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Innenpolitische Krise im Iran
Iran-Experte: Trumps Politik hat Hardliner in Teheran gestärkt

Irans Präsident Hassen Rohani tue sich schwer, den Rücktritt von Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zu akzeptieren. Denn Rohani fürchte selbst in die Schusslinie der religiösen Hardliner zu geraten, sagte der Politikwissenschaftler Jochen Hippler im Dlf. Die Iran-Politik der USA habe Rohani geschwächt.

Jochen Hippler im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
Der geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei.
Die Aufkündigung des Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump hat die konservativen Kreise um den geistlichen Führer Ayatollah Ali Khamenei gestärkt, sagt Experte Jochen Hippler (picture-alliance / dpa / Khamenei Official Website)
Tobias Armbrüster: Was tut sich gerade in der iranischen Führung und wo könnte das alles enden? Ich habe darüber heute Abend mit dem Duisburger Politikwissenschaftler Jochen Hippler gesprochen, einem der versiertesten Iran-Kenner bei uns in Deutschland. Frage an ihn: Warum tut sich Irans Präsident Rohani offenbar so schwer damit, seinen Außenminister gehen zu lassen?
Jochen Hippler: Erstens hängt das damit zusammen, dass der Außenminister Sarif in den letzten Jahren sehr stark unter Druck reaktionärer rechter Kreise im Iran gestanden hat und dass er aufpassen muss, wenn er ihn verliert, nicht selber damit mitgeschwächt zu werden - als Symbol, dass die Politik der letzten Jahre, die Außenpolitik gescheitert sei. Das ist auch für den Präsidenten nicht sehr gut. Das zweite allerdings ist, dass es in letzter Zeit ab und an auch mal Gerüchte gegeben hat im Iran, dass es auch begrenzte Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Präsidenten und seinem Außenminister gegeben hat. Dass er sich in manchen Konflikten bei anderen Ministern stärker hinter sie gestellt hatte, etwa seinen Kommunikationsminister stärker unterstützt hätte, als er das jetzt in letzter Zeit mit dem Außenminister getan hat. Das ist nicht ganz sicher. Man merkt aber tatsächlich, dass es da eine gewisse Unsicherheit gibt in Teheran in der Frage.
Religiöser Führer begrenzt Spielraum des Präsidenten
Armbrüster: Können Sie vielleicht kurz erklären, welche Rolle spielen diese beiden Männer in der iranischen Politik?
Hippler: Sie sind beide Regierungsmitglieder. Das Problem ist natürlich, dass die Regierung im Iran nicht so funktioniert, wie das in manchen anderen Ländern der Fall ist. Das heißt, sie hat nur eine eingeschränkte Regierungsmöglichkeit. Manche wichtigen Institutionen - Militär, Revolutionsgarden, Justiz, Geheimdienste - unterstehen überhaupt nicht der Regierung. Und in der Situation haben teilweise diese rechten Kreise, die sich um den religiösen Führer Khamenei gruppieren, bestimmte Minister als Zielscheibe genommen, um Druck auf die Regierung auszuüben. Und das hat unter anderem tatsächlich diese beiden Minister im besonderen Maße auch getroffen in letzter Zeit.
Armbrüster: Welche Rolle nimmt Präsident Rohani dabei ein?
Hippler: Er ist tatsächlich als Hoffnung der Reformer angetreten. Aber auch der Präsident hat eben tatsächlich nur einen Spielraum, wenn es hart auf hart kommt, soweit der religiöse Führer das zulässt. Und der hat gerade in außenpolitischen Fragen eine widersprüchliche Rolle gespielt. In gewissem Sinne toleriert er eine Politik, die die Öffnung mit dem Westen aus wirtschaftlichen Gründen ermöglichen sollte, andererseits aber immer wieder dem Präsidenten Knüppel zwischen die Beine geworfen. Das heißt, der Präsident hat eben auch die Funktion, neben seinem Reformauftrag, den er in der Wahl bekommen hat von der Bevölkerung, gleichzeitig die Konflikte mit dem religiösen Führer zu begrenzen, und das ist tatsächlich nicht immer einfach.
"Revolutionsgarden und der religiöse Führer sehr gestärkt"
Armbrüster: Das klingt jetzt, Herr Hippler, nach einem sehr fragilen Kräftegleichgewicht in Teheran. Welche Wirkung hat es in den vergangenen Monaten gehabt, diese Entscheidung der USA, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen?
Hippler: Die Fragilität der Situation ist tatsächlich ganz beträchtlich. Weil auch die Leute, die wirklich die Macht haben, die über die bewaffneten Einheiten zum Beispiel verfügen, über die elektronischen Medien verfügen, über die Justiz verfügen, eigentlich in der Bevölkerung ziemlich unbeliebt sind. Während die Regierung, die mal die Hoffnung verkörpert hat, sich teilweise als hilflos erwiesen hat, diese Hoffnung durchzusetzen. Wenn in dem Kontext jetzt das Große Projekt der Regierung von Sarif und von Rohani, nämlich über die Bereitschaft mit dem Atomabkommen die Wirtschaftslage zu verbessern, die gescheitert ist aufgrund von Herrn Trumps Politik. Und jetzt die Wirtschaftslage sich noch mal verschlechtert hat, die Währung fast zusammengebrochen ist, die Inflation wesentlich gestiegen ist, das ist tatsächlich eine Situation, wo die trumpsche Politik die harten rechtsextremen Flügel in Teheran eher gestützt haben. Die können jetzt sagen, wir haben es ja immer gesagt: Gespräche mit dem Westen bringen nichts, wenn es hart auf hart kommt, dann stehen die einfach nicht dazu. Da wurde die Regierung durchaus geschwächt und die Revolutionsgarden und der religiöse Führer sehr gestärkt.
Armbrüster: Könnte da noch mal ein Umsturz auf das Land zukommen?
Hippler: Die Frage ist, wie lange man nach vorne sehen will. Die Situation ist im Moment tatsächlich instabil, weil die herrschenden Strukturen kaum noch Legitimität haben, positive Reformansätze aber immer wieder zum Scheitern gebracht worden sind. Das ist in den nächsten 10, 20 Jahren nicht stabil. Eine der Optionen, über die man nachdenkt, ist tatsächlich, wenn der Führer Khamenei mal stirbt, ob es dann ein Durcheinander geben kann, ob es einen Militärputsch geben kann. Aber das ist tatsächlich noch ein bisschen früh, um das seriös beurteilen zu können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Anm. d. Red.: Die Audio-Aufzeichnung des Interviews endet mit der Frage, ob Präsident Rohani den Rücktritt von Sarif akzeptieren wird oder nicht? Diese Frage wurde durch aktuelle Ereignisse überholt.

Inzwischen hat Rohani das Rücktrittsgesuch seines Außenminister abgelehnt. Sarifs Rücktritt sei nicht im "Interesse des Landes" und er stimme ihm daher nicht zu, schrieb Rohani in einem Brief an Sarif, der auf der Internetseite der Regierung veröffentlicht wurde.