Informell zwar, aber deswegen nicht weniger intensiv, vielleicht ohne unmittelbaren Beschlusszwang sogar intensiver, befassen sich die EU-Innen- und Justizminister in Riga (am Donnerstag) mit dem Anti-Terror-Kampf. "Es ist Zeit für Aktion, aber nicht Aktionismus nach den Anschlägen von Paris. Wir dürfen nicht, wie so oft, überstürzt reagieren, sondern ausgewogen", wiederholte Matthias Ruete, Generaldirektor Innenpolitik bei der EU-Kommission, das vorherrschende Credo in Brüssel. "Charlie Hebdo war gewissermaßen ein Stresstest für unser System."
Und das System, das der Bedrohung durch Terroristen in der EU etwas entgegensetzen soll, hat diesen Stresstest erkennbar nicht bestanden. Wobei der Kampf gegen den Terror in allererster Linie nationale und nicht europäische Aufgabe ist. Woran es eindeutig gebricht, ist der gezielte, schnelle Austausch, das Zusammenführen von Einzelerkenntnissen nationaler Sicherheitsbehörden. Das hat auch die liberale EU-Abgeordnete Sophia In 't Veld im Sinn, wenn sie fragt: "Wie kann es sein, dass im Falle der Anschläge von Paris, von Toulouse, London, Madrid, auf das Jüdische Museum in Brüssel und anderer Terroranschläge den jeweiligen nationalen Sicherheitsbehörden die Täter vorher bekannt waren?"
"Wir hören, dass manche Sicherheitslücken entstehen, weil manche Behörden und Mitgliedsstaaten, ihre Erkenntnisse, ihr Wissen nicht austauschen." Genau das, was die SPD-EU-Abgeordnete Birgit Sippel beklagt, muss und soll verbessert werden. Es soll und muss möglicherweise auch neue Gesetze, neue Maßnahmen im Kampf gegen die Bedrohung durch radikalisierte Islamisten innerhalb der EU geben, aber zu allererst ginge es um die konsequente Umsetzung und Anwendung der bestehenden, sagt auch Matthias Ruete: "Wir können die Dinge im Rahmen existierender Strukturen besser machen – mit mehr Personal und mehr Mitteln."
Und die Vorratsdatenspeicherung?
Was aber beispielsweise noch nicht existiert ist die EU-weite anlasslose Speicherung persönlicher Daten von Flugreisenden. Das EU-Parlament hatte einen entsprechenden Entwurf aus datenschutzrechtlichen Gründen im vergangenen Jahr zurückgewiesen, wird sich in Kürze mit einem angepassten Entwurf auseinander zu setzen haben. Viele Abgeordnete aller Fraktionen glauben wie die Linke Cornelia nicht, dass Paris mit mehr Vorratsdatenspeicherung zu verhindern gewesen wäre, dass es einen Mehrwert an Sicherheit gäbe, der den Verlust an Freiheit kompensieren könnte: "Alle Antworten sind immer mit der Einschränkung von Freiheitsrechten verbunden, die dann alle treffen. Wenn man jetzt alle alten Hüte auspackt, die man immer schon mal auf den Tisch legen wollte, kommt man nicht wirklich weiter."
Womit man weiter käme, weiterkommen muss, sagen EU-Abgeordnete, sagt die EU-Kommission, sagt der EU-Terrorbeauftragte Gilles DeKerchove, sind vielleicht gar nicht in erster Linie restriktive Maßnahmen, wie der zeitweise Entzug von Pässen oder Personalausweisen von Terror-Verdächtigen. Oder neue Straftatbestände im Zusammenhang mit Terrorfinanzierung und Terror-Tourismus. Das zwar möglicherweise auch, findet manch einer – aber die entscheidenden, schwierigeren, nicht kurzfristig zu beantwortenden Herausforderungen an die EU-Länder sind andere.
"Wir müssen Menschen besser integrieren. Und wir müssen aufklären, erklären, Angebote machen, um den Propagandisten, die für den Terror werben, das Handwerk zu erschweren." Auch das ist auf der Themen-Liste der EU Innen- und Justizminister in Riga. So lässt sich das, was Gilles de Kerchhove als mögliche Maßnahmen gegen den Terror aufzählt, fast schon als Tagesordnung für die Minister lesen: "Es geht um so unterschiedliche Maßnahmen, wie der Radikalisierung vorzubeugen, in den Gefängnissen etwa und im Internet. Es geht um eine verbesserte Kontrolle der EU-Außengrenzen, das Aufspüren verdächtiger Reisen und die Zusammenarbeit mit den Transit-Ländern, durch die die Dschihad-Touristen nach Syrien und in den Irak reisen."