht umzusetzen. Das liege auch daran, dass Inklusion häufig falsch verstanden werde, sagt Felix Döring.
"Das Problem ist oft, dass wir sagen: Es gibt zwei homogene Gruppen. Nämlich einmal die Gruppe der Kinder, die nicht behindert sind, und die Gruppe von Kindern mit Behinderung. Und wie geht es jetzt, diese zwei Gruppen zusammen zu unterrichten?", sagt der Sportlehrer, der ganz neu für die SPD im Bundestag sitzt, im Deutschlandfunk-Sportgespräch. "Aber ich glaube, der Grundgedanke von Inklusion ist eigentlich ein ganz anderer. Nämlich der, dass Vielfalt und Heterogenität in einer Lerngruppe grundsätzlich als Chance und Gewinn betrachtet werden."
Das sehen aber anscheinend nicht alle so: In einer Umfrage der "Zeit" zu schulischer Inklusion glaubt die Hälfte der Befragten, dass leistungsstarke Kinder durch inklusiven Unterricht eingeschränkt werden.
"Sportunterricht hat nicht die Aufgabe, Leistungssportler und Leistungssportlerinnen hervorzubringen", findet Helga Leineweber. Sie lehrt an der Deutschen Sporthochschule in Köln Sportdidaktik und Sportunterricht. "Die sportliche Leistungsfähigkeit ist kein Kriterium für einen Schulabschluss."
Leistung ist nicht alles
Dennoch stehen wie in den anderen Schulfächern die Noten auch im Sport im Vordergrund. Für den inklusiven Sportunterricht ein Hindernis, so Lehrer und Politiker Döring:
"Bei diesen Bewertungsformen nehmen wir ja in keinster Weise Rücksicht auf die individuellen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen. Klar ist für mich jedenfalls, dass wir teilweise einen regelrechten Notenwahn ausleben an deutschen Schulen."
An sich sei der Leistungsgedanke nicht falsch, aber Leistung müsse anders ausgelegt werden: beispielsweise Kooperations- und Gruppenleistungen anerkennen, stimmt ihm Didaktikerin Leineweber zu:
"Leistung als solche gehört zum Sport dazu, genauso wie das Wettkampfprinzip. Das sind schon Merkmale von Sport, die möchten wir auch überhaupt nicht aus dem Sportunterricht eliminieren. Aber das ist eben nicht alles. Und darum geht es im Sportunterricht: Das Mehr, was es darüber hinaus noch gibt, kennen zu lernen und erfahrbar zu machen. Und da auch wirklich Lernerfolge und Lernprozesse anzustoßen."
Leistungsdenken auch im Lehramtsstudium
Aber nicht nur der Sportunterricht in der Schule wird von Noten und Leistungsbewertung bestimmt: So sei es auch schon vorher im Sportlehramtsstudium gewesen, erinnert sich Döring an seine Studienzeit zurück: "Also ich glaube, wir haben da teilweise die völlig falschen Selektionsmechanismen im Sportstudium und ich muss keine einwandfreie Kippe am Reck durchführen können, um ein guter Sportlehrer zu sein."
Universitätsdozentin Leineweber hält sportfachliche Kompetenzen im Studium weiter für wichtig. Für den inklusiven Unterricht reiche das aber nicht: "Generell muss man sich überlegen, inwieweit man diese pädagogische Rolle als Lehrperson schon frühzeitiger stärker und besser schulen und ob das nicht auch möglicherweise auch so eine Art Eignungstest fürs Sportstudium ergänzen könnte."
"Es ist eine Zumutung für die Lehrkräfte"
Das Lehramtsstudium ist aktuell entweder für Förder- oder Regelschulen ausgerichtet. Das besondere Fachwissen für die unterschiedlichen Förderschwerpunkte von Kindern kann nicht überall integriert werden. Aber diese Trennung behindere auch das Ziel einer inklusiven Schule:
"Wenn wir Inklusion tatsächlich leben wollen, dann bedeutet das in der Konsequenz: Eine Schule für alle und an dieser Schule müssten sich dann Spezialisten für unterschiedliche Bereiche wiederfinden. Aber ja, da hinkt unser Bildungssystem sicher hinterher und das ist eine Zumutung für ganz viele Lehrkräfte."