"Wenn jemand sucht, dann geschieht es leicht, dass sein Auge nur noch das Ding sieht, das er sucht, ... weil er nur an das Gesuchte denkt, weil er ... vom Ziel besessen ist. Finden aber heißt: frei sein, offen stehen, kein Ziel haben."
Wegen solcher Ansichten als Guru gefeiert, bekam Hermann Hesse in den 1950er- und 1960er-Jahren nicht nur Berge an Post in sein Haus im schweizerischen Montagnola mit Fragen nach der "richtigen" Lebensführung, einige Leser reisten auch an und ließen sich von dem Hinweisschild "Bitte keine Besuche" nicht abhalten. Sie erlebten einen sehr einfachen, sehr solidarischen Mann, der allerdings keinen Hehl daraus machte, seine innere Zurückgezogenheit auch nach außen leben zu wollen – deshalb war er 1946 sogar der Nobelpreisverleihung fern geblieben. In einem seiner frühen "Märchen", eine der seltenen Tonbandaufnahmen von ihm, findet sich ein heimliches Selbstporträt:
"Er empfand, das ihm bei allen Festen und aller Lust dieser Erde doch niemals ganz und gar wohl und heiter ums Herz sein könnte. Dass er auch inmitten des Lebens ein Einsamer, und gewissermaßen ein Zuschauer und Fremdling bleiben würde."
Jedes Gedicht, jede Erzählung, jeder Roman Hermann Hesses ist eine Chronik seines eigenen Lebenskampfes im mal mehr, mal weniger verschlüsselten Klartext der intellektuellen Autobiografie.
Der am 2. Juli 1877 im schwäbischen Calw geborene Sohn eines Missionarspfarrers wurde als Kind geplagt von nächtlichen Angstschreien und ohnmächtigem Weinen. Die Familie gab den Sohn fort, schickte ihn in einem anderen Ort zur Schule. Auf diese frühe Erfahrung des Ausgestoßenseins antwortete Hesse mit einer Rebellion. Auch als Erwachsener galt er als unberechenbar.
Trotz erster Erfolge als Schriftsteller spürte er, dass sein Leben zum Stillstand gekommen war – und da inszenierte er einen Ausbruch hinaus in die Welt und fuhr nach Indien, beschäftigte sich mit dem Buddhismus und mit der chinesischen Philosophie. Dieser Versuch der Lebens- und Welterkenntnis hat seinen Büchern dann den Prägestempel gegeben, Büchern wie "Siddhartha" von 1922, "Der Steppenwolf" von 1927, "Narziss und Goldmund" von 1930 sowie "Das Glasperlenspiel" von 1943. Den vor allem durch das Erlebnis des Ersten Weltkriegs beobachteten "Zerfall der Kulturgeborgenheit" hat Hesse beschrieben und vorgeschlagen, dass der Mensch einen neuen Halt nur in sich selbst suchen solle.
"Anders sah er jetzt die Menschen an als früher, weniger klug, weniger stolz, dafür wärmer, dafür neugieriger, beteiligter ... In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist mit dem Fluss des Geschehens, ... "
Die Suche nach einer Kontinuität in sich selbst in allen Krisenerfahrungen hat später vor allem Hesses junge Leser weltweit fasziniert. Diese angestrebte Kontinuität hat allerdings auch der Schriftsteller selbst nur augenblicksweise empfunden. Ralph Friedmann, unter den vielen Biografen Hesses einer der kundigsten, hat dessen Lebensproblem auf den Punkt gebracht:
"Wann immer er zu Hause sein wollte, wollte er in der Fremde sein; wann immer er wanderte, wollte er stillstehen ... Aber für ihn waren das nicht nur banale Trotzreaktionen aus reiner Opposition heraus ... Es waren vielmehr die eigentlich bestimmenden Elemente einer ganzen Kulturkrisis, die er zur Darstellung bringen musste."
Der Tod am 9. August 1962 kam sanft, im Schlaf; in der linken Hand hielt Hesse noch die Nachtlektüre Augustinus’ "Bekenntnisse". Auch Hesses Werk ist voller Bekenntnisse, über die manche Kritiker zwar gespottet und seine Literatur als Kitsch abgetan haben, aber der Liebe eines weltweiten Publikums zu seinem Werk konnte solche Kritik nie etwas anhaben. In seinem Gedicht "Herbstregen im Tessin" bat Hesse:
"Alles hat Dauer in frommer Erinnerung, / bleibt im Wort, im Bild, im Liede bewahrt, / ewig bereit, zur Feier der Rückkehr / in erneuten, erhöhten Gewand. / Hilf bewahren du, hilf verwandeln, / und es geht dir die Blume gläubiger Freude / im Herzen auf."
Wegen solcher Ansichten als Guru gefeiert, bekam Hermann Hesse in den 1950er- und 1960er-Jahren nicht nur Berge an Post in sein Haus im schweizerischen Montagnola mit Fragen nach der "richtigen" Lebensführung, einige Leser reisten auch an und ließen sich von dem Hinweisschild "Bitte keine Besuche" nicht abhalten. Sie erlebten einen sehr einfachen, sehr solidarischen Mann, der allerdings keinen Hehl daraus machte, seine innere Zurückgezogenheit auch nach außen leben zu wollen – deshalb war er 1946 sogar der Nobelpreisverleihung fern geblieben. In einem seiner frühen "Märchen", eine der seltenen Tonbandaufnahmen von ihm, findet sich ein heimliches Selbstporträt:
"Er empfand, das ihm bei allen Festen und aller Lust dieser Erde doch niemals ganz und gar wohl und heiter ums Herz sein könnte. Dass er auch inmitten des Lebens ein Einsamer, und gewissermaßen ein Zuschauer und Fremdling bleiben würde."
Jedes Gedicht, jede Erzählung, jeder Roman Hermann Hesses ist eine Chronik seines eigenen Lebenskampfes im mal mehr, mal weniger verschlüsselten Klartext der intellektuellen Autobiografie.
Der am 2. Juli 1877 im schwäbischen Calw geborene Sohn eines Missionarspfarrers wurde als Kind geplagt von nächtlichen Angstschreien und ohnmächtigem Weinen. Die Familie gab den Sohn fort, schickte ihn in einem anderen Ort zur Schule. Auf diese frühe Erfahrung des Ausgestoßenseins antwortete Hesse mit einer Rebellion. Auch als Erwachsener galt er als unberechenbar.
Trotz erster Erfolge als Schriftsteller spürte er, dass sein Leben zum Stillstand gekommen war – und da inszenierte er einen Ausbruch hinaus in die Welt und fuhr nach Indien, beschäftigte sich mit dem Buddhismus und mit der chinesischen Philosophie. Dieser Versuch der Lebens- und Welterkenntnis hat seinen Büchern dann den Prägestempel gegeben, Büchern wie "Siddhartha" von 1922, "Der Steppenwolf" von 1927, "Narziss und Goldmund" von 1930 sowie "Das Glasperlenspiel" von 1943. Den vor allem durch das Erlebnis des Ersten Weltkriegs beobachteten "Zerfall der Kulturgeborgenheit" hat Hesse beschrieben und vorgeschlagen, dass der Mensch einen neuen Halt nur in sich selbst suchen solle.
"Anders sah er jetzt die Menschen an als früher, weniger klug, weniger stolz, dafür wärmer, dafür neugieriger, beteiligter ... In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist mit dem Fluss des Geschehens, ... "
Die Suche nach einer Kontinuität in sich selbst in allen Krisenerfahrungen hat später vor allem Hesses junge Leser weltweit fasziniert. Diese angestrebte Kontinuität hat allerdings auch der Schriftsteller selbst nur augenblicksweise empfunden. Ralph Friedmann, unter den vielen Biografen Hesses einer der kundigsten, hat dessen Lebensproblem auf den Punkt gebracht:
"Wann immer er zu Hause sein wollte, wollte er in der Fremde sein; wann immer er wanderte, wollte er stillstehen ... Aber für ihn waren das nicht nur banale Trotzreaktionen aus reiner Opposition heraus ... Es waren vielmehr die eigentlich bestimmenden Elemente einer ganzen Kulturkrisis, die er zur Darstellung bringen musste."
Der Tod am 9. August 1962 kam sanft, im Schlaf; in der linken Hand hielt Hesse noch die Nachtlektüre Augustinus’ "Bekenntnisse". Auch Hesses Werk ist voller Bekenntnisse, über die manche Kritiker zwar gespottet und seine Literatur als Kitsch abgetan haben, aber der Liebe eines weltweiten Publikums zu seinem Werk konnte solche Kritik nie etwas anhaben. In seinem Gedicht "Herbstregen im Tessin" bat Hesse:
"Alles hat Dauer in frommer Erinnerung, / bleibt im Wort, im Bild, im Liede bewahrt, / ewig bereit, zur Feier der Rückkehr / in erneuten, erhöhten Gewand. / Hilf bewahren du, hilf verwandeln, / und es geht dir die Blume gläubiger Freude / im Herzen auf."